Allgemeines
Die Reinigung von Kanalisationen ist ein wesentlicher Bestandteil der Wartung.
Sie wird durchgeführt:
- zur Beseitigung von Ablagerungen im Rahmen der regelmäßigen Wartung, um den freien Durchgang im gesamten Abflußquerschnitt zu erhalten, Geruchs- und Gasbildung durch Faulprozesse und die Entstehung Biogener Schwefelsäure-Korrosion zu verhindern,
- zur Beseitigung von Verstopfungen,
- als vorbereitende Maßnahme für eine Kanalinspektion.
Neben den o.a. Anwendungen im Rahmen der Wartung dient die Reinigung auch als vorbereitende Maßnahme für eine Sanierung. Dabei ergeben sich noch zusätzliche Aufgaben, wie z.B. intensive Reinigung der Innenwandung, Entfernung von Korrosionsprodukten, einragenden Anschlußleitungen und -kanälen oder anderen künstlichen Abflußhindernissen (Abschnitt 2.3.1) .
Bei allen Maßnahmen der Reinigung werden vorhandene Ablagerungen zunächst gelöst, zu einem Übergabepunkt, z.B. Schacht, transportiert, dort aufgenommen, ggfs. entwässert und entsorgt [Stein98c] [NASSCO89a] [SIA190] [Sulli77] [TASiedl99] .
Die bei der Kanalreinigung anfallenden Rückstände besteht aus:
- mineralischen Bestandteilen (z.B. Sand, Steine),
- organischen Bestandteilen (z.B. Nahrungsmittelreste, Kunststoffe, Papier) und
- anderen Stoffen (z.B. Dosen, Scherben).
Dieses heterogene Gemisch weist einen Trockenrückstand von ca. 40 % auf. Der organische Anteil am Trockenrückstand beträgt zwischen 10 % und 40 % [Schüß95] .
Besonders stabile Ablagerungen zeichnen sich durch die Mischung mineralischer Feststoffe mit angefaulter organischer Materie sowie durch einen nicht gleichkörnigen Aufbau aus. Tests haben gezeigt, daß verfestigte Ablagerungen das gleiche mechanische Verhalten aufweisen können, wie Ton mit guten kohäsiven Eigenschaften (schwieriges Räumgut).
Sedimentationen, die nur aus relativ gleichkörnigem Sand bestehen, lassen sich in der Regel leicht ausspülen, da ihnen die organischen Stoffe fehlen, die für den inneren Zusammenhalt der Ablagerungen sorgen. Umgekehrt kann sich eine Ablagerung, die nur aus organischen Stoffen besteht, nicht verfestigen, da ihr die schweren mineralischen Partikel fehlen, welche für die Verdichtung der Ablagerung sorgen [Mülle95] .
Die Beseitigung von Rückständen aus der Kanalreinigung sollte nach DIN EN 752-7 [DINEN752-7] die umweltrelevanten Auswirkungen berücksichtigen und in Abstimmung mit der zuständigen Stelle erfolgen (s. Abschn. 12 in DIN EN 752-4 [DINEN752-4] ).
Nach TA Siedlungsabfall Abs. 5.2.9. [TASiedl99] ist "eine Aufbereitung und Verwertung der Rückstände (Sandfang- und Fettabscheiderrückstände, Rechengut, Rückstände aus Siel-, Kanalisation- und Gullyreinigung) anzustreben. Soweit dies nicht möglich ist, sind diese Abfälle der weiteren Entsorgung zuzuführen."
Eine Deponierung ist danach zukünftig nur noch bei organischen Anteilen des Trockenrückstandes (gemessen als Glühverlust) von weniger als 3 bzw. 5 Gew.-% zulässig. Alle Abfälle, die diese Werte nicht erfüllen, müssen vor der Deponierung erst verbrannt werden, um die geforderten Grenzwerte zu unterschreiten. Die Übergangsfristen für das Inkrafttreten dieser Regelung werden von den zuständigen Abfallbehörden festgelegt.
Die Genehmigung der Entsorgung erfolgt nach der
- "Bestimmungsverordnung überwachungsbedürftiger Abfälle zur Verwertung" [BestüVAbV96] und der
- "Verordnung über Verwertungs- und Beseitigungsnachweise" [NachwV96]
mit Hilfe vereinfachter Nachweise. Diese sind als Kopie auf den Fahrzeugen mitzuführen. Im Rahmen der Genehmigung ist durch entsprechende Analysen die Einhaltung der für den jeweiligen Beseitigungs- oder Verwertungsweg vorgeschriebenen Grenzwerte nachzuweisen.
Für die Durchführung der Kanalreinigung gibt es derzeit keine technischen Richtlinien, die dem Auftraggeber und dem Anwender Hinweise darauf geben, wann gereinigt werden muß, welches Preis-/ Leistungsverhältnis gerechtfertigt und welcher Energie- bzw. Materialeinsatz für den jeweiligen Zweck notwendig ist.
