Grabenlose Kanalsanierung in Stadtallendorf: Kombinations-Liner für Lebensmittelabwässer

15.12.2008

Die Kanalsanierung durch Schlauchlining-Technologie zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, dass man auf spezielle Anforderungen mit individuellen Lösungen reagieren kann. Ein Musterbeispiel dafür war im Spätsommer 2008 die Sanierung eines öffentlichen Schmutzwasser-Sammlers in Stadtallendorf, der die Abwässer eines Großbetriebs der Lebensmittelindustrie ableitet. Hier entschied man sich für den Einbau des Systems Pull in-Liner der Norditube Technologies GmbH, Schieder-Schwalenberg, das im so genannten kombinierten Einzieh- und Inversionsverfahren durch Experten der Rainer Kiel Kanalsanierung GmbH, Blomberg, installiert wurde.

Das Kanalisationsnetz im mittelhessischen Stadtallendorf steht unter einem besonderen Vorzeichen. Große Teile des Stadtgebietes liegen auf dem ehemaligen Geländen der WASAG AG und der DAG, die gemeinsam einen der größten Rüstungsstandorte Deutschlands im zweiten Weltkrieg bildeten. Stadtallendorf war während des Krieges mit diesem 600 Hektar großen Areal der wichtigste Munitions-Produktionsstandort Europas. Nach Kriegsende lag das teilweise extrem mit Chemierückständen kontaminierte Gelände lange Zeit brach, bis es von 1991 bis 2006 grundlegend saniert wurde. Dabei rückte auch das Kanalisationsnetz in den Fokus, denn so geheim wie die Produktionsanlagen vormals waren, so undurchsichtig waren die zugehörigen Abwassernetze: Baulich meist völlig desolat, bildeten sie eine "Altlast in der Altlast". Die Stadtwerke Stadtallendorf integrierten die vorhandenen Leitungen daher nur teilweise in das neue Kanalisationsnetz. Vieles war derart so marode oder belastet, dass eine Renovation keinen Sinn hatte, zumal vielfach die Hydraulik nicht mit aktuellen Anforderungen in Übereinstimmung zu bringen war.
Zu den Altkanälen, die ins neue Netz Eingang fanden, gehört der Schmutzwasser-Sammler Rhein-Straße. Zum öffentlichen Netzbestand gehörend, leitet der Vorkriegs-Steinzeugkanal DN 550 dennoch fast ausschließlich die Abwässer eines großen Lebensmittelbetriebes ab. Die in ihrer Zusammensetzung wechselnde Abwasserfracht hat es in sich: Sie ist chemisch aggressiv und zeitweilig bis zu 80°C heiß. Das zehrt nicht nur am alten Rohr, sondern gab zugleich Sollwerte für das Sanierungskonzept vor, das vom Ingenieurbüro Gringel (Marburg) erarbeitet wurde und auf eine Renovation durch Schlauchlining setzte. Eine Stillegung des Rohrs und ein nachfolgender offener Neubau war nicht nur aus betrieblichen Gründen ausgeschlossen. Eine Erneuerung war in diesem Umfeld auch deshalb wenig ratsam, weil jede Erdbaumaßnahme hier belasteten Aushub zutage fördern könnte.
Die beschränkte Ausschreibung des Projektes gewann letztlich die Rainer Kiel Kanalsanierung GmbH, Niederlassung Kassel, mit einer Verfahrens- und Materialkombination, die die Experten des Schlauchliner-Hersteller Norditube Technologies für die spezifischen Anforderungen dieses Falles entwickelten.
