Es wächst zusammen, was zusammengehört

01.07.2016

14. Deutscher Schlauchlinertag und 5. Deutscher Reparaturtag in Kassel

Es war eine Premiere, und sie ist nach Meinung aller Beteiligten gelungen! Erstmals fanden der Deutsche Schlauchlinertag und der Deutsche Reparaturtag an zwei aufeinanderfolgenden Tagen und an einem Veranstaltungsort statt. Am 26. April öffnete das Kongress Palais in Kassel seine Tore für die Besucher des 14. Schlauchlinertages, einen Tag später bildete das monumentale Gebäude die Kulisse für den 5. Reparaturtag. Die vielfältigen und breitgefächerten Programme wurden traditionell von Fachausstellungen begleitet.

Darüber hinaus konnten sich die Teilnehmer auf moderierten Außenvorführungen praxisnah über neue Verfahrenstechniken und Produkte informieren. Die Teilnehmerzahlen machten deutlich, dass das Konzept der Organisatoren voll aufgegangen ist: Mehr als 400 Anmeldungen für die beiden Tage ergaben zusammen mit Ausstellern und Referenten rund 500 Personen, die dem „Doppelpack“ der Branche mehr als einen passenden Rahmen gaben.

Impulsgeber der Branche

Eine moderne Zivilisation wäre ohne funktionierende Kanalisation nicht vorstellbar – das machte Dr.-Ing. Igor Borovsky, 1. Vorsitzender der Technischen Akademie Hannover e. V. (TAH) und Geschäftsführer des Verbandes Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB), in seiner Begrüßung deutlich.

Undichte Kanäle stellen ein erhebliches Umweltproblem dar und verursachen hohe Sanierungskosten. Daher sei es von entscheidender Bedeutung, dass es Foren wie den Deutschen Schlauchlinertag oder den Deutschen Reparaturtag gebe, von denen immer wieder entscheidende Impulse für die Weiterentwicklung von Sanierungstechniken und deren Anwendung ausgingen. In diesem Zusammenhang sprach Borovsky den Sponsoren und den ausstellenden Firmen einen besonderen Dank aus, ohne deren Engagement Veranstaltungen wie diese auf einem solch hohen Niveau mit Fachvorträgen, Podiumsdiskussionen, Fachausstellungen und Außenvorführungen gar nicht durchführbar seien.

Schnittmengen gegeben

Dass sich in der Zusammenführung der beiden Branchenhighlights eine Reihe von Vorteilen ergibt, die bei Weitem nicht nur organisatorischer Natur sind, hierin befindet sich Borovsky mit dem Ideengeber und Initiator des Deutschen Schlauchlinertages, Dipl.-Ing. Franz Hoppe, im Schulterschluss. Auch Hoppe sieht Schnittmengen zwischen den Themen von Schlauchliner- und Reparaturtag. „Wer sich mit der Sanierung von Kanalnetzen beschäftigt, wird zwangsläufig mit den verschiedenen Verfahrensgruppen Erneuerung, Renovierung oder Reparatur konfrontiert“, weiß Hoppe. Und da es die Standardlösung für jeden Fall nicht gibt, die man bei Bedarf einfach aus der Schublade ziehen kann, kann man letztendlich die Optionen nicht getrennt voneinander betrachten – auch das eine Erfahrung Hoppes, der lange Jahre in verantwortlicher Position bei der Hamburger Stadtentwässerung tätig war.

Reizthema Nutzungsdauer

In seiner thematischen Einleitung erinnerte Hoppe noch einmal daran, wie sich das Schlauchlining in den letzten Jahrzehnten von der belächelten „Korrosionstapete“ zum anerkannten Verfahren entwickelt hat, für das es mittlerweile eine Vielzahl von Normen, Regelblättern und statischen Berechnungen gibt. Für den erfahrenen Praktiker Hoppe ist es deshalb unverständlich, dass bei Renovierungsverfahren – gute Qualität vorausgesetzt – eine Nutzungsdauer unter 50 Jahren angesetzt wird. Ein Schlauch ist – betrachtet man die Werkstoffeigenschaften – letztendlich nichts anderes als ein GFK-Rohr, und hierbei ist jeder davon überzeugt, dass es – fachgerecht eingebaut – rund 80 Jahre hält. Die Unterschreitung von 80 Jahren bei den Renovierungsverfahren ist dem Anschluss von Schächten und Hausanschlüssen geschuldet. Unter anderem hierüber wurde in den verschiedenen Themenblöcken ausführlich diskutiert.

