Mögliche Schadensfolgen
Die Schadensfolgen beim Auftreten von Rissen in Kanälen werden im wesentlichen beeinflußt von
- Rißform (Längs-, Querriß, Riß von einem Punkt ausgehend bzw. Scherbenbildung)
- Rißtiefe (oberflächlich oder durch die Bauteilwand gehend)
- Rißbreite
- Rohrwerkstoff (bewehrt oder unbewehrt)
- Lage des Risses (im oder über dem wasserführenden Bereich) - Lage der Leitung (im oder über dem Grundwasser)
- Zustand der Bettung (gut verdichtet, aufgelockert oder Hohlräume).
Alle Rißformen, mit Ausnahme der Querrisse, stellen a priori eine Gefährdung der Standsicherheit dar, wobei der Zeitpunkt des totalen Versagens (Einsturz) von einigen der o.a. Einflußfaktoren abhängig ist und somit nicht ohne weiteres vorausgesagt werden kann [Flatt83] [Trott80] .
Unter günstigen Bedingungen, z.B. geringe Rißbreite, fehlendes Grundwasser, gute Bettung, konstante Betriebsbedingungen (keine Überlastung/Überflutung), kann z.B. ein längsgerissenes Rohr noch relativ lange Zeit in einem quasi stabilen Zustand verbleiben. In diesem Fall bildet sich als statisches System ein bodengestützter Viergelenkring aus.
Eine Verformung des Scheitels nach innen geht mit einer Verformung der Kämpfer nach außen einher.
Diese Kämpferverschiebung aktiviert den Bettungsreaktionsdruck des Bodens. Durch die Einsenkung des Scheitels wird eine Belastungsumlagerung vom Bereich über dem Rohr auf die Bereiche neben dem Rohr eingeleitet.
Diese Belastungsumlagerung auf Bereiche neben dem Rohr bewirkt eine Erhöhung des horizontalen Erdruckes und unterstützt die Möglichkeit, durch Aktivierung des Bettungsreaktionsdruckes einen Gleichgewichtszustand zu erreichen, in dem das verformte System aus Rohrviertelsegmenten und Boden dann verharren kann (Bild 2.8.6-1) (Bild 2.8.6-2) (Bild 2.8.6-3).
Untersuchungen an der Ruhr-Universität Bochum [Stein94b] haben ergeben, daß so gerissene Rohre mit intakter Bettung eine Erdauflast tragen können, die in Abhängigkeit der Eingangswerte 2- bis 8-fach höher liegt, als die Bruchlast, die für das Auftreten der Längsrisse in den Viertelspunkten verantwortlich ist.
Für die Bewertung in den Viertelspunkten längsgerissener, unbewehrter, biegesteifer Rohre kommt der Deformation des Querschnitts eine entscheidende Rolle zu.
Nach [Stein93a] ist die Standsicherheit dieser Beton- und Steinzeugrohre gefährdet bei:
- Deformationen > 5 % DN und/oder
- Rißbreiten > s/10.
In allen anderen Fällen, bei denen die Rißufer nicht verschoben sind, d.h. der Gelenkmechanismus erhalten geblieben ist, und Bettungsveränderungen (Bodeneinspülung) nicht zu erwarten sind, müssen unter dem Aspekt der Tragfähigkeit keine Sofortmaßnahmen ergriffen werden.
Den möglichen Deformationsablauf infolge Veränderung der Bettungsbedingungen zeigen (Bild 2.8.6-4) und (Bild 2.8.6-5) . Bei Stahlbetonrohren wird dieser Vorgang durch die Bewehrung solange aufgehalten, bis diese durch Korrosion versagt.
Die Deformationsentwicklung, aber auch die Entstehung eines Rohrbruches können durch Änderung der Betriebsbedingungen, Hochdruckreinigung, Dichtheitsprüfung mit Wasser oder durch kurzzeitige Überlastung/Überflutung gefördert werden.
Bis zur Durchführung der Schadensbehebung sind deshalb im Rahmen der Wartung Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Eventuell muß auf Hochdruckreinigung und Dichtheitsprüfung mit Wasser in den betroffenen Bereichen bis dahin ganz verzichtet werden.
In jedem Fall sind die Inspektionsintervalle zu verkürzen, um einen Überblick über die weitere Schadensentwicklung zu erhalten.
Alle durchgehenden Risse, also auch die Querrisse sowie Rohrbruch, stellen a priori Undichtigkeiten mit den dazugehörigen Schadensfolgen dar (Abschnitt 2.2.1).
Durch die damit verbundenen In- oder Exfiltrationen werden die Bettungsbedingungen des defekten Rohrbereiches verändert, so daß sich Lageabweichungen verbunden mit neuer Rißbildung (Animation 2.8.6-1) oder weitere Deformationen des gerissenen Rohres bis zum Einsturz einstellen können (Bild 2.8.6-6) .
Die bei Rohrbrüchen in den Leitungsquerschnitt hineingefallenen Scherben bilden zusätzlich Abflußhindernisse mit den dazugehörigen Folgen (Abschnitt 2.3.1). Ein Einsturz führt i.a. zur Unterbrechung der Abwasserableitung.
Einstürze mit einer vollständigen Unterbrechung der Abwasserableitung werden relativ schnell von den jeweiligen Einleitern oder Betreibern festgestellt, während bei einer Abflußbehinderung der Kanal u.U. noch lange in Betrieb sein kann, bevor der Schaden bemerkt wird.