Ermittlung von Korrosionsgeschwindigkeit und Abtragsraten
Zur Abschätzung der Korrosionsraten an zementgebundenen Rohren infolge der Biogenen Schwefelsäure-Korrosion gibt es einige Erfahrungswerte und Modelle, die teilweise jedoch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen [Lohse95] :
- Bei einem Beton mit quarzitischen Zuschlagsstoffen und einem pH-Wert kleiner 6,5 auf der feuchten Betonoberfläche kann je nach pH-Wert mit einem Korrosionsabtrag von 3 - 6 mm pro Jahr gerechnet werden [Biele87b] [Thist79] .
- Die Korrosionsgeschwindigkeit ist nach [Klose80] von der Betonzusammensetzung und den verbleibenden Korrosionsprodukten abhängig und beträgt im Mittel maximal 3 mm/Jahr im Gasraum bei kreisrunden Rohren.
Gleichungen zur Berechnung der Abtragsraten aufgrund von Biogener Schwefelsäure-Korrosion haben Pomeroy und Thistlethwayte [Pomer74] [Pomer80] [Thist79] erstellt. Die von ihnen verwendeten Kriterien und Gleichungen zur Abschätzung der kennzeichnenden Größen sind zum Teil für erheblich andere äußere Bedingungen entwickelt und abgeleitet worden.
Es hat sich aber gezeigt, daß sie auch auf die Betriebsverhältnisse eines Kanalnetzes in Mitteleuropa übertragen und somit hier angewendet werden können [Biele87b] .
Die Abschätzung der Biogenen Schwefelsäure-Korrosion in Abwasserkanälen und -leitungen aus zementgebundenen Werkstoffen ist von Schremmer [Biele87b] [Schre80] [Schre90] auf der Grundlage der oben angeführten Arbeiten anschaulich aufbereitet worden und wird nachfolgend dargestellt.
Die Entstehung und Auswirkungen der Biogenen Schwefelsäure-Korrosion sind abhängig von der Hydraulik, der Geometrie und der biologischen Situation in der Rohrleitung.
Aus Eingangsgrößen, die die Eigenschaften zementgebundener Rohrwerkstoffe, des Fließzustandes und des Abwassers beschreiben, wird nach der Überprüfung zweier Grenzwerte (Z-Index für gelöste Sulfide und min v) eine zu erwartende Korrosionsrate in mm/Jahr berechnet.
(Tabelle 2.6.3.2.3-1) zeigt die Grenzwerte für einen ablagerungsfreien Betrieb in Abhängigkeit der Nennweite DN. Die aufgeführten Werte vcrit und Jcrit beziehen sich auf eine Halbfüllung.
Die Auswertung des "effektiven BSB5 " = EBSB aus (Formel 2.6.3.2.3) erfolgt in (Tabelle 2.6.3.2.3-2) .
BSB5 = Biologischer Sauerstoffbedarf in mg/l. Der durchschnittliche BSB5-Wert für kommunales Abwasser beträgt 350 mg/l [Schre90].
T = Abwassertemperatur in °C.
J = Leitungsgefälle.
Q = Abflußmenge in l/s.
U/bt = Verhältnis der benetzten Oberfläche das Kanals zur Wasserspiegelbreite. Für eine Halbfüllung gilt: U/bt = π/2
Der Z-Index ist nach Pomeroy gemäß (Tabelle 2.6.3.2.3-3) zu bewerten [Schre90] .
Z−Index | zu erwartende Verhältnisse |
---|---|
Z unter 5000 | Sulfide kaum oder nur in sehr geringen Konzentrationen vorhanden |
Z um 7500 | Spitzenwerte von wenigen 1⁄10 mg S⁄l können auftreten. Leichte Angriffe bei zementgebundenen Werkstoffen. Stärkere Angriffe an Stellen mit großer Turbulenz. |
Z um 10000 | Sulfide können zeitweise in größeren Konzentrationen auftreten, die auch zu Geruchsbelästigungen führen. Mit stärkeren Korrosionen, besonders im Bereich mit hoher Turbulenz, ist zu rechnen. |
Z um 15000 | Sulfid−Bildung und Geruchsbelästigung treten verstärkt auf. Rasch fortschreitende Korrosion bei zementgebundenen Werkstoffen. |
Z über 25000 | Gelöste Sulfide sind fast ständig vorhanden. Kleinere Betonrohre können innerhalb von 5−10 Jahren zerstört werden. |
Es muß hervorgehoben werden, daß der Z-Index grundsätzlich zunächst nur eine Aussage darüber erlaubt, ob aufgrund der im Planungstadium bekannten Verhältnisse eine Sulfid-(H2S)-Bildung und damit mögliche Gefahren infolge der Biogenen Schwefelsäure-Korrosion vorliegen können.
Ab etwa Z = 5000 müssen weitere Berechnungen durchgeführt werden, da die H2S-Bildung naturgemäß auch eine Frage der Kanallänge ist [Schre90] .
Für Kanäle, bei denen anfangs noch keine Sulfide im Abwasser vorhanden sind, kann die Sulfidbildung pro Stunde nach (Formel 2.6.3.2.3) von Pomeroy und Parkhurst [Pomer74] [Pomer77] ermittelt werden.
