Wenn der Klimawandel den Stöpsel zieht
19.10.2022
Sinkt das Grundwasser, versickern Bäche und Flüsse und verschmutzen Trinkwasser
Zunehmende Trockenheit, weniger Niederschlag, vermehrter Wasserbedarf in der Landwirtschaft – der Klimawandel macht unserem Grundwasser zu schaffen. In Deutschland und weltweit führt er regional zu sinkenden Grundwasserständen. Ist der unterirdische Wasserpegel niedrig, gelangt belastetes Oberflächenwasser aus Bächen und Flüssen vermehrt ins Grundwasser. Die Folge: Unser Trinkwasser und die Grundwasserökosysteme sind gefährdet, das Mengenproblem wird damit auch zu einem Güteproblem. Das beschreiben Forscher aktuell im Fachmagazin „Water Research“. Neue Forschungsansätze und regional abgestimmte Konzepte zur Verbesserung der Grundwasserneubildung sind dringend notwendig, so ihre Empfehlung.
„Wir sehen hier eine direkte Folge des Klimawandels, wodurch unsere wichtigste Wasserressource – das Grundwasser – gefährdet ist“, unterstreicht Hans Jürgen Hahn von der Universität Koblenz-Landau, einer der Autoren der Studie. In vielen Gegenden weltweit sinkt der Grundwasserspiegel zunehmend, da auch die Neubildungsrate von Grundwasser abnimmt. Gleichzeitig steigen die Grundwasserentnahmen durch die landwirtschaftliche Bewässerung und für die Trinkwasserversorgung. Dies hat eine zusätzliche Absenkung der Grundwasserstände zur Folge, und der Landschaftswasserhaushalt ändert sich – die Klimafolgenspirale beginnt, sich immer schneller zu drehen. „Wir stehen dadurch vielerorts an einem Kipppunkt im Landschaftswasserhaushalt“, erklärt Mitautorin Anke Uhl vom Arbeitskreis Quellen und Grundwasser der Deutschen Gesellschaft für Limnologie.
Anders als bisher drückt das Grundwasser durch den gesunkenen Grundwasserstand an vielen Stellen nicht mehr nach oben und speist Bäche und Flüsse (exfiltriert), sondern das Wasser der Fließgewässer versickert nun in den Untergrund (infiltriert). Als Folge dieser Druckumkehr können Schadstoffe ins unterirdische Nass eindringen. Denn in den Bächen und Flüssen fließen nicht nur Regen- und Quellwasser, sondern auch die Abläufe von Kläranlagen. „Wir reichern das Grundwasser zunehmend mit Abwasserinhaltstoffen an – mit Resten von Medikamenten, Haushaltschemikalien, künstlichen Süßstoffen und anderen Schadstoffen“, erklärt Christian Griebler von der Universität Wien.
Ein weiterer Aspekt: Durch die Umkehr der Fließrichtung zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser trocknen Feuchtgebiete aus. „Da alle aktuellen Studien in großen Teilen der Erde weitere Rückgänge der Grundwasserstände vorhersagen, wird sich das Problem in Zukunft noch weiter verstärken. Dadurch werden wir vor allem in den zunehmend trockenen Sommern damit konfrontiert werden“, unterstreicht Petra Döll von der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Ihre Schlussfolgerungen stützen die Forschenden auf eine weltweite Literaturstudie zu den Folgen des Klimawandels, den Auswirkungen von Grundwasserentnahme auf diese Ressource sowie auf Fachartikel zu neuen Schadstoffen im Grundwasser. „Diese Zusammenhänge sind naheliegend, bislang hatte sie die Wissenschaft aber noch nicht auf dem Radar“, ordnet Markus Weiler von der Universität Freiburg das Gewicht der Studienergebnisse ein.
Regionale Unterschiede
Der Klimawandel findet regional unterschiedlich statt. Dabei variieren die Niederschläge, die Grundwasserneubildung und die Menge der Grundwasserentnahme je nach Gebiet wie auch die Ausprägung der Wechselwirkung zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser – die hydrogeologischen Verhältnisse.