Nachträge wegen Ausschreibungsfehlern

Ausgewiesene Fachleute deckten mit ihren Referaten das gesamte thematische Spektrum von politischen und rechtlichen Inhalten über Aspekte der Qualitätssicherung bis hin zu technischen Fragestellungen und der Darstellung konkreter Fallbeispiele aus der Praxis ab. Im ersten von fünf Themenblöcken ging es um finanzielle Auswirkungen des Schlauchlinings sowie die Bedeutung des Verfahrens für die Substanzerhaltung der Kanalnetze. Die Vorträge machten deutlich, dass die Renovierung mittels Schlauchlining mittlerweile zu den maßgeblichen Bausteinen der Kanalsanierung zählt.

Doch wie plant man richtig und wie werden solche Maßnahmen fachgerecht ausgeschrieben, ohne dass Fehler gemacht werden, die möglicherweise zu Nachträgen führen? Wie wichtig saubere und klar formulierte Ausschreibungen für ein gutes Renovierungsergebnis sind, zeigte insbesondere die Podiumsdiskussion am Ende von Themenblock 2. Mitarbeiter aus Kommunen, Ingenieurbüros, ausführenden Firmen und Rechtskanzleien setzten sich unter anderem mit der durchaus provokanten Frage auseinander, ob Nachträge vermeidbar oder bereits Bestandteil der Kalkulation sind. Die Praxis zeigt – so der Tenor – dass es durchaus eine Korrelation zwischen der Qualität der Planung und der Höhe an Nachträgen gibt.

Praxis zum Anfassen

Themenblock 3 vollzog dann den Schritt von der Theorie zur Praxis. Bei den moderierten Außenvorführungen konnten sich die Besucher des Kongresses anhand unterschiedlichster Anwendungsbeispiele mit eigenen Augen von den Vorteilen der Schlauchlinertechnologie überzeugen. Während sich die Besucher bei der Aarsleff Rohrsanierung GmbH über Synthesefaserliner mit LED-Härtung informieren konnten, ging es bei der RELINEEUROPE AG um die Instandsetzung von Abwasserdruckrohren und bei der UHRIG Kanaltechnik GmbH um die Anbindung von Linersystemen auf Kompressionsbasis.

Bei der gemeinsamen Vorführung von RS Technik AG und FLEER-TECH GmbH erhielten die Teilnehmer Einblicke in die Verwendung von Epoxidharzen in der Sammelkanalsanierung, und die Rohrsanierung Jensen GmbH & Co. KG stellte mit dem Vertiliner ein Verfahren zur Auskleidung von  Schachtbauwerken vor.

Mit der Darstellung von Besonderheiten bei der Renovierung mit Schlauchlinern bei kleinen Durchmessern verfolgte Block vier anschließend den ganzheitlichen Ansatz. Mittlerweile hat sich die Meinung durchgesetzt, dass bei der Renovierung des Hauptkanals auch die Zuleitungen einbezogen werden müssen. Nach einem Vortrag über die Bedeutung von Materialkennwerten, bei dem es insbesondere um Unterschiede zwischen im Werk und vor Ort gefertigten Produkten ging, schloss der erste Veranstaltungstag mit der Frage „Quo vadis, Schlauchliner?“. Bei der Beantwortung der lateinischen Phrase mit der umgangssprachlichen Bedeutung, wohin die Reise geht, waren sich die Diskussionsteilnehmer jedenfalls einig, dass sich der Schlauchliner zu einem absoluten Hochleistungsprodukt entwickelt hat. 

Gut, dass es den Reparaturtag gibt

Hiervon sind die Reparaturverfahren noch ein Stück weit entfernt. Zwar nicht in puncto Technik, aber in Bezug auf Normen und Regelwerke – hierin stimmen Organisator Borovsky und Dipl.-Ing. Michael Hippe, Vorsitzender des Vorstandes des Verbandes Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB), überein. „Die Branche darf aber gespannt sein, wie es weitergeht“, blickt Hippe nach vorn, „und es wäre zu wünschen, dass die Reparaturtechnik diese Lücke in den nächsten Jahren schließt."

Auch hierzu will die Veranstaltung beitragen, zum Beispiel mit einem modifizierten Programm, welches erstmals nicht der bisher üblichen technikorientierten Darstellung folgte, sondern einer Einteilung der Verfahren nach DIN. Sie orientiert sich am Wirkort der Reparatur und berücksichtigt, ob eine Reparatur am Rohr selbst, im Innenbereich des Rohres oder im Außenbereich stattfindet.

Nach wie vor Grenzbereiche vorhanden

In seiner Einführung ging Moderator Prof. Dr.-Ing. Volker Wagner, Hochschule Wismar, auf diese Einteilung ein, indem er Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Verfahrensgruppen vorstellte. Dass es bei Reparaturenverfahren durchaus Grenzbereiche gibt, zeigten die Beiträge in Vortragsblock 1. Etwa wenn es um den Einsatz von Robotern beim Fräsen von Scherben, beim Umgang mit Versätzen bei Rohrverbindungen oder der Einbindung von Hausanschlussleitungen geht. Wann kann ich hier noch vernünftig reparieren – die Antwort auf diese Frage interessierte die Zuhörer ebenso wie die Darstellung der Bedeutung von Vorbereitungsarbeiten für den Erfolg von händischen Reparaturen in Schächten und Großprofilen.

