Böse Falle für Unternehmer

23.04.2009

Betriebssicherheitsverordnung nicht bekannt oder ein Buch mit 7 Siegeln: Wer eine große Baumaschine im Wert von ca. 200.000 Euro kauft und glaubt er habe ein sicheres Produkt erworben, dass er so in Betrieb nehmen kann, der geht ein unkalkulierbares Risiko ein, insbesondere wenn es zu einem Unfall kommt.

Wer sich einen Pkw kauft, überlegt sich, welches Auto geeignet ist, welche Farbe es haben soll und welches Zubehör er gerne hätte. Über eines macht er sich wenig oder gar keine Gedanken: über die Sicherheit. Ein Auto, das man heute kauft, ist sicher. Selbst neueste Technik, von der man nicht einmal weiß, dass es sie gibt, ist häufig Standard. ABS und viele Airbags, sogar serienmäßige Knieairbags für die Vornsitzenden sind vorhanden. EPS und ASR, Nachtsichtassistent, Spurhalteassistent und Scheinwerfer, welche sich mittels einer Kamera kontinuierlich der Verkehrssituation anpassen und sogar Verkehrszeichen erkennen sind möglich. Es gibt sogar einen serienmäßigen Müdigkeitssensor. Ein "Attention-Assist" erfasst auf Grundlage von 70 Parametern, wie aufmerksam der Fahrer noch unterwegs ist. Zudem überwachen neue Radarsensoren den so genannten toten Winkel, also den für den Fahrer uneinsehbaren Bereich schräg hinter dem Fahrzeug.
Ganz anders sieht es aus, wenn man sich beispielsweise einen neuen Bagger kauft. Auch hier geht der Käufer davon aus, neueste Technik zu erwerben. "Da ist alles drum und dran. Manches ist zwar Zubehör, aber was dran sein muss, ist dran". Diese Maschine entspricht den neuesten Sicherheitsvorschriften. Sie ist BG geprüft und trägt das CE-Zeichen. Der Käufer denkt, "diese Maschine ist sicher, die kann ich sofort einsetzen". In Wirklichkeit entspricht sie meistens nicht einmal den gesetzlichen Mindestvorschriften und dürfte gar nicht in Betrieb genommen werden. Eine BG-Prüfung ist nicht vorgeschrieben und das CE Zeichen heißt nicht, dass die Maschine geprüft ist. Ein Irrtum, der fatale Kosten für den Betreiber bedeuten und für Menschen tödlich enden kann.
CE-Kennzeichen ist kein Gütesiegel
"Bei den CE-Kennzeichen handelt es sich um eine Eigenerklärung des Herstellers, mit dem dieser die Konformität des Produkts mit geltenden europäischen Richtlinien bestätigt. Das CE-Kennzeichen ist kein Qualitätskennzeichen, sondern eine Art Warenpass. Es signalisiert weder eine besondere Sicherheit noch eine Qualität des Produkts, sondern stellt eine schlichte Behauptung des Herstellers dar," so das Landgericht Stendal in seiner Urteilsbegründung. (Urteil vom 13.11.2008, Az. 31 O 50/08). Die Wettbewerbszentrale hatte ein Unternehmen, das Arbeitshandschuhe mit dem Hinweis "CE-geprüft" bewarb, auf Unterlassung wegen irreführender Werbung in Anspruch genommen.
Unternehmer muss Maschine laut Betriebssicherheitsverordnung prüfen
Der Unternehmer kann sich keine Maschine kaufen und diese ohne weiteres in Betrieb nehmen. Ob die Maschine sicher ist und den Vorschriften entspricht, muss er selbst prüfen. Er muss sogar selbst überprüfen, ob das CE Zeichen zu Recht angebracht ist.
§ 4 Abs. 3 der BetrSichV (Betriebssicherheitsverordnung) stellt klar, dass der Arbeitgeber sich davon überzeugen muss, dass ein Arbeitsmittel den rechtlichen Anforderungen der Verordnung entspricht, bevor er dieses seinen Beschäftigten zur Benutzung zur Verfügung stellt. Deshalb kommt der Arbeitgeber nicht umhin, ein Arbeitsmittel, das er neu oder gebraucht kauft, einer Abnahme zu unterziehen. Eine Abnahme im Sinne der BetrSichV heißt, zu prüfen, ob die CE-Kennzeichnung zu Recht angebracht wurde.
In "§ 7 Anforderungen an die Beschaffenheit der Arbeitsmittel" heißt es:
(1) Der Arbeitgeber darf den Beschäftigten erstmalig nur Arbeitsmittel bereitstellen, die
1. solchen Rechtsvorschriften entsprechen, durch die Gemeinschaftsrichtlinien in deutsches Recht umgesetzt werden, oder,
2. wenn solche Rechtsvorschriften keine Anwendung finden, den sonstigen Rechtsvorschriften entsprechen, mindestens jedoch den Vorschriften des Anhangs I der Maschinenrichtline (MRL).
Baumaschinen, insbesondere Bagger und Radlader, die nach hinten keine ausreichende Sicht haben und an denen keine technischen Sichtverbesserungen nach Anhang I der MRL angebracht wurden, dürfen gar nicht erst in Betrieb genommen werden. In letzter Zeit hat es erheblich viele Unfälle durch Sichteinschränkungen gegeben. Hierbei waren auch eine Reihe von Todesopfern zu beklagen.
