Klärschlamm: Schadstoff- und Rohstoffquelle zugleich
28.07.2023
Thermische Klärschlammverwertung als Grundlage für das Recycling der lebensnotwendigen Ressource Phosphor
Die thermische Klärschlammverwertung trägt dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, künftig keine belasteten Klärschlämme mehr in der Landwirtschaft einzusetzen, und schafft die Voraussetzungen für das Recycling des begrenzten und lebensnotwendigen Rohstoffs Phosphor. Die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm ist nach wie vor eine gängige Entsorgungsmethode für Klärschlamm. Nach einer Vorbehandlung und gegebenenfalls einer Hygienisierung wird dieser auf den Feldern ausgebracht, um mit dem enthaltenen Phosphor und Stickstoff den Boden zu düngen. In die Kritik geraten ist diese Form der stofflichen Klärschlammverwertung, weil damit all jene Stoffe wieder unkontrolliert in die Umwelt gelangen, die zuvor mühsam aus dem Abwasser herausgefiltert wurden.
Ressourcenschutz durch Phosphorrecycling
Phosphor ist nicht synthetisch herstellbar. Die Menschheit ist auf jenen Phosphor angewiesen, den die Erde ihr bietet. Es ist daher ein glücklicher Umstand, dass sich Phosphor unendlich oft recyceln lässt und damit eine Rückgewinnung des wertvollen Rohstoffs aus Sekundärquellen ermöglicht. Wissensstand heute ist, dass die Monoverbren-nung von Klärschlamm das größte Rückgewinnungspotenzial für Phosphor hat. Bei der thermischen Behandlung werden die im Klärschlamm enthaltenen organischen Schadstoffe sicher zer-stört. Denn Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen (KVA) werden bei vergleichsweise hohen Temperaturen zwischen 850 und 950 °C betrie-ben. Der Phosphor lässt sich anschließend aus der Klärschlammasche zurückgewinnen, bspw. mit Hilfe des nasschemischen Verfahrens PHOS-4green. Damit ist es möglich, mehr als 90 % des in der Asche enthaltenen Phosphors zurückzugewinnen. Die sehr gute Ausbeute ist einerseits auf die hohe Konzentration des Phosphors in der Asche und andererseits auf den überschaubaren Anteil an Verunreinigungen zurückzuführen. Würden alle Klärschlämme in Deutschland in Monoverbrennungsanlagen entsorgt, kämen bundesweit etwa 66.000 t Phosphor zusammen. Damit könnte der landwirtschaftliche Bedarf an mineralischen Phos-phor in Deutschland zu 61 % gedeckt werden.
Referenzmodell für eine Klärschlamm- Monoverbrennungsanlage
Im niedersächsischen Helmstedt ist die erste der aktuell fünf geplanten Klärschlamm-Mono verbrennungsanlagen (KVA) im Herbst 2022 in Betrieb gesetzt worden. Sie hat die Kapazität für rund ein Fünftel der kommunalen Klärschlämme Niedersachsens. Die phosphathaltigen Aschen der KVA Helmstedt wurden von der Firma Seraplant nach dem PHOS-4green-Verfahren recycelt. Die Recyclingkapa-zität der Anlage ist ausreichend für das Ascheaufkommen von drei KVA, aus denen jährlich bis zu 60.000 t pflanzenverfügbarer Dünger für die Landwirtschaft hergestellt werden können. Neben Helmstedt entstehen Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen in Magdeburg, Stapelfeld nordöstlich von Hamburg, im mecklenburgischen Stavenhagen sowie im niederländischen Delfzijl. Die Verbrennungstechnologie aller Anlagen ist die stationäre Wirbelschichtfeuerung. Sie ist wegen des intensiven Wärme- und Stoffaustauschs besonders geeignet für niederkalorische Brennstoffe und kann sowohl ausgefaulte, entwässerte Klärschlämme im Bereich von 21 bis 27 % Trockensubstanz (TS), als auch vollgetrocknete Klärschlämme mit einem TS-Gehalt größer als 85 % thermisch behandeln. Die Anlagen sind an die regionalen Bedürfnisse angepasst. Sie basieren auf einer entwickelten Referenzanlage mit einer Kapazität von 160.000 t OS pro Jahr. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Annahme von entwässerten Klärschlämmen. Die Verarbeitung von vollgetrockneten Klärschlämmen (> 85 % TS) spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Herausforderung bei der Monoverbrennung ist der vergleichsweise hohe Energieaufwand und die damit verbundenen höheren Betriebskosten. Diese Betriebskosten können jedoch dadurch gesenkt werden, dass die bei der thermischen Verwertung des Klärschlamms erzeugte Energie genutzt wird. Das Referenzmodell verfügt dafür über einen Abhitzekessel, in dem die bei der Verbrennung freiwerdende Wärme in Dampf umgewandelt wird. Ebenfalls kostendämpfend wirkt sich die Integration in einen bestehenden Kraftwerksstandort aus, bspw. mit einer thermischen Abfallbehandlungsanlage. Synergieeffekte entstehen bei der Prozessüberwachung, der Logistik, der Betriebsmittelbeschaffung. Ferner besteht die Möglichkeit, den Klärschlamm mit Niederdruckdampf aus der Abfallbehandlungsanlage zu trocknen sowie das bei der Klärschlamm-trocknung anfallende Brüdenkondensat entweder in der Abfallverbrennungsanlage zu verbrennen oder es als Substitut für Ammoniakwasser in die Rauchgasreinigung zur Entstickung einzudüsen. Ein Verfahren, das am Standort Hannover bereits erfolgreich eingesetzt wird.
