Ense: Eine kleine Gemeinde stellt große Anforderungen an einen Synthesefaserliner
12.09.2013
Renovierung » Auskleidung mit Rohren » Schlauch-Lining Kanäle
Die Gemeinde Ense, mit ihren 12.800 Einwohnern, liegt auf dem Haarstrang am nördlichen Rand des Sauerlandes und grenzt an die Soester Börde an. Das rund 119 km lange Kanalnetz der 14 Ortsteile umfasst 67 km Mischwasser-, 20 km Schmutzwasser- und 28 km Regenwasserkanäle sowie 4 km Druckrohrleitungen.
185m des 1961 aus Stahlbeton erstellten Mischwasserkanals in der Mitte des Ortsteils Bremen standen zur Sanierung an. Bevor die Ausschreibung erfolgte, wurden im Vorfeld verschiedene Lösungsmöglichkeiten geprüft. Dazu gehörte die Erstellung eines Sachverständigengutachtens sowie eine Niederschlags- und Abflussmessung. Diese aufwändigen Untersuchungen waren auf Grund der Spezifika des Altkanals bzw. der Randbedingungen notwendig geworden.
Die Teilstrecke bestand aus drei verschiedenen Kanalprofilen: DN1000/825 Kastenprofil, DN1200 Kreisprofil und DN1100/1650 Eiprofil, wobei der Übergang vom Kreis- auf das Kastenprofil innerhalb einer Haltung lag. Im/am Kreisprofil DN1200 verlief noch eine weitere Versorgungsleitung. Außerdem waren in mehreren Haltungen eine Vielzahl von Bögen zwischen 15° und 45° zu berücksichtigen. Die größtenteils sehr geringe Überdeckung des Kanals von nur 50cm war ebenfalls in die Betrachtung mit einzubeziehen.
Nach Befahrung der Sammler wurden die festgestellten Mängel nach ATV-M 143-2 beurteilt. Hierbei handelte es sich hauptsächlich um Verschleißerscheinungen des Betons in der Sohle, am Kämpfer und im Scheitel sowie um Undichtigkeiten an Muffen durch größere Ringspalte, Lage-Abweichungen und nicht fachgerecht angeschlossene Stutzen. Zudem existierten an partiellen Stellen Abplatzungen, Scherbenbildungen und Wurzeleinwüchse. Darüber hinaus zeigte sich mechanischer Verschleiß und die Bewehrung war an einigen Stellen im Kastenprofil sichtbar korrodiert.
Dieses Schadensbild galt es bei der Auswahl des technisch und wirtschaftlich optimierten Verfahrens mit ins Kalkül zu ziehen. Aber auch die sogenannten „Softfacts“ hatten einen hohen Stellenwert. Emissionsbelastungen durch Abgase, Feinstaub und Lärm sollten ebenso gering gehalten werden, wie die Beeinträchtigung von Boden, Grundwasser, Gebäuden etc. Und last but not least war die Minimierung der Auswirkungen auf Anwohner und Geschäftsleute ein wichtiges Thema: Staus, Umleitungen, Störung von Betriebsabläufen, Anliegerbelastungen.
Betrachtet wurden offene und geschlossene Verfahren. Hier im Speziellen das Schlauchlining-Verfahren mit den Trägermaterialien Synthese- und Glasfaser sowie das GFK-Einzelrohr-Lining.
Die Prüfung ergab, dass keine wirtschaftliche Sanierung in offener Bauweise zu empfehlen war. Begründet wurde diese Entscheidung u. a. mit der Dauer der Maßnahme, der Belastung der Anwohner, den zu erwartenden Kosten, der Standsicherheit angrenzender Gebäude sowie der Problematik der Doppelkanäle. Auch die Sanierung mittels GFK-Einzelrohr-Lining musste verworfen werden, da sich der Leitungsquerschnitt der bestehenden Haltungen zu sehr reduziert und somit die hydraulische Leistungsfähigkeit nicht ausgereicht hätte. Die Bögen innerhalb des Kastenprofiles DN 1000/825 und der Dimensionswechsel auf das Kreisprofil DN 1200 ließen auch nicht den Einbau eines Glasfaserliners zu. Das Ausmaß der Faltenbildung war nicht kalkulierbar.
Daher fiel letztendlich die Entscheidung der Gemeinde, unter Beachtung des Sachverständigengutachtens, auf den Einbau von Synthesefaserlinern für alle zu sanierenden Profile.
Vor der eigentlichen Ausschreibung erfolgte die Bestimmung der Durchflussmengen bei Trockenwetter und Regenereignissen, um verlässliche Angaben für die Wasserhaltung während der Ausführung der Baumaßnahme sowie für die Tiefbauarbeiten zu erhalten. Die für einen vierwöchigen Messzeitraum eingerichteten drei Messstellen ergaben einen Regenwetterabfluss von max.760l/s sowie bei Trockenwetter 20 l/s.
