Grabenlose Sanierung eines gemauerten Regenwasserkanals in Altrohrzustand III

27.08.2009

Seitens der Niederrheinischen Versorgung und Verkehr AG (NVV AG) war vorgesehen, den bestehenden Regenwasserkanal in Mönchengladbach in der Hittastraße zu sanieren. Die Ingenieurgesellschaft S & P Consult GmbH (S & P), ein Unternehmen der Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH (Bochum), wurde im August 2005 mit der Durchführung einer erweiterten Zustandserfassung und -bewertung des gemauerten Regenwasserkanals DN 1000 einschließlich Baugrunderkundung und Standsicherheitsnachweisen beauftragt. Nach Analyse und Bewertung der vorhandenen Schäden in der Altrohrleitung sowie unter Berücksichtigung der speziellen Randbedingungen wurde das Wickel-rohrverfahren für die grabenlose Sanierung ausgewählt. Ausführendes Unternehmen war die Kanaltechnik Geiger & Kunz GmbH & Co. KG aus Mainaschaff.

 Ausgangslage

In der Hittastraße, Mönchengladbach musste ein rund 100 Jahre alter Regenwasserkanal saniert werden. Bei dem Kanal handelt es sich um ein kreisrund gemauertes Profil der Nennweite DN/ID 1000 (s. Bild 1).

Der betrachtete Sanierungsabschnitt bestand aus vier Haltungen mit einer Gesamtlänge von rd. 166 m, wobei der größte Teil (rd. 126 m) im Straßenraum liegt und durch ein sehr hohes Verkehrsaufkommen gekennzeichnet ist (s. Bild 2 a und b). Der restliche Teil (rd. 40 m) befindet sich unterhalb einer Grünanlage. Der zu sanierende Altkanal weist in der Trasse zwei 90°-Bögen auf. Die Sohltiefen des Kanals liegen gemäß den Kanalbestandsdaten zwischen 3,50 m und 5,00 m unter GOK.

Erweiterte Zustandserfassung

Im Rahmen der Begehung durch S & P im Oktober 2005 wurde der Ist-Zustand des Regenwasserkanals DN 1000 aufgenommen:

Bei der durchgeführten Zustandserfassung wurden im Altkanal gravierende Deformationen des Querschnittes in Kombination mit Längsrissen von mehreren Zentimetern (s. Bild 3a), Korrosion des Fugenmaterials, Undichtigkeiten mit Grundwasserinfiltration (s. Bild 3b), Wurzeleinwuchs (s. Bild 3c), Inkrustationen (s. Bild 1) und fehlende Klinker der inneren Mauerwerksschale (s. Bild 3d) festgestellt.

Die innere und äußere Geometrie des Großprofils wurde durch eine Kalibrierung des Abflussquerschnittes und zusätzliche Wanddickenermittlungen festgestellt (s. Bild 4). Zur Ermittlung der Materialkennwerte des Mauerwerkkanals wurden im November 2005 4 Bohrkerne mit einem Durchmesser von 150 mm unter Einsatz eines luftdruckbetriebenen Kernbohrgerätes entnommen. Die Ermittlung der Druckfestigkeit an den entnommenen Bohrkernen erfolgte in Anlehnung an DIN 1048 [1]. Bei den durchgeführten Druckprüfungen wurde als Grundwert der zulässigen Druckspannungen für das Mauerwerk s0 = 4,0 MN/m² ermittelt.

Baugrundbeurteilung

Die Baugrundbeurteilung dient zur Ermittlung der Grundwasserverhältnisse und der bodenmechanischen Kennwerte als Eingangsgrößen für die statische Berechnung. Sie erfolgte im vorliegenden Anwendungsfall ohne zusätzliche Baugrundaufschlüsse auf Basis vorliegender benachbarter Baugrunderkundungen.

Im vorliegenden Anwendungsfall bestand der Baugrund aus anthropogenen Auffüllun-gen, welche geringmächtige feinsandige, schwach tonige bis tonige Schluffe, ggf. stellenweise sandig-tonige Torfe sowie eine Wechsellagerung von - z.T. schwach schluffigen - Kiesen und Sanden anstehen.

