Innovatives Wickelrohrverfahren saniert Eiprofil in Münchener Altstadt
22.12.2010
Erfolgreiches Pilotprojekt für SPRTM-Technologie
Nur einen Steinwurf von der Isar entfernt, führt die Thierschstraße durchs Lehel, einen Altstadtbezirk von München. Sie ist nicht nur eine der Hauptadern des Autoverkehrs in der Kernstadt; hier entlang führt auch eine Straßenbahntrasse, die von zwei Linien genutzt wird. Und auch unterirdisch ist –buchstäblich- einiges im Fluss. Seit ca. 1880 leitet ein gemauertes Eiprofil 1000/1500 einen großen Teil der Altstadtabwässer und -niederschläge ab. Außerdem fließen wichtige Datenströme der Münchener City durch ein Glasfaserkabel, das vor einigen Jahren in diesem Bauwerk installiert wurde.
Das in der Thierschstraße im Herbst 2010 eingesetzte SPRTM System gehört zur Technologiefamilie der Wickelrohr-Sanierungsverfahren. Der japanische SEKISUI-Konzern, der das SPRTM Verfahren in seinen Labors in Kyoto entwickelt hat, ist unumstrittener Weltmarktführer im Bereich der Wickelrohrtechnologie, seit SEKISUI das australische Unternehmen Rib Loc samt dessen Wickelrohrverfahren im Jahre 2008 übernommen hat. SPRTM ist ein Verfahren zur Sanierung groß dimensionierter Abwasserbauwerke; das System besteht einerseits aus einem in situ hergestellten Wickelrohr aus stahlverstärkten PVC-Profilband und andererseits aus einer statisch tragfähigen Ringraumverfüllung zwischen Wickelrohr und Altkanal. Während die meisten herkömmlichen Wickelrohrsysteme bislang das Reliningrohr vom Schachtbauwerk aus in den Kanal hinein wickelten, basiert SPRTM dem gegenüber auf einer verfahrenstechnischen Innovation: Hier wandert die Wickelmaschine selbst kontinuierlich durch den Kanal und hinterlässt dabei das fertig gewickelte Rohr. Das hat einen gravierenden Vorteil, der den Einsatzbereich des Verfahrens entscheidend erweitert. Beim „klassischen“ Vorauswickeln des Rohres von einer stationären Maschine aus ist eine Rotationsbewegung des Neurohrs im Bauwerk systembedingt unvermeidlich. Somit lassen sich mit dieser Technik nur Kreisprofile wickeln. Nun besteht aber der Bestand an begehbaren Kanälen zu einem erheblichen Teil aus Sonderprofilen aller Art, beginnend bei Eiprofilen wie unter der Thierschstraße über Maul- und Drachenprofile bis hin zu Kastenprofilen. Der Kreis ist im Großprofil förmlich die seltene Ausnahme; in den historischen Mauerwerksnetzen kommt der Kreisquerschnitt praktisch nie vor.
Mit der wandernden Maschine des SPRTM Verfahrens lässt sich dieses Problem überwinden: Es wird jeweils ein Wickelrahmen gefertigt, der – mit einem definierten Untermaß – den Proportionen des jeweiligen Sonderprofils entspricht. Dieser Rahmen wird als zentrales Element der Wickelmaschine über den Schacht abgelassen und im Kanal montiert. Auf dem gleichen Wege führt man der Wickelmaschine den PVC-Stahl-Profilstreifen zu, der von ihr zu einem Rohrprofil mit den Abmessungen des Wickelrahmens verarbeitet wird. Ein Nut-und-Feder-System sorgt dafür, dass sich der Endlos-Profilstreifen mit sich selbst kraftschlüssig zum Rohr verbindet. Während das Stahl-verstärkte PVC-Rohr Dauerbeständigkeit gegen das Abwasser gewährleistet, ist sie nicht das im statischen Sinne tragende Element.
Zu den anspruchsvollsten Arbeitsschritten des SPRTM Lining gehört neben dem Einbau des Liners selbst die Verfüllung des Ringraums mit dem Flüssigbeton. Eine definierte und zugleich homogene Qualität des Flüssigbetons in Hinsicht auf seine Fließfähigkeit, sein Härtungsverhalten und seine Endhärte ist Voraussetzung des erfolgreichen statischen Nachweises für das Gesamtsystem. Nach Abschluss des Wickelvorgangs wird der Ringraum zwischen Altrohr und Liner sowohl im Bereich der Schachteinbindungen als auch an den Anschlüssen abgedichtet; so schafft man die Voraussetzung für die hohlraum- und verlustfreie Verfüllung mit dem hoch fließfähigen Material.