Als wirtschaftlichster Anbieter erhielt die Niederlassung Münster der Insituform Rohrsanierungstechniken GmbH (heute: Aarslef Rohrsanierung GmbH) den Auftrag. Im ersten Schritt führten Bauherr und Insituform gemeinsame Gespräche mit den betroffenen Anliegern. Inhaltliche Schwerpunkte waren zum einem die Aufklärung über die Baumaßnahme mit dem Hinweis auf die Durchführung von Dichtheitsprüfungen der Grundstücksentwässerungen sowie der ggf. notwendigen Sanierung. Zum anderen dienten die Gespräche der engen Abstimmung, um sowohl für die Privatpersonen als auch Geschäftsinhaber und öffentliche Institutionen, wie Bank oder Kirche, die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Aus diesem Grund war das Zeitfenster von vornherein sehr eng gesteckt. In nur zwei Wochen sollten die Liner eingebaut sein.
Doch bis dahin mussten erst einmal eine ganze Reihe vorbereitender Arbeiten durchgeführt werden. Los ging es mit der Sanierung der kreuzenden Wasserleitung im Kreisprofil DN1200. Es folgten die Herstellung des Pumpensumpfs zum Ansaugen des Mischwassers und der Aufbau der Wasserhaltung für 1065l/s. Die 200m Stahlrohrleitungen DN600 wurden auf Grund der örtlichen Verhältnisse - Ortskern mit enger Infrastruktur - auf der gesamten Länge der Sanierungsstrecke auf 4,50m lichte Durchfahrtshöhe aufgeständert. Dazu war es notwendig alle 12 Meter Fundamente für jeweils zwei Ständer mit Betonfüßen von insgesamt 1,20m x 2,40m herzustellen. Ca. 30 Prozent der beauftragten Summe entfielen daher alleine auf den Auf- und Abbau sowie das Betreiben der Wasserhaltung.
Parallel dazu wurden mit dem Schachtabbruch und der Sanierung der Straßenabläufe sowie dem Austausch einzelner Teilbereiche der Anschlussleitungen in offener Bauweise begonnen. Es folgten das Fräsen von Wurzeleinwüchsen, Ablagerungen, Stutzen und einragenden Dichtungen, das Ausbessern von Abplatzungen und Verschließen von Einläufen, verdeckten Schächten und Anschlüssen sowie die Überprüfung der Anschlussleitungen, ob noch in Betrieb befindlich oder nicht. Im Kreisprofil kam außerdem das Aufarbeiten der bis zu 30cm breiten klaffenden Muffen dazu.
Die Bewehrung, welche an mehreren Stellen frei lag, war im Kastenprofil mit Rostschutz zu versehen und anschließend mittels kunststoff-modifiziertem Kanalsanierungsmörtel wieder zu verspachteln. Des Weiteren mussten hier die Eckbereiche mit Kanalsanierungsmörtel vorprofiliert werden - sogenannte Hohlkehlen - um Hohlräume zwischen Liner und Altrohr zu vermeiden (siehe Zeichnung Statik). Zu guter Letzt galt es noch einen Übergang für den Dimensionswechsel von Kreis auf Kasten in der Haltung herzustellen.
Vor der Produktion der Synthesefaser-Liner im Insituform-eigenen Werk im thüringischen Geschwenda mussten die Kanalprofile noch kalibriert werden: Überprüfung der Profilabmessung der zu sanierenden Haltungen über die kompletten Leitungslängen. Die Planung sah den Einbau in zwei Abschnitten vor. Bei beiden galt es Dimensionswechsel von mehreren Dimensionssprüngen zu berücksichtigen: DN1200 auf DN970 sowie DN1200 auf DN1365. Entsprechend dieser Parameter konnten nun die Liner als Spezialanfertigung aus korrosionsbeständiger Synthesefaser mit einseitiger Kunststoffbeschichtung gefertigt und anschließend mit abwasserbeständigem, warmhärtenden Polyester-Harz imprägniert werden:
- 70m DN1200 in der Einbauwandstärke von 18mm mit Konus auf 65m Kastenprofil DN1000/825 in der Einbauwandstärke 24mm
- 20m DN1200 in der Einbauwandstärke 18mm mit Konus auf 30m Eiprofil DN1100/1650 in der Einbauwandstärke 27mm
Der erste Einbauabschnitt sah die Inversion gegen, der zweite in Fließrichtung vor. Die Herausforderung bestand neben den Dimensionswechseln und der Durchfahrung der vielen Bögen mit bis zu 45° insbesondere auch in der Festlegung der Höhe der Wassersäule. Hier waren die Insituform-internen Vorgaben gemäß dem Qualitätsmanagement zu beachten und gleichzeitig die geringe Überdeckung des Altkanals von teilweise nur 50cm. Ein zu hoher Innendruck könnte schnell zur unerwünschten Aufweitung des Altrohres und folglich der Straßenoberfläche führen, da die Auflast zu gering wäre: Die Höhe des Gerüstturms (mit ausgeklapptem Förderband) betrug daher 7,70m.
