Schlauchlining rundum im "grünen Bereich": Rückblick auf den 7. Deutschen Schlauchliner-Tag

08.06.2009

Die Finanzkrise kam nirgendwo explizit zur Sprache, aber ihr Schatten in Gestalt der drohenden Verschlechterung der Kommunalfinanzen lag auch über dem 7. Deutschen Schlauchlinertag, der am 21.April 2009 in Pforzheim stattfand. Noch wissen weder die kommunalen Netzbetreiber noch die Unternehmen der Kanalsanierungsbranche, wie sich die ökonomische Malaise auf die Marktlage auswirken wird; also hält man sich an erkennbaren Fakten fest: Die Abwasserkanäle werden nicht von selbst besser, statt dessen sind Investitionen in die Entsorgungsinfrastruktur seit Jahren chronisch unzureichend und um die anstehenden Aufgaben zu schultern, wird man nachhaltige Qualität mit höchstmöglicher Wirtschaftlichkeit verbinden müssen. Daher waren sich die 550 Besucher des 7. Deutschen Schlauchliner-Tages in einem einig: Auf Schlauchlining als ökonomisches grabenloses Sanierungsverfahren kann gerade unter den aktuellen Randbedingungen weniger verzichtet werden denn je - zumal sich die Technologie inzwischen in puncto Qualität im grünen Bereich bewegt, sofern man bestimmte Spielregeln und Standards einhält. Mit besonderem Interesse wurden in Pforzheim Erfahrungsberichte aus der Praxis verfolgt.

DWA-Präsident Dipl.-Ing. Otto Schaaf, Köln, umriss die Ausgangslage, wobei er ein ums andere Mal illustrativ auf Einsichten aus seiner Heimatstadt zurück griff. Nach einer von Schaaf zitierten Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIFU) machen Investitionen in die Abwasserbeseitigung mit 58 Milliarden € den drittgrößten Posten bei den infrastrukturellen Investitionsnotwendigkeiten nach Straßen- und Schulerneuerung aus. Davon wiederum betreffen rund 22 Mrd. € die Kanalsanierung. Andererseits würden "bei monetärer Bewertung heute schon mehr als 50% aller Sanierungen in Kanälen mit Schlauchlining durchgeführt" - und dies allein im Bereich der öffentlichen Kanalisation. Als Leiter der Kölner Abwasserbetriebe weiß Schaaf jedoch nur zu gut, dass die Probleme "jenseits des öffentlichen Netzes" erst richtig anfangen. Über 50.000 der 130.000 Grundstücksentwässerungsanlagen der Rheinmetropole liegen in Wasserschutzzonen. Sie sind nach § 61a LWG bereits vor Ende des Jahres 2015 auf Dichtheit zu prüfen -und bei Undichtigkeit zu sanieren. Dabei lassen die bislang gemachten Erfahrungen eine Schadensquote von 90 % realistischer Weise befürchten. Auch auf dem Grundstück sei, so Schaaf, das Schlauchlining eine Chance, die Kosten im Griff zu halten, sofern denn diese Technologie im Einzelfalle durchführbar und Ihre Qualität gewährleistet ist.

Qualität gewährleisten - das ist die gemeinsame Kernaufgabe aller Beteiligten vom Auftraggeber über Ingenieurbüro und Bauunternehmen bis hin zum Prüflabor. Einmal mehr wurde deshalb auf dem Schlauchliner-Tag thematisiert, was zu tun und was zu lassen ist, um dieses Ziel sicher zu erreichen. Ein leidiges Thema ist immer wieder die -vielerorts als rechtlich unvermeidbar empfundene- Vergabe von Schlauchlining-Aufträgen an Bieter mit offensichtlich nicht auskömmlichen Preisen. Dipl.-Ing. Rico Nock, Kappelrodeck, wies auf auf einen besonders heiklen, oft unterschätzten Aspekt hin: Bei in puncto Leistung offenkundig fragwürdigen und damit VOB-widrigen Vergaben an Billigstbieter könne es das federführende Ingenieurbüro es nicht bei Warnungen belassen: In solchem Falle müsse "…ein Ingenieurbüro aus haftungsrechtlichen Gründen den Vertrag mit seinem Auftraggeber kündigen." Ein schriftlicher Haftungsausschlusshinweis nämlich nütze gar nichts, sondern belaste das Ingenieurbüro im Falle des Falles noch mit zusätzlicher Verantwortung und führe zum Verlust des Versicherungsschutzes.

Spannend auch die in Pforzheim gegebene Antwort auf die Frage, wie die neue Zusätzliche Technische Vertragsbedingung (ZTV) zur Materialprüfung angenommen wird und sich auswirkt, die seit 2008 die laborseitigen Qualitätssicherungsverfahren rund um den Schlauchliner standardisiert. Wie Dipl.-Ing. Andreas Haacker, Oststeinbek, aus der Prüfpraxis berichtete, zeigen sich wesentliche Unterschiede gegenüber der Zeit "ante ZTV" im Falle einer Abweichung von Sollwerten und Prüfergebnissen: In der ZTV werden exakte Vorgaben geregelt wann eine Zweitbeprobung obligatorisch ist. Deutlich steigend sei der Anteil der Beauftragungen nach ZTV. In Haakers Unternehmen liegt der Anteil der "ZTV-Beprobungen" bereits bei 35 % mit steigender Tendenz.

