Neue Druckrohrleitung aus FLOWTITE GFK-Rohren - Alles dicht in Wilhelmshaven
05.01.2016
Die zunehmende Intensität von Starkregenereignissen stellt viele Städte und Kommunen und ihre Entwässerungsbetriebe vor große Herausforderungen. Die Stadt Wilhelmshaven bildet hier keine Ausnahme.
Mitte März 2011 beschloss der Rat den Bau einer Abwasserdruckleitung DN 1.200 (PN 6) vom Pumpwerk Süd zur Zentralkläranlage (ZKA). Damit können in Zukunft bei Starkregenereignissen rund 7.000 m3 pro Stunde aus dem südlichen Kernstadtbereich abtransportiert werden. Dies wird einerseits die Mischwassereinleitung in den Banter Siel reduzieren und andererseits die Abwasserentsorgung im südlichen Kernstadtbereich sichern.
Mit der Planung und Bauleitung beauftragten die zuständigen Technischen Betriebe Wilhelmshaven (TBW), Eigenbetrieb der Stadt Wilhelmshaven, die Planungs-ARGE Dr. Born-Dr. Ermel GmbH/p2m berlin GmbH. Für die Bauausführung zeichnete die Arbeitsgemeinschaft ADL Wilhelmshaven verantwortlich, an der die Ludwig Freytag GmbH u. Co. KG (technische Federführung), die Strabag AG sowie die Georg Koch GmbH beteiligt waren. Aufgrund von technischen Vorzügen wie den hervorragenden hydraulischen Eigenschaften oder der statischen Belastbarkeit, aber auch aufgrund der Flexibilität des Werkstoffes und wirtschaftlicher Aspekte entschieden sich die TBW beim Bau der neuen Druckrohrleitung für den Einsatz von FLOWTITE GFK-Wickelrohren der AMIANTIT Germany GmbH.
Ein klares Ergebnis
Bei der Baumaßnahme handelte es sich in Wilhelmshaven um die größte Tiefbaumaßnahme im Abwasserbereich der letzten Jahrzehnte. Eine 5,7 km lange Druckrohrleitung DN 1.200 mit einer Förderleistung von bis zu 7.000 m³ pro Stunde wurde in einer Tiefenlage von 2,50 m bis teilweise 5,50 m unter dem Gelände verlegt. Dazu war ein Bodenaushub von rund 50.000 m3 erforderlich. Die Kosten der Gesamtmaßnahme einschließlich Pumpwerksumbau, Planungsleistungen, usw. waren mit 13 Mio. Euro veranschlagt.
Der optimale Trassenverlauf der neuen Abwasserdruckleitung war unter Berücksichtigung ökologischer, volkswirtschaftlicher und wirtschaftlicher Aspekte ermittelt worden. Die Planungs-ARGE Dr. Born-Dr. Ermel GmbH/p2m berlin GmbH arbeitete hierzu vier optionale Trassen aus, die einer eingehenden Bewertung unterzogen wurden. Während die Trasse bei der Variante 1 und 2 durch die Stadt verlief, wurde bei Variante 3 nur ein Teil der Trasse durch die Stadt geführt (1,3 km) und der überwiegende Teil (4,2 km) außerhalb im Bereich des Friesendammes. In Variante 4 wurde der Stadtbereich vollständig gemieden. Die Planung sah hier zunächst die Verlegung im Hafen und die Weiterführung bis zur ZKA entlang des Friesendammes vor.
Die Kosten-Nutzen-Analyse führte zu einem klaren Ergebnis: Die Varianten 1 und 2 lagen bei der Bewertung in etwa gleich auf. Variante 4 erhielt die schlechteste Bewertung und als eindeutiger Favorit ging Variante 3 hervor. Dem Ergebnis lag eine Wichtung nach Investitionskosten (50 %) und Nicht-monitären Zielen (50 %) zugrunde. Zu den Nicht-monitären Zielen zählten unter anderem „Ökologische Auswirkungen“, „unmittelbare Einschränkung für Anwohner“, „Zugänglichkeit für Wartung und Reparatur“, „Risiken für vorhandene Bausubstanz“ oder „Synergie Straßensanierung“.
Die richtige Wahl getroffen
Für die Planung von Abwasserdruckleitungen sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Dazu gehört unter anderem der Einfluss des zu transportierenden Mediums auf den Rohrwerkstoff. So kann es infolge von anaeroben Verhältnissen beim Transport von Abwasser zu biogener Schwefelwasserstoffkorrosion kommen. Bei der Wahl des Rohrwerkstoffes ist dies zu berücksichtigen. Weitere Faktoren sind hydraulische Eigenschaften, statische Belastbarkeit und nicht zuletzt die Handhabbarkeit beim Einbau auf der Baustelle.
„Die Korrosionsbeständigkeit, die hohe Nennsteifigkeit und die glatte Rohrinnenwand mit daraus folgenden sehr guten hydraulischen Eigenschaften sind einige der Vorteile unseres FLOWTITE GFK-Rohrsystems“, erläutert Thomas Wede, Gebietsleiter der AMIANTIT Germany GmbH. „Dazu kommt das leichte Handling der Rohre beim Einbau aufgrund des geringen Metergewichtes. So sind auch große Nenndurchmesser noch mit einfachen Hebemaschinen zu bewegen. Zudem können wir die Baulänge der Rohre den Baustellengegebenheiten optimal anpassen. Das gewickelte Rohr wird in Baulängen zwischen 3 und 12 m gefertigt und just-in-time zur Baustelle geliefert.“
„Dank dieser Vorteile sind mit unserem variablen Rohrsystem hohe Verlegeleistungen auf der Baustelle realisierbar“, so Wede weiter. Für die 5,7 km lange Abwasserdruckleitung wurden Rohre mit zwei unterschiedlichen Nennsteifigkeitsgrößen eingebaut. In Bereich mit Grabenverbau wurde SN 10.000 eingesetzt und in geböschten Graben SN 5.000. Eine Eigenschaft des Werkstoffes GFK ist die Flexibilität des Materials bei statischer Belastung trotz der hohen Nennsteifigkeit. Bei der Fertigung der Rohre wurde der Schichtaufbau so optimiert, dass innere und äußere Belastungen gleichermaßen gut abgeleitet werden können.
