Duktile Gussrohre im Doppelpack um die Kurve gezogen
24.07.2018
Einbau von duktilen Kanalrohren DN 500 und DN 600.
1 Problemstellung
Im Südosten Berlins, im Ortsteil Altglienicke/ Grünau, waren im Zuge der Neuordnung des Abwassersystems zwei neue Druckleitungen einzubauen. Nach sorgfältigem Variantenvergleich entschieden sich die Berliner Wasserbetriebe für den kürzesten Leitungsverlauf, der allerdings eine Bahnlinie und eine siebenspurige Hauptstraße kreuzt. Damit war ein offener Einbau von vornherein ausgeschlossen.
Ein Einbau mittels HDD-Verfahren schied aus Platzgründen und wegen der Bahnquerung ebenfalls aus. So blieb für die grabenlose Neulegung eine im Vortrieb aufgefahrene Schutzrohrstrecke für die Medienleitungen übrig (Bild 1). Allerdings erzwangen die Brückenwiderlager der Bahn für den Vortrieb der Schutzrohre eine große Tiefenlage, außerdem war ein geradliniger Vortrieb nicht möglich.
2 Lösungsansatz
Unter diesen Rahmenbedingungen entschloss man sich, ein Stahlbetonrohr DN 1600 mittels bemanntem Druckluft-Schildvortrieb auf 215 m Länge in gekrümmtem Verlauf an den Widerlagern der Brücke in 13 m Tiefe in ausreichendem und genehmigungsfähigem Abstand vorbei zu führen. In dieses „Schutzrohr“ sollten dann die zwei Medienrohre DN 500 und DN 600 eingezogen werden. Dieses Medienrohrsystem musste als Druckleitung längskraftschlüssig und wegen des gekrümmten Verlaufs abwinkelbar sein.
Zudem mussten die Rohre übereinander angeordnet sein, damit sich gleiche Abwinklungen und Längen ergaben. Wegen der tiefen Schächte durften die Rohre nicht zu lang sein und mussten leicht zu montieren sein (Bild 2).
Dieses Anforderungsprofil erfüllen duktile Gussrohre zu 100 %. So kamen jeweils 216 m Kanalrohre DN 500 und DN 600 nach EN 598 [1] mit längskraftschlüssiger BLS® - Steckmuffen- Verbindung und Wanddickenklasse K 9 zum Einsatz.
3 Durchführung
Zur erfolgreichen Durchführung eines solch anspruchsvollen Bauvorhabens sind folgende Randbedingungen zu beachten:
- präzise Planung unter Berücksichtigung sämtlicher Einflussgrößen,
- Durchführung eines gewissenhaften Genehmigungsverfahrens unter Beteiligung aller Medienträger sowie eine fortwährende zeitnahe Kommunikation mit diesen und allen weiteren Betroffenen und Beteiligten,
- exakte Ausschreibung hinsichtlich der Materialien, des Verfahrens und der ausführenden Baufirma,
- Auswahl einer kompetenten, erfahrenen Baufirma unter Berücksichtigung entsprechender Referenzen und wirtschaftlicher Kriterien im Rahmen des gesteckten Zeitplanes,
- konsequente Bauüberwachung der Maßnahme und ihrer Randbedingungen einschließlich Abnahme und Dokumentation.
Für die Berliner Wasserbetriebe eine Selbstverständlichkeit und Tagesgeschäft. Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit, auch bei Sonder- und Spezialbaumaßnahmen, erhielt das Berliner Bauunternehmen Beton & Rohrbau 2.0 GmbH mit seinen überzeugenden Referenzen den Auftrag.
3.1 Bemannter Schildvortrieb der Schutzrohrstrecke
Die Arbeiten begannen mit dem Abteufen der Start- und Zielschächte bis auf 14 m Tiefe, komplett im Grundwasser mittels Bohrpfahlwänden aus wasserdichtem Beton (Bild 3). Die Bohrpfahlwände mussten wasserdicht sein, dem enormen Erd- und Wasserdruck standhalten und die Kräfte der Vortriebsmaschine aufnehmen. Aus statischen Gründen wurde für die Start- und Montagegrube ein ellipsenförmiger Grundriss mit der längeren Achse in Vortriebsrichtung gewählt.