Dabei wird das Linersystem aus zwei Schichten aufgebaut, die nacheinander installiert werden, sich aber bei der Aushärtung aber zu einem homogenen System verbinden, das als Ganzes wirkt und auch labortechnisch geprüft werden kann. Dabei wird ein mit UP-Harz getränkter, mehrlagig aufgebauter Polyester-Nadelfilzliner des Typs Pull in-Liner in den Kanal eingezogen und durch einen zweiten, sogenannten KB-Liner formschlüssig aufkalibriert. Der KB-Liner wird mit Hilfe eines Umkehrflansches im Reversionsverfahren per Wasserdruck in den bereits liegenden Pull in-Liner eingekrempelt. Die ansteigende Wasserfüllung presst die Liner gemeinsam gegen das zu sanierende Altrohr. Beide Liner sind jeweils einseitig mit einer wasserdichten Kunststofffolie kaschiert: Beim Pull in-Liner ist es eine Polyethylen-Beschichtung, beim KB-Liner Polyurethan. Bei beiden Linern liegt auf jeweils einer Seite das Kunstharz offen, so dass bei der Reversion des KB-Liners die beiden Harzseiten vollflächig aufeinander treffen, während das System nach außen, zum Rohr hin, sowie zum Abwasser hin durch die Folien isoliert ist. Damit wird der Kontakt zwischen Harz und Wasser konsequent unterbunden.
Eine Besonderheit in diesem Falle war, dass für die beiden Liner unterschiedliche Harzsysteme verwendet wurden. Der äußere, im Einbauzustand 9 Millimeter starke Pull in-Liner wurde im Schwalenberger Norditube-Werk mit UP-Harz (nach DIN 18820 T1/3) getränkt; für den inneren, 2 Millimeter starken Liner wählte man dagegen ein Vinylesterharz, dass sich durch extreme chemische und thermische Belastbarkeit auszeichnet. Daraus resultiert eine funktionale Arbeitsteilung: Während die geforderte Statik schon allein durch den äußeren Liner gewährleistet ist, sorgt der innere VE-Liner für die geforderte Abwasserresistenz in diesem besonderen Belastungfall. Das Doppel-System verfügt als solches übrigens über eine gesonderte bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik Berlin (DIBT).
Insgesamt wurde der Schmutzwassersammler Rhein-Straße in drei Inversionen von 100, 110 und 220 Metern Länge saniert. Am 06.10.08 stand die Installation des 110-Meter-Liners im mittleren Streckenabschnitt an. Bei dieser Maßnahme wurde ein schwer zugänglich am Rande eines Teiches liegender Zwischenschacht mit dem Liner „überfahren“. Nachdem Einbau und Aufstellung der Liner per Wassersäule rund sechs Stunden in Anspruch nahmen, wurde das System über den auf dem Startschacht errichteten Inversionsturm an eine mobile Heizanlage angeschlossen. Über Vor- und Rücklauf-Schläuche floss 90°C heißes Wasser 8,0 Stunden lang durch den Liner und härtete die beiden Komponenten gemeinsam zum selbsttragenden System aus.
Während man normalerweise den gehärteten Liner auch in den Schächten schnellst möglich öffnet, beschränkte man sich in diesem Kanal darauf, die wenigen Schmutzwasser-Hausanschlüsse auf zu fräsen. Im Schacht ließ man den Liner ganz bewusst geschlossen und stattete ihn später mit einer Revisionsklappe aus. Das Lebensmittelabwasser hatte in der Vergangenheit speziell im Schachtbereich immer wieder zu Geruchsbelastungen geführt – ein Problem, das auf diese Weise ganz nebenbei gelöst wurde.
Alles in allem wurden die drei Installationen binnen 7 Arbeitstagen abgeschlossen – mit vollem Erfolg, wie die Resultate der labortechnischen Fremdüberwachung zeigten. Sie attestierten dem System in allen Probestücken volle Funktionsfähigkeit und die konsequente Einhaltung aller in der Ausschreibung geforderten Kennwerte für Statik, Wandstärke und Dichtheit.
Norditube Technologies GmbH
Herrn Dipl.-Ing. Wendelin Böhne
Julius-Müller-Straße
32816 Schieder-Schwalenberg
E-Mail: wendelin.boehne@sekisuicpt.com

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