Standsicherheitsuntersuchung

Die Standsicherheitsuntersuchungen der Querschnitte wurde nach der Methode der Fini-ten Elemente (FEM) als ebenes Modell unter der Voraussetzung eines ebenen Verzer-rungszustandes (plane strain) mit dem Computer-Programm Plaxis durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein zweidimensionales FEM-Programm, welches besonders auf die Durchführung von Verformungs- und Stabilitätsberechnungen für geotechnische Problemstellungen ausgelegt ist.

Bei der Festlegung des maßgebenden Berechnungsquerschnittes wurden sämtliche Informationen über die vorhandene Geometrie des Kanals und die umgebenden Randbedingungen berücksichtigt.

Die Einwirkungen auf das Großprofil setzten sich aus folgenden Lasten zusammen:

  • Eigengewicht des Tragwerks
  • Erddruck infolge des Eigengewichts des überlagernden Bodens
  • Grundwasser
  • Verkehrslasten (SLW 60) auf die Geländeroberfläche.

Die maximal auftretenden Druckspannungen im Mauerwerk lagen oberhalb der zulässigen Druckspannungen (s. Bild 6). Die Standsicherheit für den Berechnungsquerschnitt des Altkanals konnte nicht nachgewiesen werden, so dass sich der Kanal im Altrohrzustand III befand; d.h. er ist ohne abstützende Wirkung des umgebenden Erdreiches nicht mehr ausreichend tragfähig. Für die geplante Sanierung des Großprofils war demnach eine statische Ertüchtigung erforderlich.

Sanierung

Die hydraulische Auslastung des Kanals ließ eine Querschnittsreduzierung von DN 1000 auf DN 800 zu. Vorgabe der NVV AG war, den Straßenaufbruch für eventuell erforderliche Baugruben möglichst zu vermeiden, um die Beeinträchtigungen auf der hoch frequentierten vierspurigen Hittastraße zu minimieren.I

Im Zuge einer Variantenbetrachtung wurden mögliche Sanierungsverfahren auf ihre Eignung für den vorliegenden Anwendungsfall überprüft und bewertet. Als Resultat der Planung von S&P bot das Wickelrohrverfahren verfahrens- und verkehrstechnisch die größten Vorteile für den Einsatz in der Hittastraße.

Den Zuschlag für die Sanierungsmaßnahme erhielt die Kanaltechnik Geiger & Kunz GmbH & Co. KG aus Mainaschaff für das Ribloc/SWP - Verfahren. Bei diesem Verfahren wird ein Stegprofil aus PVC-U mit Hilfe einer hydraulisch arbeitenden Wickelmaschine im Schacht zu einem kreisförmigen Rohr geformt und drehend in den Kanal eingewickelt.

Im vorliegenden Anwendungsfall war aufgrund des Altrohrzustandes III nur ein Wickelrohr-Dämmer-Verbundsystem einsetzbar, das von S&P statisch nachgewiesen wurde.

 Aufgrund der im Altkanal vorhandenen stark ausgeprägten Verformungen und darüber hinaus in Teilabschnitten bestehenden Scheitelrissen war eine Begehung des Kanals im Bereich unter der Hittastraße im Vorfeld der Sanierung nur unter Einsatz eines Schutzgerüstes (s. Bild 7) möglich.

Die Sanierung erfolgte zunächst im Bereich der beiden Kurvenbauwerke mit Wickelrohrsegmenten, welche auf der Baustelle an die Kurvengradiente angepasst wurden (s. Bild 8 oben). Die Stoßfugen zwischen den einzelnen Segmenten (bis zu 2 cm breit) wurden mit einem Handlaminat, bestehend aus einem harzgetränkten ECR-Glasgewebe (s. Bild 8 unten), abgedichtet, um einen Dämmeraustritt bei der Verdämmung des Ringraumes zu verhindern. Diese Arbeiten erfolgten aus einer Baugrube für einen zusätzlich geplanten Betriebsschacht (s. Bild 9).

Anschließend wurden die Wickelvorgänge in den geraden Kanalstrecken durchgeführt. Bild 9 zeigt den Wickelvorgang aus dem neuen Schachtbauwerk in die Haltung unterhalb der Grünanlage. Das Einwickeln des Rohrstranges in die Haltungen unter der Hittastraße konnte aus den vorhandenen Einsteigschächten erfolgen (Schachtöffnungen 625 mm), ohne die Schachtkonen zu demontieren.

