Energie aus der Kanalisation beheizt 90 Wohnungen

20.11.2017

Neubauquartier Wechloyer Tor: Großprojekt zur Abwasserwärmenutzung wird realisiert.

Wenn der Badewannen-Stöpsel gezogen wird, fließen schon mal 150 Liter warmes Wasser in der Kanalisation. Nudelwasser abgießen: drei Liter, fast noch kochend. Auch aus Geschirrspüler, Waschmaschine und Dusche flutet regelmäßig heißes Wasser in die Leitung. Das Energiepotential, das im Abwasser steckt, soll im Oldenburger Neubauquartier „Wechloyer Tor“ genutzt werden.

An der Ammerländer Heerstraße sollen 8.000 Quadratmeter Wohnfläche künftig mit Abwasserwärme beheizt werden. Es handelt sich hierbei um das zweite Kooperationsprojekt zur Abwasserwärmenutzung, das von der Stadt Oldenburg initiiert wurde. Für das erste Projekt am Alten Stadthafen wurde die Stadt als „Niedersächsische Klimakommune 2016“ ausgezeichnet.

Bauherr ist diesmal die BPO Businesspark Oldenburg GmbH, die auf dem Gelände der Alten Netzfabrik den Wohnpark „Wechloyer Tor“ errichtet. Für die Planung der Energiezentrale zeichnet die Firma ECO.S Energieconsulting Stodtmeister verantwortlich.

Das energetische Konzept ist so aufgebaut, dass die Wärme des Abwassers über einen speziellen Wärmeübertrager entzogen und über eine Wärmepumpe auf das benötigte Temperaturniveau gebracht wird. Anders als am Stadthafen, wo den Investoren ein begehbarer Abwasserkanal zum Einbau der Wärmeübertragerelemente zur Verfügung steht, erfolgt der Einbau am Wechloyer Tor in einen Kanal, der nur einen halben Meter Durchmesser hat.

Stück für Stück werden die einen Meter langen Elemente in den Kanal eingebracht, die sich dann zu einem insgesamt 52 Meter langen Wärmeübertrager zusammensetzen. „Wärmerückgewinnungsanlagen in einem so kleinen Kanal kann man weltweit noch an einer Hand abzählen“, erläutert Wolfram Stodtmeister von ECO.S.

„Durch den Kanal läuft das Abwasser von 20. 000 Haushalten aus Ofen und Ofenerdiek Richtung Kläranlage. Das Abwasser hat eine ganzjährige Temperatur von mindestens 9,5 Grad Celsius“, weiß Reinhard Hövel, Sachgebietsleiter Planung und Bau des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbandes (OOWV), der das Projekt von Anfang an begleitet hat. Früh eingebunden war auch das Institut für Rohrleitungsbau (iro) an der Jade Hochschule Oldenburg.

Mike Böge vom iro erinnert sich: „Auf den ersten Blick erschien uns der Kanal nicht optimal, da zum damaligen Zeitpunkt keine belastbaren Erfahrungen über den Einbau von Wärmeübertragern in nicht begehbare Kanäle vorlagen.“ Gerd Iwanuk, Fachdienstleiter im Umweltmanagement der Stadt Oldenburg, sagt: „Unsere Zielsetzung war es von Anfang an, zusammen mit den Investoren eine geeignete Standortlösung zu finden. Bei allen großen Bauvorhaben führen wir mit den Investoren Gespräche zum Energiekonzept.“

Neben Anforderungen an Klimaschutz und Nachhaltigkeit müsse das Konzept den Nutzern eine langfristige und preiswerte Energieversorgung bieten, so Iwanuk weiter. „Wir hatten in diesem Projekt das Glück, dass die Investoren sehr aufgeschlossen gegenüber Innovationen waren und das Energiekonzept in einer sehr frühen Projektphase angegangen wurde.“

Mit Hilfe des Abwasserwärmeübertragers erzeugt eine Wärmepumpe eine Wärmeleistung von 55 kW für Heizung und Warmwasserbereitung. Hinzu kommen 16 kW, die aus der Abluft der 90 Wohnungen zurückgewonnen werden. Rund 75 Prozent des Wärmebedarfs der Wohnungen werden damit umweltfreundlich aus Abwärme gewonnen. Der Wärmepumpenbetrieb kann dadurch besonders effizient und kostengünstigen erfolgen. Ein Erdgaskessel dient zur Abdeckung der Spitzenlasten von bis zu 200 kW, die nur bei sehr niedrigen Außentemperaturen auftreten.

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