Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Empirische Lösungsansätze

Wie im (Abschnitt 2.7.1) bereits dargestellt wurde, existieren gegenwärtig für biegeweiche Rohre nur sehr oberflächliche Vorschläge zur Klassifizierung von Verformungen, welche sich i. a. auf den Kennwert δv der Vertikalverformung beschränken und größere als die in der Bemessung angesetzten Verformungen generell als Schaden bewerten (z. B. [ATVA149] ).

Im (Abschnitt 2.7.4) wurden ausführlich die damit verbundenen möglichen Formen der Fehleinschätzung dargelegt, welche jedoch durch die dort vorgeschlagene geometrische Querschnittsanalyse vermieden werden können.

Da nach [Bosse97] eine zeitabhängige Staffelung der Grenzwerte zur Berücksichtigung des viskoelastischen Verformungsverhaltens des Rohr-Boden-Systems allein aufgrund von analytischen Überlegungen nicht möglich ist, soll im folgenden ein Weg zur empirischen Zustandsbeurteilung verformter biegeweicher Abwasserleitungen aufgezeigt werden.

Eine Bewertung übermäßig oder uncharakteristisch verformter Rohre bezüglich ihrer Standsicherheit ist in einfacher und übersichtlicher Form nur möglich, wenn es gelingt, das quantitative und zeitliche Verhalten in einer Form zu beschreiben, welche die Beurteilung anhand einfacher Parameter zuläßt.

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Bild 2.7.8-1: 

Bewertung verformter biegeweicher Rohre (Ablaufschema) nach [Stein98b] [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

Nach [Stein98b] bietet sich z.B. folgender genereller Regelmechanismus an (Bild 2.7.8-1) :

Stimmen die Beobachtungen mit den Erwartungen der Bemessung überein, sollte bei älteren Kanälen davon ausgegangen werden, daß ein den Bemessungsbedingungen entsprechend standsicheres Rohr-Boden-System vorliegt und daher zukünftige Inspektionen innerhalb der allgemein üblichen Intervalle vollkommen ausreichend sind.

Weicht das Verformungsverhalten in Gestalt oder Größe von den aus der Bemessung zu erwartenden Verhältnissen ab, muß davon ausgegangen werden, daß ein nicht bemessungsgerechtes Verhalten des Rohr-Boden-Systems vorliegt. Hieraus kann allerdings weder auf eine ungenügende, noch auf eine ausreichende Standsicherheit geschlossen werden. Es liegt ein Informationsmangel vor, der durch weitere zeitabhängige Messungen ausgeglichen werden muß.

Anhand der Auswertung der zeitabhängigen Messungen sind zwei generelle Aussagen als Beurteilungsergebnis für nicht bemessungsgerecht verlegte Rohre denkbar :

  • Das bestehende System ist standsicher, d.h. während der anzustrebenden Restlebensdauer wird sich die beobachtete Verformung nur unwesentlich in Größe und Charakter verändern. Kontinuierliche Messungen bestätigen das für die Restlebensdauer gutartige Grenzwertverhalten der Verformungsentwicklung. (Kriech-Relaxationsverhalten)
  • Das bestehende System ist in seiner Standsicherheit gefährdet, d.h. kontinuierliche Messungen lassen darauf schließen, daß es innerhalb der anzustrebenden Restlebensdauer zu einer Entwicklung weiterer großer Verformungen und/oder die Stabilitätsgefahr begünstigender Verformungsfiguren kommt. Ein derartiges Verhalten ist insbesondere als Kriechbeulen bekannt und je nach Rohrsteifigkeit und verwendetem Material theoretisch auch unter Außendrücken denkbar, wie sie im Kanalbau vorzufinden sind (s. Stabilitätsnachweis nach ATV-A 127 [ATVA127:1988] ).

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)