Bezüglich der Reinigungsintervalle wird in [ATVA147-1] ausgeführt: "Die Häufigkeit der Kanal- und Schachtreinigung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, z.B. der Art des Entwässerungsverfahrens, der Gefälle- und Abflußverhältnisse, der Art der Ablagerungen und den Rückstauverhältnissen. Außerdem sind Auswirkungen auf den Kläranlagenbetrieb oder die Gewässerreinhaltung zu berücksichtigen. Erfahrungsgemäß können Reinigungsintervalle zwischen 2/Jahr und 0,1/Jahr liegen. Bei günstigen Abflußverhältnissen ohne Ablagerungen kann auch ganz auf eine Reinigung verzichtet werden. Bei kleineren Profilen bis etwa DN 800 kann eine gebietsweise Festlegung von Reinigungsintervallen zweckmäßig sein (Systemreinigung ). Bei größeren Profilen empfiehlt es sich, zunächst die Ablagerungshöhe im Kanal zu messen (Abschnitt 4.3.2.2) und danach ein Reinigungsprogramm aufzustellen.
Bei der Systemreinigung kann für die Ermittlung von Betriebskosten folgendes angenommen werden:
Häufigkeit: 0,33/Jahr."
Um auch die Reinigungspläne im Rahmen der Wartungspläne (Abschnitt 3.1) regelmäßig fortschreiben und an veränderte Randbedingungen anpassen zu können, sollten z. B. folgende Reinigungsparameter erfaßt werden:
- Kanaldurchmesser,
- Haltungslänge,
- Schachttiefe,
- Zugänglichkeit der Schächte,
- Abflußhindernisse,
- Schäden,
- gereinigte Strecke,
- Zeitaufwand für die Reinigung,
- Art des Reinigungsfahrzeuges,
- Fahrzeugnummer,
- Personalnummer,
- Rückstauverhältnisse,
- Reinigungsziel.
"Die Reinigungsleistungen sind bei der Vergabe eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. Hierzu sind Informationen über Ablagerungshöhe, -art und -konsistenz, nicht anfahrbare Schächte (Spülschlauchlänge) und zusätzlich zu erwartende Schwierigkeiten (z.B. Verkehrsverhältnisse) im Leistungsverzeichnis aufzunehmen.
Im Leistungsverzeichnis sind die Möglichkeit der Wasserentnahme für die Reinigungsfahrzeuge (Bäche, offene Gewässer, Hydranten usw.) sowie der Verbleib der Rückstände zu regeln. Die durch die Fremdfirma erbrachten Leistungen sind zu überwachen und abzunehmen [ATVAG17397] ."
Beispiele für Leistungsbeschreibungen im Sinne von § 9 VOB Teil A für die Reinigung von Abwasserleitungen und -kanälen sind im Standardleistungsbuch für das Bauwesen [LB309] enthalten (Abschnitt 5.6.3.2) .
Vor Beginn der Reinigungsarbeiten sollte man sich über den baulichen Zustand der jeweiligen Haltung informieren, um eine Schadensausweitung bei bereits vorgeschädigten Kanälen (z.B. Abrieb, Korrosion, Risse, Scherbenbildung, Rohrbruch) bis hin zum Einsturz durch die Reinigung zu verhindern.
Während des Reinigungsvorganges ist das anfallende Spülgut möglichst ständig zu kontrollieren. Größere Anteile sauberer Bodenpartikel und Bruchstücke der Leitung sind Anzeichen starker Beschädigungen, z.B. für Scherbenbildung, Rohrbruch oder Einsturz. In solchen Fällen müssen der Reinigungsprozeß sofort abgebrochen und Sicherungsmaßnahmen veranlaßt werden; zur Fortsetzung der Reinigung ist ein schonenderes Verfahren einzusetzen.
Der Aufwand für die Reinigung ist abhängig von der Art und dem Umfang der nichtverfestigten Ablagerungen (Abschnitt 2.3.2.1) und der Abflußhindernisse sowie vom Reinigungszweck bzw. dem erforderlichen Reinigungsgrad.
Für die Auswahl eines geeigneten Reinigungsverfahrens bzw. -gerätes sind zusätzlich zu berücksichtigen [NASSCO89a] [Sulli77] :
- Zugangsmöglichkeit zum Kanal,
- Überdeckungshöhe,
- Querschnittsform und -abmessungen des Kanals,
- Querschnittsänderungen oder Versatz innerhalb einer Haltung,
- Rohrwerkstoff,
- baulicher Zustand,
- Wetterbedingungen (Regen, Schnee, Frost) insbesondere bei Regen- oder Mischwasserkanälen,
- Verkehrslage.
Die hauptsächlich angewendeten Reinigungsverfahren lassen sich einteilen in [Führb80] :
- Spülverfahren
- Hochdruckspülverfahren (HD-Spülverfahren)
- Mechanische Verfahren
- Sonstige Verfahren
Bei der Reinigung von Kanalisationen sind die entsprechenden Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung und Unfallverhütung (Abschnitt 7.1) sowie die Ausführungen im ATV-A 140 [ATVA140] zu beachten.