Monoverbrennung und Klärschlammasche
Bei der Monoverbrennung wird der Klärschlamm ohne den Zusatz anderer Brennstoffe thermisch verwertet. Nur so kann der Phosphor anschließend aus den Verbrennungsrückständen zurückgewonnen werden. Technisch hat sich dabei die stationäre Wirbelschicht als das am besten geeignete Feuerungsverfahren durchgesetzt. Das dazu entwickelte Referenzmodell für eine Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage wird zurzeit an fünf Standorten realisiert.
Hochleistungsdünger aus Klärschlammasche
Das patentierte Verfahren PHOS4green, ist geeignet, die Lücke im Phosphorkreislauf zu schließen, indem es das Phosphorrecycling mit dem Herstellungsprozess für neuen Dün-ger verbindet und zu direkt vertriebsfähigen Produkten führt (Abb. 1). Damit steht ein wirt-schaftliches, ökologisches, flexibles und einfaches Verfahren zur Herstellung verschiedener, standardisierter Düngemittelgranulate aus phosphorhaltigen Sekundärrohstoffen wie Klärschlammaschen zur Verfügung. Die resultierenden Qualitätsdüngemittel sind am Markt stark nachgefragte hochwertige Produkte. Diese sind in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau zur Anpassung des Nährstoffangebots für die angebauten Kulturpflanzen über die bisherigen Anwendungstechnologien einsetzbar. Mit dem Verfahren können die Rohstoffkomponenten durch die Trennung von Phosphatumsetzungsreaktion und Granulationsprozess perfekt homogenisiert werden.
Aufschluss der Phosphatquelle
Um die Umwandlungsreaktion einzuleiten, wird aus der phosphathaltigen Asche mit einer Säure eine Suspension hergestellt. Dieser Schritt ist notwendig, um die aschebasierten Nährstoffe pflanzenverfügbar zu machen. Je nach Anwendungsziel können Wasser und weitere feste oder flüssige Nährstoffkomponenten, auch zusätzliche Phosphatquellen, zugesetzt werden. Erst die anschließende Sprühgranulation veredelt das aufgeschlossene Phosphat zu einem marktfähigen Produkt (Abb. 2).
Sprühgranulation in der Wirbelschicht
Die Wirbelschichttechnologie zählt zu den Leitverfahren bei partikelbildenden Prozessen und eignet sich hervorragend für die wirtschaftliche Herstellung maßgeschneiderter Dünger. Eine Wirbelschicht entsteht, wenn die nach oben gerichtete Prozessluft eine Schicht aus Feststoffpartikeln anhebt und fluidisiert. Die Prozessluft dient zur Erzeugung des Wirbelschichtzustan-des und liefert gleichzeitig die für die Partikel-produktion benötigte Wärmeenergie. Neben der thermischen Behandlung von Feststoffen werden Wirbelschichtprozesse für Trock-nungsaufgaben eingesetzt, um Granulate aus Pulvern (Sprühagglomeration) oder Flüssigkeiten (Sprühgranulation) zu bilden und Partikel zu beschichten (Sprüh-Coating). Alle Partikel werden in der Wirbelschicht intensiv vermischt und einer gleichmäßigen Prozesstemperatur ausge-setzt. Auf diese Weise lassen sich auch tempe-raturempfindliche Materialien schonend behandeln. Parameter wie Granulatgröße, Restfeuchte und Feststoffgehalt können gezielt beeinflusst werden, um eine Vielzahl von ganz bestimmten Produkteigenschaften zu erreichen. Bei der Sprühgranulation in der Wirbelschicht werden Flüssigkeiten in staubfreie Granulate mit kompakter, homogener Struktur und dichter Ober-fläche sowie hoher Abriebfestigkeit verwandelt. Bei PHOS4green ist diese Flüssigkeit eine Phosphatsuspension. Das Gemisch aus festen und flüssigen Komponenten in dieser Suspension wird in die Prozesskammer eines Wirbelschichtapparates gesprüht. Durch den hohen Wärmeaustausch verdunsten bzw. verdampfen die wässrigen oder organischen Lösemittel sofort und die Feststoffe bilden kleine Partikel als Trägerkerne. Diese werden mit weiterer Flüssigkeit benetzt, die wiederum nach der Trocknung einen festen Mantel um den Trägerkern bilden. Dieser Vorgang wiederholt sich. Die Granulate wachsen dabei schichtweise und homogen. Es ist keine separate Zuführung von Rohstoffen erforderlich (Abb. 3). Durch den schichtweisen Aufbau entstehen so feste, kompakte und runde Vollkugeln (= Granulate) mit zwiebelförmiger Struktur. Der Prozess der Sprühgranulation ermöglicht ein hohes Maß an Flexibilität, da Partikel aus verschiedenen Feststoffschichten gebildet, Kerne beladen und beschichtet werden können. Sobald die Sollgröße der Düngerkörnchen erreicht ist, wird das Produkt ausgetragen und kann direkt verpackt, vermarktet und dosiert werden.
Mehrnährstoffdünger aus angepassten Rezepturen
Durch Sprühgranulation in der Wirbelschicht können neben Einzelnährstoffdüngern über eine angepasste Rezeptur auch verschiedenste Mehrnährstoffdünger (z. B. NP, PK und NPS) hergestellt werden. Im Vergleich zu anderen Recyclingverfahren zur Phosphatrückgewin-nung, die erhebliche Abfallmengen produzieren, ist das PHOS4green-Verfahren zu 100 % abfallfrei. Die Asche wird vollständig verwertet.
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Andreas Dous
Leiter Klärschlamm-verwertung und Reststoffe
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