Schadensbilder
Gemäß der Definition des ATV-A 127, Abs. 9.1 [ATVA127:1988] bzw. der DIN 4033, Abs. 4.1.10 und 4.1.11 [DIN4033:1979] in Anlehnung an DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] und DIN EN 1295 [DINEN1295] unterscheiden sich biegeweiche Abwasserrohre von biegesteifen Rohren wie folgt:
"Biegesteif sind Rohre, bei denen die Belastung keine wesentlichen Verformungen hervorruft und damit keine Auswirkungen auf die Druckverteilung hat."
"Biegeweich sind Rohre, deren Verformung die Belastung und Druckverteilung wesentlich beeinflußt, da der Boden Bestandteil des Tragsystems ist."
Es sei herausgestellt, daß nach der o.a. Definition die Einordnung als biegesteifes oder biegeweiches Rohr immer im Zusammenhang mit der Bodensteifigkeit gesehen werden muß. Es handelt sich somit um eine Klassifizierung des Gesamtsystems aus Rohr- und Bodensteifigkeit und nicht um eine alleinige Beurteilung der Rohrsteifigkeit.
Um die Abtragung der Lasten als Rohr-Boden-System zu sichern, muß die Rohrsteifigkeit zum einen die gleichmäßige Aktivierung des passiven Erddruckes in der Bettung und zum anderen eine ausreichende Sicherheit gegen Stabilitätsversagen gewährleisten.
In der Berechnung biegeweicher Systeme wird die Aktivierung sog. Bettungsreaktionskräfte berücksichtigt (Bild 2.7.1-1) . Nach [ATVA127:1988] wird hierzu zwischen der Systemsteifigkeit VRB und der Rohrsteifigkeit SR unterschieden, welche beide über die horizontale Bettungsteifigkeit SBh des Bodens gekoppelt sind (s. [ATVA127:1988] ):
Das Rohr-Boden-System wird nach [ATVA127:1988] dann als biegeweiches System betrachtet, d.h. unter Berücksichtigung der Bettungsreaktionskräfte berechnet, wenn gilt VRB ≤ 0,1. Besonderen Einfluß auf die Größe der Systemsteifigkeit haben nach [Hornu89] neben der Rohrsteifigkeit die Bodenart und der Verdichtungsgrad in der Leitungszone. Eine detaillierte Beschreibung der so erfaßten Zusammenhänge gibt [Gaube82] .
Die international bekannten Bemessungsverfahren nutzen im Verformungsnachweis die Annahme einer vertikal- symmetrischen, elliptischen Verformungsfigur (Bild 2.7.1-2) , um die notwendige quantitative Bemessungsgrenze der Verformung an einem einzigen Kennwert δv = ΔD/D ausrichten zu können. Dieser Ansatz ist auch sinnvoll, da bei der Bemessung von einem fachgerechten Einbau und der Eintragung nur der angesetzten Lasten ausgegangen werden muß.
qh = horizontale Bodanspannung am Rohr nach [ATVA127:1988]
SR = Rohrsteifigkeit nach
cv* = Verformungsbeiwert nach [ATVA127:1988]
Untersuchungen zum Verformungsverhalten biegeweicher Rohre wurden in der Vergangenheit insbesondere in den Niederlanden [Gehre82] , Skandinavien [Janso89] und Deutschland [Gaube82] durchgeführt. Sie beschränkten sich allerdings auf die Beobachtung der Vertikal- bzw. Horizontalverformung und berücksichtigten nicht die Verformungsgestalt sowie die Belastungsart und -geschichte der deformierten Leitung.
Ebenso wird in der Zustandsbeurteilung häufig versucht, die bei der Bemessung getroffenen Annahmen zu übertragen. Während man bei der Bemessung biegeweicher Rohre einen Kurz- oder Langzeitgrenzwert der Vertikalverformung ansetzt [ATVA127:1988] , wird bei der Verformungsbeurteilung nahegelegt, aus der Größe der Vertikalverformung Rückschlüsse auf deren Bedeutung zu ziehen. (Formel 2.7.1)
DIN 4033 [DIN4033:1979] bzw. in etwas allgemeinerer Form DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] empfehlen z.B. nach Fertigstellung der Kanalbaumaßnahmen eine Verformungsprüfung der überschütteten Rohrleitungen mit folgender Maßgabe:
"Die vertikale Durchmesseränderung von biegeweichen Rohren darf den in der statischen Berechnung ausgewiesenen Wert der Kurzzeitverformung (… Größtwert 4 %) nicht überschreiten; geringfügige Überschreitungen an einzelnen Punkten können zugelassen werden."
Begründet wird dieses Vorgehen in DIN 4033 [DIN4033:1979] wie folgt:
"Die vertikale Durchmesseränderung ist insbesondere ein Maß für die Qualität der Ausführung des Auflagers und der Einbettung der Rohrleitung. Der zulässige Kurzzeitwert berücksichtigt die jeweiligen Einbaubedingungen sowie den Grenzwert von 6 % für die zulässige Langzeitverformung nach 50 Jahren …; dieser Wert beinhaltet insbesondere eine ausreichende Sicherheit gegen Versagen infolge Instabilität."
Für Vortriebsrohre aus Stahl gelten die in ATV-A 161, Abs. 7.6.3 [ATVA161] , festgelegten Angaben:
"Sofern keine anderen Vorgaben maßgebend sind, kann als zulässig eine Verformung bis 3 % angesetzt werden. Unter Eisenbahnverkehr darf die Verformung den Wert von 2 % nicht überschreiten."
Dieses prinzipielle Vorgehen hatte in der Vergangenheit auch zur Folge, daß die unterschiedlichsten Prozentsätze in Tabellenform [ATVA149] [Roger85] helfen sollten, gute von schlechten Rohrbauwerken zu unterscheiden, und verschiedene Apparaturen zur fortlaufenden Messung der Vertikalverformung (meist in Kombination mit der Horizontalverformung) entwickelt wurden.
Die Berücksichtigung der Verformungsgestalt eines biegeweichen Abwasserkanals wurde bisher meist im Zusammenhang mit der Beurteilung der Randfaserdehnungen bzw. qualitativen Aussagen zur Querschnittsform gesehen. In [Roger88] wird hierzu ein Überblick in Abhängigkeit unterschiedlicher Einbaubedingungen gegeben. Eine Zusammenfassung enthält [Bosse97] .
(Bild 2.7.1-3) , (Bild 2.7.1-4) , (Bild 2.7.1-5) und (Bild 2.7.1-6) zeigen die von Rogers in [Roger88] vorrangig beschriebenen Querschnittsformen mit der von ihm vorgeschlagenen anschaulichen Beschreibung. Neben den Verformungsbildern werden zum Vergleich die qualitativen Dehnungsverteilungen angegeben.
Ähnliche Verformungen, die in situ an PE-HD-Rohren festgestellt wurden [Stein95j] , zeigen die Bilder (Bild 2.7.1-7) , (Bild 2.7.1-8) , (Bild 2.7.1-9) und (Bild 2.7.1-10) .