Fünf tödlich verletzte Bauarbeiter in nur einer Woche
27.07.2009
Zwei wurden durch mangelnde Sicht beim Rückwärtsfahren überrollt: Am Dienstag 21.07. ist bei einem Unfall auf der Baustelle des künftigen Hauptstadtflughafens BBI in Berlin-Schönefeld ein Bauarbeiter getötet worden. Der Fahrer einer Gummiradwalze hatte beim Rückwärtsfahren den 49-Jährigen übersehen und überfahren. Obwohl Rettungskräfte schnell am Unfallort gewesen seien, erlag der Bauarbeiter aus Ringelai im Bayerischen Wald noch an der Unfallstelle seinen Verletzungen.
Ein Bauarbeiter, der vergangene Woche an der Baustelle des Deutschen Theaters in München während der Arbeit einen Unfall hatte, ist am Dienstag in Folge seiner schweren Verletzungen gestorben. Am 23. Juli hatte ihn auf der Baustelle in der Schwanthaler Straße ein Holzbrett am Kopf getroffen. Er hatte sich in einer Grube an der Baustelle aufgehalten, während Arbeiter in 20 Meter Höhe ein Gerüst abbauten. Vermutlich durch Unachtsamkeit der Gerüstbauer hatte sich das etwa zwei Meter lange Brett gelöst, war herab gefallen und hatte den 32-jährigen Griechen schwer verletzt. Mit einer offenen Schädelfraktur war er ins Krankhaus eingeliefert worden, wo er knapp eine Woche nach dem Unfall seinen schweren Verletzungen erlag.
Ein 35-jähriger Bauarbeiter ist am Freitagnachmittag 24.07. in Nördlingen (Landkreis Donau-Ries) von einem Lkw überrollt und tödlich verletzt worden. Wie die Polizei am Samstag in Augsburg mitteilte, hatte der 35-jährige einen Anhänger an einen Lastwagen angekuppelt und war auf dem Weg zum Firmenbus, als ein anderer Lkw in der Sackgasse zurücksetzte. Der 56-jährige Fahrer dieses Lkw hat den Bauarbeiter offensichtlich nicht gesehen und überrollte ihn mit den hinteren Zwillingsreifen. Der Bauarbeiter erlag noch an der Unfallstelle seinen schweren Verletzungen.
Auf einer Brückenbaustelle in Brügge (Kreis Rendsburg-Eckernförde) ist am Montagmittag 27.07. ein Bauarbeiter von einem Traktor überrollt und tödlich verletzt worden. Nach Angaben der Polizei arbeitete der 50-Jährige mit einer Handwalze, die von dem vorbeifahrenden Traktor mitgerissen wurde. Der Arbeiter stürzte dadurch so unglücklich, dass er unter die Reifen geriet. Er starb noch an der Unfallstelle.
Es gab schon mehrere Unfälle dieser Art in diesem Jahr. In 2008 eine ganze Reihe, die soweit sie in der Presse erschienen sind, von uns aufgelistet wurden. Diese finden Sie auf der Homepage von Gesunde-Bauarbeit.de. Hier ist auch die Rechtslage ausführlich dargestellt.
Es war auch nicht der erste tödliche Unfall eines Bauarbeiters durch einen rückwärts setzenden Lkw. Am 11.03 wurde ein 60-jähriger Bauarbeiter aus Bad Salzuflen von den Zwillingsreifen eines Betonmischers überrollt, als er für den Lkw gerade die Bake einer Baustellenausfahrt beiseite geräumt hatte. Der tödliche Unfall ereignete sich an der Großbaustelle zum Neubau der Kreuzung Ostwestfalenstraße/Elverdisser Straße im so genannten Dreiländereck Herford/Bielefeld/Bad Salzuflen. Jeder Unfall ist einer zuviel. Zuviel sind vor allen Dingen die, welche vermeidbar gewesen wären. Wenn ein Unfall passiert, weil ein anderer einen Fehler macht, ist das tragisch aber menschlich. Wenn aber Menschen überfahren werden, obwohl das Risiko bekannt ist, da eine Gefährdungsanalyse durchführt werden musste, nimmt man sehenden Auges in Kauf das Menschen sterben.
Den Hersteller trifft eine öffentlich-rechtliche Verantwortung aus dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), nur sichere Maschinen auf den Markt zu bringen. In Erfüllung des Gesetzes dürfen nach § 2 der 9. Verordnung zum GPSG Maschinen oder Sicherheitsbauteile nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie u. a. den grundlegenden Sicherheitsanforderungen des Anhangs l der Richtlinie 89/392/EWG entsprechen.
Ist ein Radlader, der nach hinten keine Sicht hat, aber 50 % seiner Tagesleistung rückwärts im Blindflug zurücklegt eine sichere Maschine im Sinn des (GPSG)?
Obwohl es eindeutige Vorschriften in der Maschinenrichtlinie und in der Betriebssicherheitsverordnung gibt, dass bei eingeschränkter Sicht technische Mittel zur Sichtverbesserung angebaut werden müssen, wird das von der Mehrzahl der Hersteller und der Betreiber ignoriert und von den Behörden nicht oder kaum kontrolliert. Die Hersteller hängen sich das CE-Zeichen an die Maschinen und der Käufer glaubt, ein sicheres Produkt zu erwerben. Ein tödlicher Irrtum. Das CE- Zeichen ist kein Prüfzeichen und darf nicht an der Maschine angebracht sein, wenn keine technischen Sichtverbesserungen angebaut sind, welche im Anhang 1 der Maschinenrichtlinie gefordert werden.
