Risse, Rohrbruch, Einsturz
Die Schadensart "Risse" tritt überwiegend bei biegesteifen Rohren auf, wobei man zwischen drei Hauptrißformen unterscheidet, welche die Vorstufen für den Rohrbruch und schließlich für den Einsturz eines Kanals bilden können [ATVM143-2:1999] :
- Längsrisse
- Querrisse
- Risse von einem Punkt ausgehend (in manchen Fällen mit Scherbenbildung).
Rißursache und Rißart stehen in einem engen Zusammenhang, wobei die Form eines Risses, seine Abmessungen und sein Verlauf Rückschlüsse auf die Ursachen zulassen. Dabei ist es möglich, daß einerseits eine Ursache mehrere Risse an verschiedenen Stellen zur Folge haben kann und andererseits ein Riß auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden kann.
Wichtige Kriterien, die Hinweise auf die Rißursachen geben, sind [Ruffe81] :
- Zeitliche Rißveränderungen (daraus läßt sich erkennen, ob der Riß bereits zur Ruhe gekommen ist oder noch arbeitet)
- Rißtiefe (Riß nur oberflächlich oder durch das ganze Bauteil verlaufend)
- Rißverlauf (gibt Hinweise auf die Richtung der wirkenden Kraft) und
- gegenseitige Verschiebung der Rißufer (gibt Hinweise auf die Richtung der wirkenden Kraft und Versagensgefahr).
Unabhängig von der Rißart kommen als Ursachen infrage [ATVM143-2:1999] :
- Nichtbeachtung von DIN 4033 [DIN4033:1979] , ATV-A 127 [ATVA127:1988] , ATV-A 139 [ATVA139:1988] , ATV-A 161 [ATVA161] , DIN EN 1610 [DINEN1610:1997]
- Beschädigung der Rohre beim Transport, Lagern, Verlegen, Einbetten, Überschütten oder Verdichten
- Kriegseinwirkungen.
Rißbildungen stellen in jedem Fall einen Schaden dar mit Ausnahme einiger Rißtypen bei Beton- und Stahlbetonrohren.
So sind beispielsweise nach DIN 4032 [DIN4032:1981] kleine Kerben an der Oberfläche oder unregelmäßig verlaufende, spinnennetzartige Schwindrisse für den Gebrauchswert der Betonrohre ohne Belang.
Dies gilt auch für Stahlbetonrohre nach DIN 4035 [DIN4035] , wobei hier noch zusätzlich Risse mit einer Rißweite unter 0,2 mm zugelassen werden. Bei zementmörtelausgekleideten Guß- und Stahlrohren gelten nach DIN 2614 [DIN2614:1990] sogar Risse in der Zementmörtelauskleidung bis zu einer Breite von 1,5 mm als zulässig. In den Merkblättern des Deutschen Beton-Vereins [DBV91] bzw. des DVGW [DVGW88] wird die zulässige Rißbreite für Trennrisse mit w = 0,15 mm [DBV91] bzw. w = 0,20 mm [DVGW88] vorgegeben.
Bei zementgebundenen Werkstoffen geht man offensichtlich davon aus, daß sich Risse bis zu 0,2 mm Breite bei eindringendem oder durchsickerndem Wasser durch Nachhydratation der Zementteilchen oder durch Sintervorgänge selbsttätig und kraftschlüssig schließen [Mater82] [Mölle67] [Schäp86] [Manne77] .
Diesen Vorgang der "Selbstheilung" oder "Nachsinterung" berücksichtigt auch DIN 4033, Abs. 9.2.2.4 [DIN4033:1979] im Rahmen der Dichtheitsprüfung, wenn die dafür notwendige Zeit zur Verfügung steht und die Rohrleitung dabei bis zum Rohrscheitel gefüllt gehalten wird.
Eine zusammenfassende Darstellung des gegenwärtigen Wissensstandes zu diesen Vorgängen enthält [Stein95c].
Die Selbstheilung von Rissen in Beton- und Stahlbetonrohren ist ein chemisch-physikalischer Vorgang, bei dem das Zusammenwirken von durchströmendem Wasser und beteiligten Medien zu einer Abdichtung des Risses führt. Sie läßt sich bei sichtbaren Bauwerksteilen an einem Rückgang der Durchfeuchtung und in der Regel an weißen Kalkfahnen oder -narben an der abgetrockneten Betonoberfläche erkennen.
Erst in neuester Zeit wurden Erkenntnisse gewonnen, welche die wesentlichen Ursachen dieses Phänomens wissenschaftlich erklären.
Die wichtigsten Faktoren sind hierbei nach [Trost89] :
- Zusetzen des Risses durch feste Inhaltsstoffe des Wassers,
- Zusetzen des Risses durch die bei der Rißbildung abgeplatzten Betonteile,
- Bildung von Kalziumkarbonat,
- Hydratation des Zementsteins,
- Quellen des Betons an den Rißflanken.
Der Anteil dieser Einflußfaktoren an der Selbstheilung wird derzeit in der Literatur noch kontrovers diskutiert, da die bisher durchgeführten Untersuchungen diesbezüglich keine klaren Aussagen ermöglichen. Sie bestätigen allerdings die Anwendungsmöglichkeit einer gezielten Selbstheilung unter der Voraussetzung, daß der Vorgang selbst und die chemisch-physikalischen Prozesse soweit bekannt sind, daß sie unter realen Bedingungen ausgelöst werden können.
Der Verlauf einer für den Selbstheilungsprozeß typischen Durchflußkurve ist im (Bild 2.8-1) exemplarisch dargestellt [Meich92] .
Er wird durch einen stark abfallenden Kurvenverlauf zu Beginn des Durchflusses und einen anschließend sich asymptotisch an die Zeitachse nähernden Kurventeil gekennzeichnet. Der Durchfluß erfährt hierbei eine deutliche Reduzierung. In einigen Fällen führt der Selbstheilungsprozeß zu einer völligen Abdichtung des Risses [Clear82] .