Scherstab nimmt Zugkräfte auf
Ein entscheidender Aspekt bei der Auswahl eines Rohrsystems ist die Verbindungstechnik. Sie muss dauerhaft dicht sein, auftretende Kräfte aufnehmen können und schnell und möglichst einfach installierbar sein. „Beim FLOWTITE-Rohrsystem kommt eine doppelgelenkige Kupplung zum Einsatz, die über die muffenlosen Rohrenden geschoben wird. Der Grundkörper der Kupplung besteht aus GFK. Bei nichtlängskraftschlüssigen Verbindungen erfolgt die Abdichtung über zwei Elastomer-Dichtungen. Muss die Verbindung längskraftschlüssig sein, wird eine spezielle Kupplung verwendet, die mit zusätzlichen Nuten ausgestattet ist. Ein Scherstab, der in die Kupplung eingeführt wird, nimmt die auftretenden Zugkräfte auf. Im GFK-Grundkörper der Kupplung sind hierfür entsprechende Nuten vorgesehen“, beschreibt Dr.-Ing. René Thiele, Produktmanager der AMIANTIT Germany GmbH, die Verbindungstechnik.
Beide Kupplungsvarianten kamen in Wilhelmshaven zum Einsatz. Die längskraftschlüssige Variante wurde jeweils vor und hinter Bögen eingebaut, um die auftretenden Reaktionskräfte aufnehmen zu können. Hinzu kommt: Bei Abwasserdruckleitungen sind an entsprechenden Hoch- bzw. Tiefpunkten Entleerungs- und Entlüftungsmöglichkeiten vorzusehen. Hierzu wurden an den vorgesehenen Rohrstücken direkt im Werk Flanschanschlüsse anlaminiert, so dass auf der Baustelle lediglich das eingeplante Ventil angeflanscht werden muss. Die Möglichkeit der Vorkonfektionierung ist ein weiterer Vorteil des FLOWTITE-Systems, der auf der Baustelle viel Zeit einsparen kann.
Arbeit an vier Haltungen gleichzeitig
Das eng gesteckte Zeitfenster von einem Jahr Bauzeit, aber auch der zum Teil schwierige Untergrund mit stark bindigen Kleiböden bis 5 m, wasserführenden Wattschichten und teilweise kontaminierten Bereichen war für die bauausführenden Unternehmen keine leichte Aufgabe. „Die TBW legte darüber hinaus großen Wert auf die Erhaltung des Baumbestandes. Somit war die ökologische Baubegleitung mit Baumfachleuten bei dieser Maßnahme ein besonderes Anliegen. Zum bestmöglichen Schutz des Baumbestandes wurde die Linienführung gemeinsam mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt.“, ergänzt Projektleiter Dipl.-Ing. Michael Mannott, Ludwig Freytag GmbH u. Co. KG, die an die ARGE gestellten Anforderungen. Um das gesteckte Ziel zu erreichen, wurde an vier Haltungen gleichzeitig gebaut. Zur Verbindung der einzelnen Haltungen wurden Passstücke eingesetzt und vor Ort laminiert.
„Die Erfahrung zeigte, dass es immer wieder zu leichten Planabweichungen kam, die ein schnelles Handeln erforderten“, erzählt Bauleiter Dipl.-Ing. Hendrik Taphorn, Ludwig Freytag GmbH u. Co. KG „Bei veränderten Einbauabläufen hat AMIANTIT immer sofort reagiert und mit einer zügigen und unkomplizierten Auftragsabwicklung und Organisation dazu beigetragen, dass der Bauablauf nicht unnötig verzögert wurde. Aktiv unterstützt wurde die Koordination dabei durch Frank Dirks von der Luths & Co. GmbH. Die gute Partnerschaft zwischen den Baupartnern, vom Ingenieurbüro bis zum Rohrhersteller ist nach Meinung der beteiligten Baupartner ein wesentlicher Grund für den erfolgreichen Verlauf der Baumaßnahme. „Und das trotz der nicht immer einfachen Randbedingungen“, betont Hendrik Taphorn.
Insgesamt wurden drei Kanalbaukolonnen mit je sechs Mann, zwei Baggern und Radladern an der Baumaßnahme in Wilhelmshaven eingesetzt. In kontaminierten Bereichen wurde in Schutzkleidung gearbeitet und Teile des Bodens ausgekoffert und entsorgt. An einigen Stellen der Strecke wurden Schachtbauwerke in Ortbetonbauweise ausgeführt und Schieber oder Ventile zur Entlüftung installiert.Im Durchschnitt wurden bisher rund 24 m Rohr pro Tag verlegt. Dank der detaillierten Planung und der sehr gut abgestimmten Abläufe und der Flexibilität der Baupartner konnten die Tiefbauarbeiten Anfang des Jahres wie geplant abgeschlossen werden – hierin sind sich die Beteiligten einig. Äußerst zufriedenstellend verlief auch die abschließende Druckprüfung, bei der sich die komplette Leitung im ersten Anlauf als dicht erwies.
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