Auch in Themenblock 2 ging es zunächst um die Bedeutung von Vorbereitungsarbeiten; etwa im Vortrag über die Manschettentechnik. Bei größeren Schadenslängen oder beim Einsatz unter Abwasser- und Grundwassereinfluss existieren Parameter und Rahmenbedingungen, bei denen es nicht nur mit dem bloßen Einsetzen der Manschette getan ist. Die Praxis zeigt allerdings – so der Tenor –  dass sich die Reparaturergebnisse sehen lassen können. Gute Ergebnisse lassen sich bei sorgfältiger Planung, Ausschreibung und Bauüberwachung auch mit Kurzlinern erzielen – so die Erfahrungen einer Referentin. Wie bei anderen Verfahren auch kommt es auf die Abschätzung von Risiken an. Vorsorgemaßnahmen sind unerlässlich, wie die Beispiele aus der Praxis zeigten. Für Auftraggeber ist es deshalb wichtig, sich schon im Vorfeld klarzumachen, an welchen Stellen man eingreifen muss, um den Sanierungserfolg sicherzustellen.

Reparaturverfahren live

Bei den darauffolgenden Außenvorführungen konnten die Besucher die Anwendung moderner Repartaturverfahren live erleben. Etwa das Fräsen mit elektrischem Fräsroboter bei der IBAK Helmut Hunger GmbH & Co. KG, das Janßen-Light-Verfahren im Eiprofil bei der Umwelttechnik Franz Janßen GmbH oder eine Schachtsanierung mit dem Vertiliner-Verfahren bei der Rohrsanierung Jensen GmbH & Co. KG. Produkte der „vor-Ort-härtendenen Werkstoffe“ am Beispiel Kurzliner und Handlaminat stellte die Kuchem GmbH vor, um die Vorführung eines Satellitensystems ging es bei der IMS Robotics GmbH.

Die Präsentation des eCUTTER bzw. des Spachtel-/Verpressverfahrens PI.TRON von der Pipetronics GmbH & Co. KG, die Anbindung von Linersystemen auf Kompressionsbasis bei der UHRIG Kanaltechnik GmbH sowie die Vorführung eines Höchstdruck-Wasserstrahlroboters in einem Rohrabschnitt bei der Mauerspecht GmbH vervollständigten die vielseitigen praktischen Demonstrationen.

Wann welches Verfahren?

Vortragsblock 4 widmete sich schließlich dem wohl schwierigsten Reparaturverfahren, der Injektion. Besonders deutlich wurde der enge Zusammenhang der Technik mit der Bodenkunde, insbesondere bei der Betrachtung möglicher Auswirkungen auf den umgebenden Boden. Sehr theoretisch wurde es schließlich noch einmal bei der vergleichenden Darstellung der Vor- und Nachteile von Zementmörtelinjektionen und Injektionen mit Kunstharzen.

Bei der Beantwortung der Frage, an welcher Stelle bzw. bei welchem Schadensbild welches Verfahren geeignet ist, stoßen nach wie vor auch ausgewiesene Fachleute an ihre Grenzen. Mögliche Ansätze lieferte der letzte Vortrag des Tages, der sich mit typischen Situationen für den Verfahrenseinsatz von Injektion und Verpressung auseinandersetzte und Praxistipps zur Sanierungsplanung gab.

Königsweg gibt es nicht

Was bleibt, ist das Bewusstsein, dass es bei der Entscheidung für Ausbessern, Auskleiden oder Injizieren letztendlich keinen Königsweg gibt. Hierin waren sich auch die Hersteller, Netzbetreiber und Planer einig, die an der abschließenden Podiumsdiskussion teilnahmen. Auch VSB-Vorstandvorsitzender Hippe vertrat in seinem Schlusswort die Auffassung, dass die Kenntnis der richtigen Anwendung und ihrer Grenzen bei allen Reparaturverfahren unabdingbare Voraussetzung für ihren erfolgreichen Einsatz ist. In diesem Sinne hat auch der 5. Reparaturtag mit seinem ausgewogenen Mix aus Fachvorträgen, Praxisvorführungen und begleitender Ausstellung wertvolle Anregungen zu fruchtbaren Diskussionen gegeben. Ziel ist es, die Reparaturverfahren noch weiter im Bewusstsein der Personen zu verankern, die sich mit der Instandhaltung der unterirdischen Infrastruktur auseinandersetzen.

Kontakt

Technische Akademie Hannover e. V.

Dr.-Ing. Dipl.-Math. Igor Borovsky

Wöhlerstr. 42

30163 Hannover

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borovsky@ta-hannover.de

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