Die eigentliche Inlinersanierung startete mit dem Einbau im 1. Bauabschnitt „just in time“. 135m Synthesefaserliner trafen - für den Transport eisgekühlt - pünktlich in Ense ein. Nachdem der dünne Folienschlauch (Preliner) in die Sanierungshaltung eingebracht war, begann die Inversion. Der Einbau solch spezieller Liner, unter den genannten Bedingungen, erfordert ein perfektes Zusammenspiel des Einbauteams, Fingerspitzengefühl bei der Inversionswasserzufuhr sowie der Einstellung der Wassersäule und damit der Erzeugung des hydrostatischen Drucks und der Festlegung der optimalen Inversionsgeschwindigkeit, um die formschlüssige und eng anliegende Auskleidung des Rohres zu gewährleisten.
Nachdem der Schlauch am Zielschacht angekommen war, begann die für den Betrachter weniger spektakuläre Härtephase des Schlauches zum eigentlichen Endprodukt, dem muffenlosen, formschlüssigen „Rohr im Rohr“. Mobile und stationäre Anlagen mit einer Gesamtkapazität von rund 2.800KW Heizleistung sorgten für die kontrollierte Erhitzung des Wassers mit einer Vorlauftemperatur von ca. 90°C und die Umwälzung über mehrere Stunden. Die Temperaturentwicklung wurde selbstverständlich stetig über Thermofühler an unterschiedlichen kritischen Punkten des Rohrverlaufes kontrolliert und protokolliert.
Nach der Härtung wurde das Wasser kontinuierlich wieder auf die Umgebungstemperatur heruntergekühlt, um die durch die Polymerisation entstandenen Spannungen im neuen Insituform-Rohr abzubauen. Erst danach erfolgte die Öffnung des Rohres am Inversionsende sowie der verfahrensbedingt überfahrenen Zuläufe und Schächte.
Die folgende Probenentnahme fand selbstverständlich durch ein akkreditiertes Prüfinstitut statt: Untersuchungen der entnommenen Proben auf Wasserdichtheit, Wanddicke, E-Modul und Biegespannung gemäß DIBT Zulassung des Inliners. Alle erforderlichen Kennwerte wurden erreicht und so der Nachweis erbracht, dass die Liner den zu erwartenden Belastungen über die gesamte Lebensdauer von mindestens 50 Jahren standhalten werden und einem neu verlegten Rohr hinsichtlich der Qualitätsanforderungen in keiner Weise nachstanden.
Auch der nur wenige Tage später durchgeführte Einbau im zweiten Bauabschnitt lief für alle Beteiligten sehr zufriedenstellend und ohne Komplikationen ab. Eine gemeinsame Begehung der sanierten Kanäle durch die Bauherrn und Insituform bestätigte, dass die Sanierungsergebnisse auch optisch voll und ganz überzeugten. Gerade bei nicht alltäglichen Projekten mit sehr komplexen und anspruchsvollen Randbedingungen zahlen sich jahrzehntelange Produktkenntnis und Einbauerfahrungen aus. Der bekannte und bewährte Insituform-Synthesefaserliner wurde weltweit bereits in über 30.500km Kanäle der Dimensionen DN150-2000 eingebaut.
Aber ebenso unabdingbar für die erfolgreiche und reibungslose Abwicklung dieser Maßnahme waren neben dem Qualitätsprodukt und der erfahrenen Crew der langfristige, vorausschauende und mit allen Beteiligten abgestimmte Zeitplan, die gewissenhafte Vorbereitung durch Auftraggeber und -nehmer, die disziplinierte Umsetzung und, ganz wichtig, die jederzeit offene Kommunikation.
Das Ergebnis der bisher umfangreichsten Kanalsanierungsmaßnahme in Ense ist ein renovierter Kanal, der bei deutlich geringeren Herstellkosten und wesentlich kürzerer Bauzeit gegenüber dem Neubau, allen Anforderungen, die an einen neuen Kanal gestellt werden, gerecht wird. Danke für das Vertrauen und die kooperative Zusammenarbeit!
Auftraggeber:
Gemeindeverwaltung Ense
Frank Sörries
f.soerries@gemeinde-ense.de
www.gemeinde-ense.de
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