Rechen-Power sorgt für optimale Grobstoffrückhaltung
02.07.2018
Die kommunale Wasserwerke Grimma-Geithain GmbH stattet Stauraumkanal mit Amiscreen aus.
Um für Starkregenereignisse gewappnet zu sein, betreibt die Kommunale Wasserwerke Grimma-Geithain GmbH (KWW) in der im Süden des Landkreises Leipzig gelegenen Kleinstadt Geithain einen Stauraumkanal aus Stahlbeton mit eingebauter Trockenwetterinne und einem obenliegenden Beckenüberlauf mit ca. 10 m langer Entlastungsschwelle.
Der in der Altenburger Straße westlich des Zentrums von Geithain verlaufende rund 120 m lange Mischwasser-Stauraumkanal DN 2200 leitet das Schmutzwasser in die örtliche Kläranlage ab. Bei Niederschlägen fließt auch das Oberflächenwasser über die Zuläufe der Grundstücke und Straßeneinläufe hinzu, und der Wasserspiegel im Stauraumkanal steigt entsprechend an. Kleine und mittlere Regenereignisse werden so gepuffert, ohne dass die Kläranlage oder das Kanalsystem überlastet werden.
Bei Starkregenereignissen setzt nach Füllung des Stauraumkanals die Regenentlastung ein, und die Wassermassen strömen dann in die nahegelegene kleine Eula. Diese steigt dabei nicht selten über ihre Ufer, strömt in die angrenzenden Grundstücke der Anlieger und hinterlässt nach dem Abfließen des Wassers teilweise diverse Fest- und Schmutzstoffe. Um das zu verhindern, ließ KWW den Kanal jetzt mit einer Amiscreen-Grobstoffrückhaltung nachrüsten.
Entwickelt wurde das System von der Amiantit Germany GmbH aus dem sächsischen Döbeln, einem Unternehmen der Amiblu Holding. Mit der Ausführung der Arbeiten betraut wurde die Erdmann Bau GmbH, Mügeln, die den Auftrag trotz erschwerter Rahmenbedingungen auf der vielbefahrenen Ortsdurchführung B7 termingerecht abschließen konnte.
Grobstoffreinigung das Gebot der Stunde
An den meisten Tagen im Jahr ist die südlich des Geithainer Ortsteils Wickershain entspringende Eula ein gemächlich durch den Ort strömender Bach. Das ändert sich bei einem Starkregenereignis schlagartig. Dann nämlich setzt das Flüsschen regelmäßig die Grundstücke der Anrainer im Ortsteil Altdorf unter Wasser. Das kann auch der 2001 nach dem Stand der Technik genehmigte, in der Altenburger Straße verlegte Stauraumkanal nicht verhindern.
Für die Anwohner besonders unangenehm: Das Wasser schwemmt bei solchen Gelegenheiten regelmäßig auch Schmutzstoffe aus der Geithainer Oberstadt in die heimischen Gärten – „eine sehr unappetitliche Situation“ sei das, findet Planer Dr.-Ing. Hans-Jörg Temann, Temann + Schöpe Beratende Ingenieure, der gemeinsam mit KWW, Stadt und Grundstückseigentümern eine Lösung gesucht hat.
Wirkliche Abhilfe gegen diese Art der Überflutungen könnte nur der ursprünglich geplante Ausbau der Eula durch die Landestalsperrenverwaltung schaffen, den man aber mit Blick auf die Kosten ebenso auf Eis gelegt hat, wie einen Umbau des bestehenden Sammlers, mit dem sich zusätzlicher Stauraum schaffen ließe.
Was kurzfristig möglich war, erklärt Daniel Lüdke, stellv. Bereichsleiter Investitionen, OEWA Wasser & Abwasser GmbH: „Der Einbau des Amiscreen-Systems in den bestehenden Kanal verhindert zwar nicht die eigentlichen Überflutungen, aber so kommen wir der Forderung der Wasserbehörde nach einer Grobstoff-Rückhaltung nach und stellen sicher, dass wenigstens die vom Wasser transportierten Schmutzstoffe effektiv zurückgehalten werden.“
Viel Rechenfläche für eine verstopfungsfreie Grobstoffrückhaltung
Amiscreen ist ein Stauraumsystem mit Regenüberlauf und einer zusätzlichen integrierten Grobstoffrückhaltung, die analog einem Rechen- oder Siebsystem funktioniert.
Uwe Napierski, Vertriebsleiter Sonderanwendungen, Amiblu - Amiantit Germany GmbH, erläutert die Funktionsweise des Systems und seine Vorzüge: „Dass man mit einem Rechen Schmutzstoffe zurückhalten kann, ist bekannt. An Regenüberläufen von Mischwasserkanälen positioniert man ihn meistens auf der Schwelle zum Auslauf in das angrenzende Gewässer. Leider verstopft er dort aber auch sehr schnell, insbesondere reißfeste Feuchttücher sind dabei ein großes Ärgernis. Eine kontinuierliche Reinigung ist somit die Bedingung für eine konstante Grobstoffrückhaltung an einer Entlastungsschwelle.“
Beim Amiscreen wird der Rechen von der Schwelle weg hinein in den Stauraumkanal versetzt. Dazu werden sehr lange und perforierte Rohrstränge in das Rohrsystem DN 2200 eingebaut. Das schafft eine sehr große Rechenfläche, die in etwa dem 25-fachen eines klassischen Rechens entspricht. Dieses Plus an Rechenfläche wiederum bedeutet eine Zunahme an den Öffnungen durch die das Wasser fließen kann.
