In Reutlingen waren Profis am Werk

21.06.2024

Außergewöhnliche Kanalstabilisierung mittels Schlauchliner

Im Zuge der turnusmäßigen Untersuchung der Abwasserkanäle in Reutlingen stellten die Ingenieure von ISAS GmbH, Füssen, bei der Auswertung der Ins- pektionsdaten einen dringenden Sanierungsbedarf des Mischwassersammlers in der Bahnhofstraße fest. Der rund 100 Jahre alte gemauerte Kanal wies auf einer Länge von 246 Metern gravierende Schäden auf, die die Standsicherheit gefährdeten. Die Suche nach einer entsprechenden Lösung zur Kanalstabili- sierung gestaltete sich schwierig: Die Verantwortlichen der Stadtentwässerung Reutlingen entschieden sich nach Abwägung aller Möglichkeiten in Zusammen- arbeit mit ISAS für den Einbau eines Synthesefaserliners mit Warmwasserhär- tung über vier Haltungen, der in einigen Kämpferbereichen zusätzlich mit Edel- stahlankern rückverankert wurde. Eine weitere Haltung wurde manuell saniert. Die Ausführung der komplexen Sanierung übernahm die Münchener Niederlas- sung der Aarsleff Rohrsanierung GmbH, die mit einem Sondervorschlag beim Linereinbau zusätzlich die Bauzeit deutlich verkürzen konnte.

In die Jahre gekommen

Sehr starke Scheitelrisse, unterspülte Wandungs-, nach innen gewölbte Kämp- fer- und teilweise ausgebrochene Sohlbereiche – dieses Schadensbild zeigte sich bei der optischen Inspektion und den nachfolgenden Bohrkernuntersu- chungen an dem Mischwassersammler in der Reutlinger Bahnhofstraße. Der ungefähr um 1920 gemauerte Kanal hat in den vergangenen hundert Jahren so einiges miterlebt. Im Zweiten Weltkrieg wurde er durch Bombenangriffe be- schädigt und mit dem erstbesten Material repariert, welches damals zur Ver- fügung stand. „Der Kanalbestand ist daher sehr inhomogen“, erläutert Dipl.-Ing. (FH) Axel Weiß, Projektleiter Kanalbetriebsmanagement, Stadtentwässerung Reutlingen, die Ausgangslage. „Durch die Reparaturarbeiten wies der Kanal zudem unterschiedliche Querschnitte auf. Die Höhe variierte bis zu 20 Zentime- tern. Die Breite des Sammlers war dagegen einigermaßen konstant“, so Weiß. „Auf Grundlage der Bohrkernentnahme und der optischen Inspektion haben wir die statische Resttragfähigkeit des Sammlers bestimmt. Das Ergebnis war sehr ernüchternd: Von der Kanalsubstanz und dem vorliegenden Schadensbild her betrachtet war der Kanal dringend zu sanieren“, erklärt Dipl.-Ing. Sebastian Brunner, ISAS. Es bestand somit kurzfristiger Handlungsbedarf.

Zielstellung: Kanalstabilisierung

Die Planungen und der Bau des neuen Hauptsammlers Ost werden voraus- sichtlich in den nächsten 10 bis 15 Jahren abgeschlossen sein. Bis dahin wird der alte Mischwassersammler zur Entwässerung noch benötigt. „Der Misch- wassersammler ist hydraulisch bereits ausgelastet. Daher kam ein GFK-Einzel- rohr-Lining zur Stabilisierung wegen der Reduzierung des Querschnitts nicht in Frage“, so Brunner. Und weiter: „Es lag der Altrohrzustand III vor. Das bedeutet, dass das Altrohr-Boden-System langfristig nicht mehr tragfähig ist. Normaler- weise ist in dem Fall das Schlauchliningverfahren ohne weiteres möglich, aber die Kämpfer des Sammlers waren nahezu senkrecht ausgebildet und teilweise durch die äußere Bodenlast mit einer negativen Krümmung schon nach innen gedrückt. Damit war eine Sanierung mittels Schlauchliner sehr schwierig und musste statisch genau berechnet werden. Die Liner benötigen zur Abtragung der Normalkräfte bekanntlich eine natürliche Krümmung nach außen.“ In zahlreichen Gesprächen diskutierten Statiker, die Ingenieure von ISAS zu- sammen mit den Verantwortlichen der Stadtentwässerung Reutlingen verschie- dene Möglichkeiten. Schlussendlich verständigte man sich darauf, von einer Kanalstabilisierung zu sprechen, die auf einer Länge von rund 170 Metern mit einem Synthesefaserliner und Warmwasserhärtung ausgeführt werden sollte. Die nach innen gewölbten Kämpferbereiche wurden als Sicherungsmaßnahme mit rund 570 Edelstahlankern M10 mit je einer Länge von 200 mm zweireihig in den Baugrund rückverankert und die Schraubenköpfe anschließend von Hand überlaminiert.