R = Hydrauilscher Radius in m (A/U)
J = absolutes Gefälle
v = Fließgeschwindigkeit in m/s
dm = Durchschnittstiefe in m (A/bt)
Nach einer Zeit erreicht die Sulfidmenge einen Grenzwert (Formel 2.6.3.2.3) , bei dem die Sulfidverluste gleich dem Sulfidzuwachs sind.
Mit dem Wert für (S)lim läßt sich die Länge des Kanalabschnitts errechnen, ab der mit dem Auftreten von 1 mg S/l im Abwasser und damit mit dem Beginn einer Biogenen Schwefelsäure-Korrosion zu rechnen ist [Schre90] .
Aufgrund der Fließgeschwindigkeit ergibt sich die Kanallänge. Der Sulfidgehalt am Ende der Kanalstrecke, ohne Berücksichtigung der Verluste an gasförmig entwichenem H2S, bestimmt sich zu:
Einen Anhaltspunkt über die ungefähre Korrosionsgeschwindigkeit liefert die nachfolgende Gleichung von Pomeroy [IWL94] [Führb82] [Richa79] :
k = Korrekturfaktor. Die Abhängigkeit des Ausmaßes, mit der die Schwefelsäure mit dem Zementstein des Betons reagiert, erfaßt der Korrekturfaktor k. Für gemäßigtes, europäisches Klima kann k = 0,8 gesetzt werden.
A = Alkalität des Betons, ausgedrückt als CaCO3 -Äquivalent. Bei Betonrohren, die mit quarzitischen Zuschlägen hergestellt wurden, liegt die "Alkalität" im Durchschnitt bei 16 %. Für eine Alkalität, die zwischen ca. 50 % bei Asbestzementrohren und 100 % bei Rohren mit Kalksteinzuschlag [Schre80] [Schre90] liegt, ist die Formel nicht anwendbar.
ØSW = Übergang des H2S (als S in g/m2h) aus der Kanalatmosphäre auf die Rohrwandung.
Die Ermittlung des Wertes erfolgt mit nachfolgender Gleichung:
v = Fließgeschwindigkeit in m/s.
j = j-Faktor. Der pH-Wert-abhängige Faktor für das Verhältnis des H2S-Anteils zum Gesamtgehalt an gelösten Sulfiden ist in (Tabelle 2.6.3.2.3-4) dargestellt.
bt/U = Verhältnis der Wasserspiegelbreite zur H2S ausgesetzten Oberfläche des Kanals.
DS = Gesamtgehalt an gelösten Sulfiden in mg S/l.
Eine Zusammenfassung der Prüfungen und Beurteilungen ist in (Tabelle 2.6.3.2.3-4) aufgeführt.
Stufe der Behandlung | Form des Entstehens der BSK | ||
---|---|---|---|
Autogen | Allogen | Exogen | |
Allgemeine Prüfung auf Gefährdung |
Z−Formel min v prüfen |
Grundsätzlich gegeben; bei Druckrohrleitung besondere Gefahr! |
Grundsätzlich zu prüfen; Grenzwerte ATV−A 115 beachten |
Bildung von H2S |
(S)lim−Formel | (S)lim−Formel Bauwerke konstruktiv überprüfen |
Analysen−Werte (S)lim−Formel |
Freisetzung von H2S |
∅SW−Formel Linienführung Bauwerke |
∅SW−Formel Beurteilung betroffener Bauwerke |
∅SW−Formel Beurteilung der Einleitung und Bauwerke |
Wirkung der BSK |
c−Formel | c−Formel | c−Formel |
Ein Modell zur Berechnung des Korrosionsabtrages infolge kalkangreifender Kohlensäure ist in [Grube96] beschrieben. Es beruht darauf, daß beim Angriff durch Säuren unlösliche Bestandteile in Form von Silikagel zurückbleiben, die zusammen mit dem unlöslichen Zuschlag eine Schutzschicht bilden. Die Schutzschicht ist gekennzeichnet (Bild 2.6.3.2.3-1) durch ihre Dicke x mit dem Diffusionskoeffizienten D sowie der zunehmenden Dicke dx in Abhängigkeit von der Zeit dt. Der Antrieb für das Abwandern des gelösten Calciums ist die Konzentrationsdifferenz cs*-c1 zwischen der Angriffsfront und der außen anstehenden Lösung [Grube96] .
Mit diesen Ausgangsgrößen läßt sich die Dicke x der entfestigten Schicht (Angriffstiefe) in Abhängigkeit von der Zeit t näherungsweise als quasi stationäre Diffusion berechnen [Grube87] :
D = Diffusionskoeffizient der Schutzschicht
Al = Fläche des Zementsteins
Ages = Gesamtfläche
ml = Lösliche Bestandteile im Zementstein
cs* = Konzentration der CAO am Betonkörper
cl = Konzentration der CAO in der Lösung
t = Zeit
Entscheidenden Einfluß für die Voraussage einer Abtragstiefe haben die
- einwirkende Menge,
- Einwirkungsdauer,
- Transportbedingungen.
Werden die Reaktionsprodukte ständig z. B. durch stark strömendes Wasser entfernt, vergrößert sich bei gleicher Konzentration der angreifenden Lösung der Angriffsfortschritt (Bild 2.6.3.2.3-2) .