Vor Beginn des eigentlichen Wickelrohreinbaus waren unter der Thierschstraße umfangreiche Vorarbeiten erforderlich. So sorgten Abmauerungen in den jeweils vorgelagerten Schachtbauwerken dafür, dass die Sanierungsabschnitte durch Abschiebern und Umleitung in einen anderen Netzabschnitt nahezu trocken gelegt werden konnten. Grundsätzlich kann das SPRTM Verfahren zwar unter Trockenwetterabfluss im laufenden Kanalbetrieb eingesetzt werden. Bei starken Niederschlägen muss der Kanal allerdings verlassen werden, nachdem man die Wickelmaschine mechanisch gegen Abschwemmen gesichert hat. Ein spezielles Problem stellten im Sammler Thierschstraße die massiven Grundwassereinbrüche dar, bedingt durch die Lage des Bauwerks im Grundwasserhorizont der Isar. Zuerst mussten die dadurch im Laufe der Jahrzehnte entstandenen Sinterablagerungen bis auf den Mauerwerkskern entfernt werden, um das tatsächliche Profil frei zu legen. Anschließend wurde mit Injektionsverfahren daran gearbeitet, den Grundwasserzufluss auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Ein mühseliges und Zeit raubendes Unterfangen, denn wenn zwei undichte Stellen erfolgreich abgedichtet waren, trat häufig an dritter Stelle eine neue Leckage in Erscheinung. Zusätzlich zu diesen Vorarbeiten waren noch zwei an der Kanalwand befestigte Datenkabel umzulegen und unmittelbar im Scheitelpunkt des Bauwerks neu zu befestigen. Außerdem mussten einragende Hindernisse so weit abgefräst werden, dass sie dem Wickelrohr nicht im Wege standen. Die Vorflut der angeschlossenen Grundstücke wurde derart gewährleistet, dass man den Liner an den zuvor exakt eingemessenen Anschlusspunkten während der Installation sofort auffräste und die Anschlüsse durch ein eingeschobenes PVC-Rohr in den Liner einführte.
Im Zuge der Thierschstraße münden auf 153 Meter Sanierungsstrecke 22 Zuläufe ein. Diese mussten nach dem Relining fachgerecht an den neuen Kanal angebunden werden. Das geschah durch Einbau eines Glasfaser-Gewebehütchens, das jeweils bis über den erste Muffe im Anschluss reichte und auf dem PVC-Liner mit einem PVC-U-Kleber befestigt wurde. Mittels einer eingeklebten Glasfasermatte wurden auch die Einbindungen des Wickelrohr-Liners in den Schachtbauwerken sowie an den Belüftungsöffnungen im Scheitel des Bauwerks hergestellt.
Inzwischen hat das SPRTM-Projekt „Thierschstraße“ die volle Aufmerksamkeit der Fachwelt: Am 8.12. 2010 bekamen Dipl.-Ing. Josef Heuberger (Leiter Kanalbau der Stadtentwässerung München) und Dipl.-Ing. Klaus-D. Schmager (KMG Liner TEC) auf den DWA- Sanierungstagen in Dortmund den GSTT Award 2010 verliehen. Diesen Preis hat die Deutsche Gesellschaft für grabenloses Bauen und Instandhalten von Leitungen e.V. (GSTT) für heraus ragende grabenlose Kanalsanierungsprojekte im deutschen Raum ausgelobt. Ausgezeichnet wurde das Vorhaben unter anderem für die erstmalige Ausführung des SPRTM-Wickelrohr-Lining in einem Eiprofil und für die Bewältigung von Bögen in einem Eiprofil. Anerkennenswert erschienen der GSTT auch die Problemlösung in einer hoch sensiblen Verkehrs- und Wohnlage sowie verschiedene verfahrenstechnische Details, und nicht zuletzt auch der Umstand, dass mit diesem Projekt seit langer Zeit erstmals wieder der Werkstoff PVC in der Münchener Stadtentwässerung zum Einsatz kommt.
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