Radarsysteme, wie sie bei neuen PKWs längst Standard sind, werden seit über 10 Jahren von den Berufsgenossenschaften insbesondere der Steinbruch-BG empfohlen und sogar finanziell bezuschusst. Das gleiche gilt für Kamera/Monitorsysteme. Die Vorschriften sagen ganz klar aus, dass bei Sichteinschränkungen für den Fahrer technische Maßnahmen anzubauen sind. Trotzdem sind die meisten Maschinen bei Rückwärtsfahrten - und das macht oft 50 % ihrer Betriebszeit aus - im Blindflug unterwegs, weil technische Hilfsmittel fehlen.
Wenn sich später bei einer Revision durch die Berufsgenossenschaft oder einer Behörde herausstellt, dass eine Maschine solche Mängel aufweist, hat der Arbeitgeber das Problem, dass er die Mängel an der Maschine selbst beheben und bezahlen muss.
Mängel müssen, sofern man sie beim Hersteller reklamieren will, schnell angezeigt werden. Man muss die Maschine auf Mängel prüfen. Deshalb muss der Besteller/Käufer der Maschine die Maschinenrichtlinie kennen. Er muss wissen, welche Sicherheitsanforderungen zu überprüfen sind. Grundlage für die Überprüfung sind die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen des Anhang I der Maschinenrichtlinie. Der Besteller/Käufer ist also gezwungen die Maschine einer Abnahme unterziehen. Unterlässt er dies, kann er sich später ggf. nicht auf seine Unkenntnis berufen.
Wenn ein Maschinenhersteller an einen Unternehmer eine Maschine verkauft, so ist das ein so genanntes Handelsgeschäft, dass nicht nur dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) , sondern vorrangig dem Handelsgesetzbuch (HGB) unterliegt. Hier heißt es in § 377 Abs. 1: "Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach Ablieferung durch den Verkäufer, soweit das nach ordnungsgemäßen Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen". Ähnliches gilt auch, wenn es sich um einen ausländischen Hersteller oder Verkäufer handelt und statt des deutschen HGB das UN-Kaufrecht gilt, in dem es in Art. 39 Abs. 1 heißt: "Der Käufer verliert das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet".
Sind an einer Maschine erhebliche Mängel vorhanden, so können die Folgen einschneidend sein. Nicht EG-konforme Arbeitsmittel, welche gravierende Mängel aufweisen, wird die Aufsichtsbehörde bis zur deren Behebung stilllegen. Für die Behörde ist es unerheblich, ob der Hersteller den Mangel an dem Arbeitsmittel zu verantworten hat. Die Maßnahmen der Arbeitsschutzbehörden richten sich in jedem Fall gegen den Arbeitgeber. Er muss sich privatrechtlich mit dem Hersteller auseinandersetzen, damit dieser die Maschine nachrüstet. Zusätzlich kommen Stillstandskosten und ggf. Mietkosten für Ersatzmaschinen auf ihn zu.
Das Risiko, eine Maschine zu kaufen, ohne sie selbst einer Prüfung zu unterziehen, ist ein unkalkulierbares Risiko, dass kein Unternehmer eingehen sollte.
Sollte durch Sichteinschränkung ein Unfall passieren und ein Mensch überrollt werden, dann muss der Betreiber damit rechen, dass man ihm eine Mitschuld wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung vorwirft, weil er eine Maschine in Betrieb genommen hat, die nicht den Vorschriften entspricht.
Unterstützung durch die Fachkräfte für Arbeitssicherheit
Verantwortlich für die Umsetzung der Anforderungen aus der Betriebssicherheitsverordnung ist der Arbeitgeber oder sein Delegierter bzw. der Betreiber der überwachungsbedürftigen Anlagen. Insbesondere bei der Beschaffung von Arbeitsmitteln und bei der Erstellung der Gefährdungsanalyse/sicherheitstechnischen Bewertung haben die Fachkräfte für Arbeitssicherheit nach § 6 Arbeitssicherheitsgesetz mitzuwirken. Sie sind aber nach dem Gesetz in ihren Aufgaben nicht an die Weisungen des Arbeitgebers gebunden und somit nicht "Erfüllungsgehilfe" bei der Abnahme von Maschinen. Diese muss durch den Arbeitgeber oder dessen Beauftragten erfolgen.
Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit ist für die Beratung des Arbeitgebers bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung sowie der menschengerechten Gestaltung der Arbeit zuständig. Auf diese Unterstützung sollte kein Arbeitgeber verzichten.

Kontakt

Rudi Clemens (Arbeitsgemeinschaft Gesunde Bauarbeit)

52538 Gangelt-Birgden

Telefon:

01520 983 5149

Fax:

01805 060 347 833 94

E-Mail:

clemens@gesunde-bauarbeit.de

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