Es kann nicht sein, dass einerseits Vorschriften nicht beachtet und andererseits nicht kontrolliert werden. Wer in der Stadt zu lange parkt, bekommt einen Strafzettel und muss zahlen. Der ruhende Verkehr wird lückenlos überwacht. Gesetze und Verordnungen, die das höchste Gut des Menschen, sein Leben und seine Gesundheit schützen sollen, werden kaum kontrolliert, nicht sanktioniert wohl aber ständig dereguliert unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung, wie jetzt die jüngsten Stoiber Vorschläge zeigen.
Bagger und Lkw sind heute voll gestopft mit Elektronik, die Daten werden per GPS an die Firmen übermittelt. In den Einsatzzentralen kann man ablesen, wo sich das Gerät gerade befindet, wie schnell es fährt, welcher Gang eingelegt ist, die Motortemperatur, der Kilometerstand, der aktuelle Spritverbrauch, wie oft der Fahrer bremst, wann und wo er Pause macht, eine lückenlose Überwachung ist keine Science Fiktion, sondern heute Gang und Gäbe und bei allen neuen Maschinen längst Standard.
Nur zu einem sind sie nicht im Stande. Dem Fahrer den toten Winkel zu entschärfen.
Nicht, weil das technisch nicht möglich ist - das ist mit das Einfachste, was es gibt. Eine Kamera hat heute jeder Rentner an seinem Caravan. Nein, hier wird einfach auf Kosten der Sicherheit gespart. Eine Rückraumüberwachung kostet nicht mal einen Euro pro Tag. Das der Maschinenführer damit auch noch schneller und wirtschaftlicher arbeiten kann, kommt noch dazu, so dass sich die Anschaffung sogar wirtschaftlich rechnet.
"Die Hersteller sind aufgefordert, ihrer Verpflichtung, die sich aus der Maschinenrichtlinie ergibt, nachzukommen, eine Risikoanalyse durchzuführen und Erdbaumaschinen mit Sichteinschränkungen serienmäßig mit Rückraumüberwachungssystemen auszurüsten", forderte Dipl.-Ing. Helmut Ehnes, Leiter des Geschäftsbereiches Prävention der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft bereits im April 2000. Auch bei Lkw's ist die Betriebssicherheitsverordnung anzuwenden und eine Gefährdungsanalyse durchzuführen. Von den Lkw Fahrern lässt man sich teilweise unterschreiben, dass sie ohne Einweiser nicht rückwärts fahren. Der Einweiser ist aus Kostengründen so gut wie nicht mehr vorhanden und genau wie der Beifahrer eine aussterbende Spezies. Soll der Fahrer sich Lieschen Müller von der Straße holen? Es gibt auch hohe Anforderungen bezüglich Qualifikation seitens der BG an Einweiser, die oft genug selbst unter die Räder kommen.
Und wenn was passiert, sind die Opfer die Schuldigen. Wer jemanden unter seiner Maschine oder Lkw rausziehen muss, ist sein ganzes Leben gestraft. Die Bilder wird er nie mehr los. Das Gerichtsurteil in Schwetzingen, welches auf der Homepage geschildert ist, ist auch bei Lkw Unfällen zu beobachten. Der Kleinste ist der Dumme. Diejenigen, welche Millionen investieren, denen aber ein paar Cent für die Sicherheit zuviel sind, die Gesetze und Vorschriften missachten, kommen ungeschoren davon.
Ein Lkw Fahrer, der ein 11-jähriges Mädchen totfuhr, wurde von den Richtern zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem legte man ihm ein zweimonatiges Fahrverbot auf und er muss 1800 Euro an die Rettungsflugwacht zahlen. Zudem muss er die Kosten der Nebenkläger tragen. Das Gericht hofft, dass das Urteil einen präventiven Charakter hat – sprich: Lastwagenfahrer sich in kritischen Situation lieber einweisen lassen, anstatt auf sich selbst zu vertrauen. Die Realität ist eine andere, woher nehmen?
Prävention ist Vorsorge zu treffen und eine Rückraumüberwachung anzubauen und nicht dem Kleinsten, der auch ein Opfer ist, die Schuld zu geben.
Europäische Woche zur Gefährdungsbeurteilung
Gesunde-Bauarbeit und Partner laden Sie ein zu einer Infoveranstaltung am 17. Oktober im Rahmen der europäischen Woche ein. Im Mittelpunkt stehen hier Gefährdungen im Zusammenhang mit rückwärts fahrenden Baumaschinen und LKW. In Vorträgen wird die rechtliche Situation erläutert, im Außenbereich werden praktische Lösungen an LKW und Baumaschinen gezeigt und die Umsetzung mit verantwortlichen Experten und Praktikern besprochen. Mit dabei unter anderem drei Berufsgenossenschaften. Namhafte Sicherheitsexperten aus den Betrieben und auch die betroffenen Baumaschinenführer und Fahrer kommen zu Wort.
Bleiben Sie gesund!
Kontakt:
Gesunde-Bauarbeit
Rudi Clemens
c/o Tannenstraße 22
52538 Gangelt-Birgden
Tel.: 01520 983 5149
Internet: www.gesunde-bauarbeit.de
oder: www.baukonferenz.de
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