Sondervorschlag mit Hindernissen

Beim Übergang von der Bahnhofstraße in die Bismarckstraße weist der Misch- wassersammler einen Knick um fast 90 Grad auf. Das andere Ende der stabili- sierungsbedürftigen Strecke liegt direkt unter einem vielbefahrenen Kreuzungs- bereich. Somit sah die ursprüngliche Planung vor, zwei Synthesefaserliner von einer mittig in der Bahnhofstraße gelegenen Baugrube aus einzubauen – ein Liner bis zu der Abwinkelung in und der andere entgegen der Fließrichtung. Der Bereich unter der Bismarckstraße sollte komplett per Hand saniert werden, da die Schäden hier nicht so gravierend waren. Die Platzierung der Baugrube in der Bahnhofstraße hätte den dortigen Verkehr jedoch stark eingeschränkt. „Neben dem Bahnhof ist dort auch der Busbahnhof angesiedelt, und dement- sprechend sind hier viele Autos, Busse und auch Taxen unterwegs“, so Weiß. Nach Prüfung der vorliegenden Planunterlagen reichte Aarsleff daraufhin einen Sondervorschlag ein. Die Idee war es, nur einen Liner anstelle von zweien zu verwenden und diesen von der Bismarckstraße aus durch den 90 Grad-Bogen in Fließrichtung in die Haltungen unter der Bahnhofstraße zu inversieren. Aarsleff-Bauleiter Frank Grüssing: „So konnten wir nicht nur auf die Baugrube in der stark befahrenen Bahnhofstraße verzichten, sondern die Sanierungsdauer darüber hinaus um rund drei Wochen verkürzen.“ Allerdings gab es da noch ein kleines Hindernis. Brunner: „In der Bismarckstraße quert eine in Betrieb befindli- che Wasserleitung den Mischwassersammler im Scheitelbereich. Diese musste der Liner unterfahren. Für uns Planer stellte dies in der Form ein Novum dar. Auch durfte die Wasserleitung nicht durch den Wasserdruck des Liners wäh- rend des Inversierens beschädigt werden.“ Aber die Schlauchlining-Experten von Aarsleff konnten diese Herausforderung meistern. Grüssing: „Die Wasser- leitung wurde komplett hintersichert und schützend mit Holz umbaut. Zusätzlich war der Synthesefaserliner so konfektioniert, dass er in diesem Bereich nicht getränkt war und damit auch nicht aushärtete. Nach Abschluss der Arbeiten haben wir den nichtgetränkten Teil des Liners abgetrennt, aus dem Kanal ge- borgen und die Sicherung der Wasserleitung zurückgebaut.“ Für den Worst-Ca- se, dass die Wasserleitung beim Einbau des Liners bricht, stand die gesamte Einbauzeit über ein Notdienst in Wartestellung bereit. „Der wurde aber nicht benötigt“, so Brunner.

Theorie trifft Praxis

Die Besonderheit dieser Sanierung machte sich das Ingenieurbüro ISAS dann auch gleich in eigener Sache zu Nutze. Brunner: „Wir haben einen Baustellen- besichtigungstermin am Tag des Linereinbaus organisiert und unsere Junior- Projektleiter, Auszubildenden und technische Zeichner dazu eingeladen. Es ist immer gut, wenn neben dem theoretischen Wissen auch die praktische Erfah- rung dazukommt.“ So konnten die Teilnehmer beispielsweise sehen, wie eine aufgeständerte Abwasservorflutsicherung DN 800 mit der gesamten Pumpen- anlage praktisch umgesetzt aussieht und wieviel Platz diese einnimmt oder wie der Einbau des Synthesefaserliners Schritt für Schritt abläuft.

Rückverankerung

Nach erfolgreichem Einbau und Härtung des Liners mit Warmwasser war noch einmal richtig Manpower bei der statisch notwendigen Rückverankerung des Liners gefragt: Die rund 570 Edelstahlanker setzten die Kanalsanierer in einem 25er Raster überkreuzend. „Hierfür haben wir zunächst Löcher durch den Liner in die dahinterliegende Kanalwand gebohrt und die Edelstahlanker mit einer Länge von 20 Zentimetern einbetoniert“, erklärt Grüssing. Abschließend galt es dann die Köpfe der Anker überzulaminieren, damit die Dichtheit des Liners wie- derhergestellt ist. Und Weiß ergänzt: „Zur Abnahme sind wir gemeinsam durch den Kanal gegangen. Besonders die Bereiche mit der Rückverankerung waren eindrucksvoll. Immerhin hatte der Kanal teilweise nur eine Höhe von ungefähr anderthalb Metern und eine Breite von einem Meter. Wenn man nun bedenkt, dass dort jemand 570 Löcher gebohrt, die Anker gesetzt und verpresst hat, er- ahnt man, wie aufwendig das Vorhaben insgesamt war. Das war definitiv keine Maßnahme von der Stange.“ Insgesamt verliefen die Arbeiten zur Zufriedenheit von Auftraggeber und Planer. Laut Brunner passte von der Bauausführung her alles: „Die Arbeiten wurden alle termingerecht abgeschlossen und die Kosten dabei eingehalten. Das Wetter hat auch mitgespielt, sodass der Ablauf nicht wegen starker Regenfälle gestört wurde. Kurzum: Die Stabilisierung des Kanals ist rundherum gelungen.“

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