Dieser Grundriss war bei der Einrichtung der Vortriebsmaschine und auch bei der Montage der Medienrohre von Vorteil. Zum Schluss wurden die Sohlen wasserdicht betoniert.
Zur Unterstützung aller Arbeiten wurde über dem Start- und Montageschacht eine Kranbahn aufgebaut, mit der alle Maschinen, Rohre und Zubehör sicher in die Grube abgesenkt werden konnten.
Nach Montage der Maschine für den bemannten Schildvortrieb wurde die Bohrpfahlwand in Vortriebsrichtung geöffnet und abgedichtet.
Der kontinuierliche bemannte Vortrieb ist unumgänglich, wenn man tief im Grundwasser einen gesteuerten gekrümmten Vortrieb ausführen will, zumal mit eiszeitlichen Bodeneinschlüssen (Findlingen) zu rechnen ist.
Beim bemannten Vortrieb befinden sich zwei Arbeiter in einer Abraumkammer hinter dem Vortriebsschild und steuern den Vortrieb. Der abgebaute Boden wird über Rohrleitungen über Tage gefördert. Hindernisse, wie große Steine/Findlinge werden von Hand entnommen, größere Brocken werden vor Ort zerkleinert. Zur Vermeidung eines Grundwassereintritts herrscht in der Abraumkammer erhöhter Luftdruck. Die Männer arbeiten unter diesem erhöhten Luftdruck und müssen daher vor und nach der Arbeit die in der Maschine eingebaute Druckschleuse passieren (Bild 4). Wie beim Tauchen müssen sie sich zum Druckausgleich eine bestimmte Zeit in der Druckschleuse aufhalten.
Ohne diesen Überdruck würden die Vortriebsstrecke und der Startschacht geflutet werden. Zwischen den Stahlbeton-Vortriebsrohren und der Bohrpfahlwand ist eine aufwändige Abdichtung erforderlich. Der Vortriebsschild und die Druckschleuse werden durch die Vortriebsrohrsegmente aus der Startgrube heraus entsprechend dem Abraumfortschritt weiter vorgeschoben.
Höhepunkt ist stets das zielgenaue Erreichen der Zielgrube und das Öffnen der Bohrpfahlwand. Dies hat hier vorbildlich geklappt.
3.2 Einbau der duktilen Gussrohre
Um beide Rohre übereinander einziehen zu können, waren folgende Parameter zu berücksichtigen:
- Unabhängig vom Verfahren (Einschieben oder Einziehen) ist in einer Kurve die horizontale Lage des Rohrstrangs zu sichern, damit die Rohre nicht in die Kurve hineingezogen oder aus der Kurve herausgedrückt werden.
- Beim anschließenden Verdämmen des Schutzrohres muss auch die vertikale Lagesicherung bedacht werden.
- Die Vorzugsrichtung bei längskraftschlüssigen Rohren ist immer das Einziehen, weil hier schon während des Arbeitsvorgangs die Steckmuffen-Verbindungen gereckt und verriegelt werden.
Daher wurde auf der Mantelrohrstrecke im Sohlbereich des Innenradius eine U-Schiene angeordnet, in der dann die mit Rollen versehenen Rohrschellengerüste geführt wurden. Auch am inneren Kämpfer des Schutzrohres stützte sich der Rohrstrang über Rollen an den Schellen ab, damit er beim Einzug nicht umkippen konnte. Rohrschellen auf den Gerüsten nahmen die Rohre auf und sorgten für den reibungslosen geführten Einzug. Die Gerüste hatten keine Verbindung untereinander. Die Einzugskräfte wurden nur über die längskraftschlüssigen Steckmuffen-Verbindungen der Rohre übertragen.
Die BLS®-Steckmuffen-Verbindung zeichnet sich durch ihre Montagefreundlichkeit und die hohe zulässige Zugkraft, selbst bei abgewinkeltem Einbau, aus. Deshalb hat sich die BLS®-Steckmuffen-Verbindung bei allen Einbauverfahren und Hochdruckanwendungen bestens bewährt.