Nach Erreichen des Zielschachtes wurde der Liner gegen Auftrieb gesichert, der verbleibende Ringraum an den Schachteinmündungen abgeschlossen und mit einem Dämmer gemäß den statischen Anforderungen verfüllt (s. Bild 10). Die Anbindung der vorhandenen Anschlussleitungen DN 150 erfolgte unter Verwendung von Hutmanschetten (s. Bild 11a). Die Hutmanschetten, bestehend aus gleichem Material wie das SWP - Wickelrohr, wurden mit dem PVC-Stegprofil kalt verschweißt (verklebt) und zusätzlich mit Edelstahlschrauben fixiert. Das Einbinden eines Zulaufkanals DN 500 erfolgte durch eine dauerhaft dichte und kraftschlüssige Injektion mit einem kunststoffmodifizierten Mörtel (s. Bild 11b).

Anschließend wurden die Schachtanbindungen mit einem kunststoffmodifizierten Reparaturmörtel hergestellt.

Eine nachhaltige und wie in DIN EN 752-5 [2] geforderte ganzheitliche Sanierung der Entwässerungssysteme muss sich auch auf die Schächte erstrecken. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich nach Abschluss der Sanierungsarbeiten die bekannten technischen, ökologischen und ökonomischen Folgen der schadhaften Abwasserkanäle in den Bereich dieser Bauwerke verlagern. In Anbetracht dieser Tatsache wurden im Rahmen der Kanalsanierungsarbeiten die Schächte mitsaniert. Hierbei wurden Steigeisengänge ausgewechselt sowie die Gerinne und Bermen wiederhergestellt (s. Bild 12).

Fazit

Die S & P Consult GmbH (S&P) wurde seitens der NVV AG im August 2005 mit der Durchführung einer erweiterten Zustandserfassung und -bewertung einschließlich Baugrundbeurteilung und Standsicherheitsnachweisen des gemauerten Regenwasserkanals DN 1000 in der Hittastraße sowie mit der anschließenden Sanierungsplanung, Ausschreibung und örtlichen Bauüberwachung gemäß HOAI beauftragt.

Die Untersuchungsergebnisse machten eine statische Ertüchtigung des Großprofils erforderlich. Aufgrund des hohen Verkehraufkommens in der Hittastraße wurde ein Sanierungsverfahren gesucht, das unter Aufrechterhaltung des Straßenverkehrs ausgeführt werden konnte.

Die NVV AG entschied sich auf Basis einer Variantenbetrachtung für das Wickelrohrverfahren. Durch den Einsatz des Ribloc/SWP- Verfahren war es möglich, den in Altrohrzustand III befindlichen gemauerten Regenwasserkanal DN 1000 statisch zu ertüchtigen. Der statische Nachweis wurde von S&P geführt. Mit diesem Verfahren konnten Baugruben vermieden werden, so dass die Verkehrsbeeinträchtigungen auf der hoch frequentierten vierspurigen Hittastraße minimiert werden konnten.

Die Sanierungsarbeiten erfolgten durch die Kanaltechnik Geiger & Kunz GmbH & Co. KG aus Mainaschaff und wurden Ende 2008 abgeschlossen - eine erfolgreiche Sanierung aus Sicht aller Beteiligten (s. Bild 13).

Im Vergleich zu einer Erneuerung in offener Bauweise konnten mit dem gewählten Wickelrohr-Dämmer-Verbundsystem erhebliche Sanierungskosten eingespart werden.

Literatur:

[1] DIN 1048 Prüfverfahren für Beton; Frischbeton (06.1991)

[2] DIN EN 752: Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden. Teil 5: Sanierung (11.1997). Teil 6: Pumpanlagen (06.1998).

Autoren:

Dipl.-Ing. Hans Spinnräker
NVV AG
Voltastr. 2,
41061 Mönchengladbach
Telefon: +49 2166 / 688-3737
E-mail: hans.spinnraeker@nvv-ag.de

Dipl.-Ing. Andreas Dieks
NVV AG
Voltastr. 2,
41061 Mönchengladbach
Telefon: +49 2166 / 688-3773
E-mail: andreas.dieks@nvv-ag.de

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