Insbesondere bei Schlauchlining mit Warmwasser-härtenden Nadelfilzlinern spielt ein in Raum und Zeit vorgabenkonformer Temperaturverlauf des Härtungsvorgangs eine Schlüsselrolle. Das Prinzip der zeitlich und räumlich punktuellen Stichprobenmessung wird vielfach als unzureichend empfunden; eine offensichtlich gangbare Alternative haben das IKT Institut für Unterirdische Infrastruktur Gelsenkirchen und die Rheinische Fachhochschule Köln entwickelt und in Pforzheim vorgestellt: Die faseroptische Temperaturmessung. Axial in den Liner-Aufbau integrierte Lichtwellenleiter werden mit Laserlicht beaufschlagt; im Sensorkabel werden durch äußere Wärmeeinwirkung molekulare Schwingungen erzeugt, die durch das Kabel zurück wirken und exakt gemessen, aufgezeichnet und visualisiert werden können. So ist es möglich, über Distanzen von derzeit bis zu 8 Kilometern halbmetergenaue Temperaturprofile des Liners quasi "live" zu ermitteln. Tatsächlich konnten Temperaturunterschiede von 8°C bis 13°C im Längsverlauf der vier untersuchten Liner DN 500 ebenso gemessen werden wie Abweichungen zwischen Sohle und Scheitel, die zwischen2°C und 10°C lagen. Da alle Werte noch innerhalb der Einbau-Vorgaben lagen, konnten in diesem Falle durch Nachbeprobung und labortechnische Untersuchung auffälliger Bereiche keine Korrelationen zwischen Wärmeeintrag und Qualität nachgewiesen werden.

Neben solchen Forschungs-Highlights bekamen die Gäste des 7. Deutschen Schlauchliner-Tages sehr viel Praxiserfahrung vermittelt, diesmal aus der Gastgeberstadt Pforzheim, in der die Schlauchlining –Ära 1986 begann, sowie aus Hamburg, Herford und Solingen. In Solingen hat man inzwischen einen breiten Fundus von Erfahrungen mit dem Schlauchliner-Einbau speziell in Hausanschlussleitungen gemacht. In einem Modellprojekt mit 109 Teilnehmern wurden 97 Renovationen per Schlauchlining (insgesamt 1200 Meter) durchgeführt, von denen 94 mit der in Solingen obligatorischenDSC-Analytik überprüft wurden; in drei Fällen konnte keine Probe genommen werden. Nur ein einziger Liner fiel aufgrund eines nachweislichen Materialfehlers durch und wurde ausgetauscht. Die spezifischen Kosten für die Schlauchlining-Sanierung der Anschlussleitungen lagen bei 1.950 € pro Grundstück. Bei den 55 Grundstücken, bei denen in einem zweiten Bauabschnitt auch noch die Grundleitungen saniert wurden, kamen jeweils noch einmal € 1.500 hinzu.

Werden Schlauchliner also kompetent geplant, von sachkundigen Unternehmen verantwortungsbewusst durchgeführt und vorschriftsgemäß analysiert, liegt man mit ihnen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch qualitativ auf der sicheren Seite; somit darf die Forderung, ein Sanierungsergebnis müsse einem Neubau gleichwertig sein, als erfüllt angesehen werden. Mehr noch: Schlauchlining leistet, wie der GSTT-Vorsitzende Prof. Jens Hölterhoff, Berlin, ausführte, einen Beitrag zu Energieeinsparung und Klimaschutz. Entscheidend dabei: Als "minimal-invasives" und schnelles -je nach Verfahrensvariante sogar extrem schnelles- Verfahren reduziert Schlauchlining im Vergleich zum offenen Neubau unter anderem ganz erheblich die baubedingten und die staubedingten Verkehrsemissionen: Mit Schlauchlining liegt man folglich gleich in doppelter Hinsicht im "grünen Bereich".

Genau dort fand sich die Technische Akademie Hannover als Veranstalter des 7. Deutschen Schlauchliner-Tages in ihrer positiven Bilanz wieder, die neben der Besucherresonanz auch die mit 32 Ausstellern sehr gut besetzte und bestens frequentierte Fachausstellung rund ums Schlauchlining einbezog. Kaum dass das Kongresszentrum Pforzheim die Türen hinter dem letzten Kanalsanierer geschlossen hatte, stand deshalb fest: 2010 geht die "Story" weiter.


Kontakt:
Technische Akademie Hannover e.V.
Dr. Igor Borovsky
Wöhlerstraße 42
30163 Hannover
Tel.: 0511 / 394 33-30
Fax: 0511 / 394 33-40
E-Mail: borovsky@ta-hannover.de
Internet: www.ta-hannover.de

Kontakt

Technische Akademie Hannover e.V.

E-Mail:

info@ta-hannover.de

Internet:

Zur Webseite