Das Ergebnis: Die Durchströmungsgeschwindigkeit sinkt und wird so weit reduziert, bis die Schmutzpartikel die Öffnungen nur noch langsam durchfließen. „Größere Partikel gleiten somit an der Wandung ab und werden nicht in die Perforation gepresst. Dadurch können sie nicht verklumpen und den Rechen in kurzer Zeit zusetzen“, so Napierski weiter. Das macht Amiscreen zu einer Lösung, die gleichermaßen wartungsarm wie verschleißfrei ist – Grobstoffe werden effektiv zurückgehalten, das vom Stauraumkanal über die Regenrückhaltung in den Vorfluter abgeleitete Wasser ist grobstofffrei.
In Geithain wurde das System erstmals für die Nachrüstung eines bestehenden Stauraumkanals verwendet. Es hat sich gezeigt, dass mit geringen Umbaumaßnahmen am Regenüberlauf auch weitere Bestandskanäle und auch Regenüberlaufbecken auf diese Weise nachgerüstet werden können. Je nach Witterung und Intensität der Beanspruchung reicht es, das System im Regelfall nur ein- oder zweimal im Jahr zu reinigen; der gesamte Reinigungsprozess kann dabei von außen erfolgen.
Dank Integration einer sogenannten Spülführung in den Amiscreen-Elementen und Spülführungsrohren DN 200 an den Inspektionsöffnungen lässt sich der komplette Stauraumkanal in Zukunft mit modernster Hochdruckspültechnik reinigen – ein Umstand, der die Reinigung zusätzlich erleichtert.
Arbeiten in vielbefahrener Straße
Vor Beginn der Arbeiten wurde der Bestandskanal gereinigt und im Anschluss die Entlastung nach den Vorgaben von Amiantit umgebaut. „Zunächst wurde auf einer Länge von 50 m eine Zwischendecke aus GFK mit Überläufen und Notüberläufen in den bestehenden Kanal eingezogen“, erklärt Erdmann Bau-Geschäftsführer Frieder Erdmann.
An dieser wurden dann zwei Stränge aus Amiscreen-Elementen befestigt. Insgesamt kamen 100 m Amiscreen-Elemente in DN 600 zum Einsatz. So wurde eine Rechenoberfläche von ca. 190 m2 geschaffen, durch die bis zu 2,5 m3/s Mischwasser fließen – eine 20- bis 25-fach niedrigere Durchflussgeschwindigkeit als bei üblichen, auf Schwellen integrierten Rechen.
Die Folge: Ein Zerfetzen, Verklumpen und Verstopfen der Grobstoffe wird vermieden. Die vor Ort gewählte Gitter-Perforation von 8 mm x 8 mm sorgt dafür, dass die Grobstoffe nicht mehr in die Eula gelangen. Um das System vor Beschädigungen durch extreme Regenereignisse mit außergewöhnlichen Niederschlagsmengen zu schützen, wurde in die Zwischendecke ein Notüberlaufsystem integriert. Wenn sich also doch wieder einmal Grobstoffe im Auslauf befinden, so kann nur dieses Schutzsystem angesprungen sein. Das darf statistisch betrachtet einmal in fünf Jahren passieren.
Für den Einbau des Amiscreen-Systems war trockene Witterung unbedingte Voraussetzung. Bei Regen mussten die Mitarbeiter von Erdmann Bau den Kanal sofort verlassen und auch das Material bergen, denn dann stieg das Wasser im Kanal schnell bis zu eineinhalb Meter an. Erschwerend kam hinzu, dass der Stauraumkanal in einem Abschnitt der vielbefahrenen Bundesstraße 7 verläuft; diese musste für die Dauer der rund zwei Wochen langen Arbeiten halbseitig gesperrt werden.
Inzwischen sind die Arbeiten zur Zufriedenheit aller Beteiligten abgeschlossen – bei künftigen Überflutungen dürften den Anrainern die unappetitlichsten Begleiterscheinungen erspart bleiben. Erste Ergebnisse zeigen sich zumindest in indirekter Form.
Die Kläranlage Geithain weist ein deutlich höheres Aufkommen an Rechengut auf, was für die Arbeitsweise des „Amiscreen“ spricht, da die Schmutzstoffe, die sonst abgeschlagen wurden nun zur Kläranlage geführt werden. Auch Anwohnerbeschwerden über Verschmutzungen sind seit dem Einbau des Grobstoffrückhaltes bisher nicht mehr zu verzeichnen gewesen.
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