Handeln nach Plan

14.06.2012

Die Vermögenswerte der Kanalinfrastruktur werden durch Alterung und Abnutzung „verzehrt“. Gefragt sind wirtschaftlich tragbare Strategien zur Instandhaltung.

Vermögenswert Kanalnetz: Allein aus Wirtschaftlichkeitsgründen muss regelmäßig in die Instandhaltung investiert werden (Quelle: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH)
Die heute zur Verfügung stehende öffentliche Infrastruktur ist von Generationen geschaffen worden. Seien es die Wasserversorgung, die Verkehrswege, die Energie- und Telekommunikationsversorgung oder die Anlagen der Abwasserbeseitigung – wir nutzen diese wie selbstverständlich und hoffen, dass diese möglichst lange funktionieren.
 
Der Wert der Infrastrukturanlagen wird kaum zutreffend wahrgenommen (s. Tabelle). So übertreffen laut einer Untersuchung der TU Dresden (2002) die Wiederbeschaffungskosten der Einrichtungen der Abwasserentsorgung (576 Mrd. Euro) den Wiederbeschaffungswert aller Verkehrsanlagen (489 Mrd. Euro) um fast 90 Milliarden Euro.
 
Die Wertigkeit der überwiegend kommunalen Anlagegüter der Abwasserentsorgung lässt erahnen, wie wichtig die Instandhaltung dieser Vermögenswerte den Betreibern sein muss. Die rein wasserrechtlichen Vorgaben zum ordnungsgemäßen Betrieb von Entwässerungsanlagen treten angesichts dieser Zahlen fast in den Hintergrund.
 

Nach Art der Feuerwehr

Die wiederkehrende Frage stellt sich den Kommunalverwaltungen und Gemeinderäten jährlich: Wie viel Geld müssen wir für diese Aufgabe bereitstellen? Reichen Reparaturen, um den Abnutzungsprozess und die entstandenen Schäden in ihrer Entwicklung zu hemmen? Sollen die Anlagen modernisiert, mit einer Auskleidung versehen werden, um so eine Nutzungsverlängerung zu erreichen?
 
Diese Fragen sind wirtschaftlich ohne strategische Planung nicht zu beantworten. In Baden-Württemberg zum Beispiel dient die seit Erlass der Eigenkontrollverordnung im Jahr 1989 weitgehend praktizierte „Feuerwehrstrategie“ primär der Wiederherstellung der wasserwirtschaftlichen Anforderungen. Sie stellt ein reaktives Handeln auf Schadensereignisse dar. Das Handeln orientiert sich am schwersten Einzelschaden innerhalb eines Objekts. Kanäle ohne massive Einzelschäden, aber vielen scheinbar nachrangigen Abnutzungserscheinungen fallen bei dieser Vorgehensweise regelmäßig aus dem Raster. Der schleichende Substanzverfall wird hierdurch gefördert.
 
In Kenntnis des Kanalbestands, des Zustands, des Alters und der örtlichen Randbedingungen ist es heute möglich, mit mathematischen Methoden die aktuelle Substanz (Abnutzungsvorrat) je Kanalabschnitt zu ermitteln. Mit diesen Rechenmodellen lässt sich darüber hinaus die mögliche Zukunft dieser Kanalabschnitte abbilden. Durch die Prognose der weiteren Alterung der Netzbestandteile lässt sich recht zutreffend ermitteln, welche Sanierungsarten (z. B. Reparatur, Erneuerung) und Finanzmittel zum Beispiel zur Sicherung des Bestandswerts aufgewendet werden müssen.
 
Letztlich wird ein kommunalpolitisches Navigationssystem geschaffen, das nach einer Standortanalyse und der individuellen Zieldefinition den geeigneten Weg aufzeigt. In Abstimmung mit dem Netzbetreiber und dessen Zielen lässt sich ein strategisches Instandhaltungsmanagement etablieren. Ab einer Kanalnetzlänge von etwa 50 Kilometer lassen sich solche Strategien individuell erarbeiten.
 
Diese noch relativ wenig verbreitete Vorgehensweise mag für „normale“ Gemeinden kleiner und mittlerer Größe übertrieben erscheinen, aber die „Feuerwehrstrategie“ wird sich auf Dauer wirtschaftlich nicht durchhalten lassen.
 
Wertvolle Infrastruktur: Wiederbeschaffungswerte ausgewählter Anlagen
Infrastruktur Länge (m/EV)* Spezifische Herstellungskosten (€/EW) Wiederbeschaffungswert (Mrd. €)
Abwasser 18 7200 576
Wasser 8 1600 128
Gas 5 1000 80
Fernwärme 0,6 500 38
Strom 20 2400 192
Autobahnen 0,15 600 48
Bundes-, Landes-, Kreisstraßen 2,75 2200 176
Kommunalstraßen Städte 1,7 2625 131
Gemeinden 6 3600 108
Schienennetz 0,5 325 26
EW = Einwohner; * inkl. Grundstückbereich; Quelle: Studie „Erfordernisse und Finanzierung der Anpassung der technischen Infrastruktur im Zuge des Stadtumbaus (Stadttechnik – Unterirdischer Städtebau)“; Raimund Herz, TU Dresden, 2002
 
Der Nutzen einer Kanalsanierungsstrategie für den Kanalnetzbetreiber ist vielfältig. Dieser reicht vom grundsätzlich geklärten Bedarf an Sanierungsmaßnahmen über spürbare Honorarkosteneinsparungen durch die aufeinander abgestimmten Planungsprozesse bis hin zur verlässlichen bedarfsgerechten Gebührenkalkulation. Überraschungen durch das schlagartige Versagen bislang nachrangig priorisierter, aber bereits stark abgenutzter Kanalstrecken mit der Folge teurer Sofortmaßnahmen werden zukünftig vermieden werden können.
 
Wirtschaftliches Handeln erfordert strategisches Denken, dies haben Verwaltung und Gemeinderat in Kappelrodeck (Baden-Württemberg) erkannt. Bei der Entwicklung eines strategischen Instandhaltungsmanagements für das eigene etwa 50 Kilometer lange Kanalnetz nutzt die Gemeinde das Dienstleistungsangebot „Status Kanal“ (www.kanalfluesterer. de). Haushaltsberatungen über die Budgets für die Instandhaltungsaufgaben im Abwasserbereich werden künftig in Kappelrodeck nicht mehr auf Basis isolierter jährlicher, statischer Einzelbetrachtungen stattfinden. In Kenntnis des tatsächlichen Restnutzungspotenzials und der strategischen Erfordernisse wird eine nachhaltige Instandhaltung des Netzes etabliert werden können.
 

Der Autor

Markus Vogel ist Beratender Ingenieur und Gesellschafter-Geschäftsführer von Vogel Ingenieure in Kappelrodeck.

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