So sind in Österreich insbesondere der Osten, Nordosten und Südosten betroffen. Die in Deutschland beeinträchtigten Gebiete sind übers Bundesgebiet verteilt: Unter anderem sind die Regionen Oberrhein, Mittelfranken, Allgäu, östliches Niedersachsen, westliches Nordrhein-Westfalen und Südhessen betroffen sowie große Teile der neuen Bundesländer.
Konzepte auf die Gegebenheiten vor Ort anpassen
„Die Studie zeigt vor allem auch, dass wir neue wissenschaftliche Ansätze und Modelle auf regionaler und lokaler Ebene brauchen, um die Wechselwirkungen zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser und vor allem die Kipppunkte im Landschaftswasserhaushalt zu ermitteln“, erklärt Markus Noack von der Hochschule Karlsruhe. Klar wird auch: Das Oberflächenwasser muss weiter vor Verschmutzung geschützt werden. Denn der Zustand der oberirdischen Gewässer hat direkte Konsequenzen für die Qualität des Grundwassers. Zur Minimierung von Schadstoffen im Wasserkreislauf gibt es eine Lösung: „Es ist höchste Zeit, den Wasserverbrauch industriell wie privat zu senken, um weniger Grundwasser fördern zu müssen. Zusätzlich ist es wichtig, den Eintrag langlebiger Schadstoffe in den Wasserkreislauf drastisch zu reduzieren und vierte Reinigungsstufen in Kläranlagen konsequent ausbauen“, so Anke Uhl.
Weitere News und Artikel
02.09.2024
News
Fortbildungspunkte für Ingenieur*innen mit Online-Kursen von UNITRACC und SAG-Akademie
Ingenieurkammern vergeben bis zu 44 Punkte für Kurse aus unserem Weiterbildungsangebot im Bereich Kanalbau, -instandhaltung und -management. Ergründen Sie …
26.08.2024
News
Nachruf Prof. Dr.-Ing. Dietrich Stein
In tiefer Trauer geben wir bekannt, dass unser Gründer und Gesellschafter Prof. Dr.-Ing. Dietrich Stein im Alter von 85 Jahren verstorben ist.
Es ist seiner visionären Kraft, seinem ingenieurmäßigen Genius …
21.08.2024
News
Kanalgipfel 2024: Aussteller Swietelsky-Faber GmbH Kanalsanierung
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in …
15.08.2024
News
Kanalgipfel 2024: Aussteller Steinzeug-Keramo & Pipelife
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten …
14.08.2024
News
Kanalgipfel 2024: Aussteller Aarsleff
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten technischen …
13.08.2024
News
Kanalgipfel 2024: Bedarfsorientierte Kanalinspektion – Aktivitäten der Stadt Remscheid und ihre Abstimmungen mit der Aufsichtsbehörde
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die …
08.08.2024
News
Kanalgipfel 2024: Aussteller Amiblu
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten technischen und …
08.08.2024
News
Kanalgipfel 2024: Bedarfsorientierte Kanalinspektion – Aktivitäten in Österreich
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, …
06.08.2024
News
Kanalgipfel 2024: Aussteller Barthauer Software GmbH
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten …
05.08.2024
News
Kanalgipfel 2024: QKan – GIS-gestütztes Kanalinformationssystem als open source-Werkzeug für kleinere und mittlere Netzbetreiber
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große …
02.08.2024
News
Kanalgipfel 2024: Aussteller PFI
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten technischen und …
31.07.2024
News
Kanalgipfel 2024: Aussteller NIVUS
Die Entwässerungssysteme unserer Städte sind ein wesentlicher Bestandteil des kommunalen Anlagevermögens. Die große Zukunftsaufgabe, vor der viele Kommunen stehen, besteht in einer fundierten technischen und …
Kontakt
Universität Koblenz-Landau
PD Dr. Hans Jürgen Hahn
iES Landau – Institut für Umweltwissenschaften / Arbeitsgruppe Molekulare Ökologie
Fortstraße 7
76829 Landau
Deutschland
Telefon:
06341 280 31211