Die Längskraftschlüssigkeit wird dabei folgendermaßen erreicht: Das Einsteckende des Rohres ist über dem Rohrumfang mit einer werkseitig aufgetragenen Schweißraupe ausgestattet, die durch Ihre Wurzel fest und tief in der Rohrwand verankert ist. Im Muffenprofil ist eine (Schubsicherungs-) Kammer mit zwei „Fenstern“ an der Muffenstirn angeordnet.
Nach dem Zusammenstecken von Spitzende und Muffe werden durch diese Fenster die gusseisernen Verriegelungssegmente eingeführt und über den Rohrumfang verteilt. Ebenso einfach wie die Montage ist auch die Demontage: nach Entnahme der Verriegelungssegmente lassen sich die Verbindungen wieder leicht lösen, z.B. beim Abbau der Formstücke nach der Druckprüfung oder bei der Demontage der Ziehköpfe; hier besitzt das BLS®-System deutliche Vorteile gegenüber anderen Systemen.
An den jeweils ersten Rohren wurden Zugköpfe auf die Spitzenden (ebenfalls System BLS®) montiert (Bild 5). Die Zugkräfte werden durch eine Zugkopfgestängekonstruktion aufgenommen. Die mögliche Zugbelastung von 86 t bzw. 120 t bei einer zulässigen Abwinkelung von 2° bzw. 3° sind vom Hersteller garantiert, wurden aber bei diesem Vorhaben mit lediglich 5 t bei weitem nicht ausgeschöpft, was eine erhöhte Sicherheit bedeutet. Durch die Zuggestängekonstruktion ist die ausbalancierte Übertragung der Zugkräfte auf beide Rohrstränge sichergestellt. Die Konstruktion wurde mittels Zugseil gezogen. Das Rohr DN 600 lag dabei unter dem Rohr DN 500 (Bild 6).
Wichtig war auch die Einhaltung gleicher Rohrlängen, damit die als Gelenk wirkenden Muffen-Verbindungen immer direkt übereinanderlagen. Die Rohre wurden bündelweise auf der Schellenkonstruktion fixiert, dann montiert, gereckt/verriegelt und festgeschraubt (Bild 7). Die Verbindungen sind mit Schrumpfmanschetten umhüllt, weil der Ringraum des Schutzrohres später verfüllt/ verdämmert wird.
Für den Abschluss bzw. den Flanschübergang in den Schächten lieferte der Rohrhersteller die passenden Formstücke im BLS®-System (F- und EU-Stücke, [2]) und auch die Zugköpfe.
Während der Montage der Zugköpfe und der ersten Rohrverbindungen wurde die Baufirma durch einen Techniker des Rohrherstellers unterstützt, ebenso wie beim Aufbringen der Schweißraupen auf den an der Baustelle gekürzten Rohren (Bild 8).
Nach erfolgreich bestandener Druckprüfung und Kamerabefahrung wurden die Schachtsohlen mit Beton teilverfüllt; damit dienten sie zugleich als Widerlager für die aufsteigenden Dükeräste.
4 Schlussbetrachtungen
Die immer dichter verflochtene Infrastruktur der heutigen Städte erfordert, um allen Aspekten der Nachhaltigkeit gerecht zu werden, ein neues Denken hinsichtlich Ausnutzung des Bauraums und Anwendung neuer moderner Bauverfahren. Zur wirtschaftlichen Begründung anspruchsvoller Bauvorhaben ist stets eine möglichst lange betriebssichere und störungsfreie Nutzungsdauer anzustreben. Die wünschenswerte Kompetenzkette besteht aus
- ausgezeichneter umsichtiger Planung und Vorbereitung,
- kompetenter Baudurchführung durch eine erfahrene Fachfirma,
- erfahrener Bauüberwachung und
- langlebigem Material mit hohen Sicherheitsreserven.
Literatur
Autoren
Technischer Leiter
Fax: +49 3375 515197
Internet: http://www.rakw.de/
Lutz Rau
Vertriebsmanager Berlin/Brandenburg/Vorpommern
Mobil: +49 172 7221175
Internet: https://www.duktus.com/
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