Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Ermittlung von Korrosionsgeschwindigkeit und Abtragsraten

Zur Abschätzung der Korrosionsraten an zementgebundenen Rohren infolge der Biogenen Schwefelsäure-Korrosion gibt es einige Erfahrungswerte und Modelle, die teilweise jedoch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen [Lohse95] :

  • Bei einem Beton mit quarzitischen Zuschlagsstoffen und einem pH-Wert kleiner 6,5 auf der feuchten Betonoberfläche kann je nach pH-Wert mit einem Korrosionsabtrag von 3 - 6 mm pro Jahr gerechnet werden [Biele87b] [Thist79] .
  • Die Korrosionsgeschwindigkeit ist nach [Klose80] von der Betonzusammensetzung und den verbleibenden Korrosionsprodukten abhängig und beträgt im Mittel maximal 3 mm/Jahr im Gasraum bei kreisrunden Rohren.

Gleichungen zur Berechnung der Abtragsraten aufgrund von Biogener Schwefelsäure-Korrosion haben Pomeroy und Thistlethwayte [Pomer74] [Pomer80] [Thist79] erstellt. Die von ihnen verwendeten Kriterien und Gleichungen zur Abschätzung der kennzeichnenden Größen sind zum Teil für erheblich andere äußere Bedingungen entwickelt und abgeleitet worden.

Es hat sich aber gezeigt, daß sie auch auf die Betriebsverhältnisse eines Kanalnetzes in Mitteleuropa übertragen und somit hier angewendet werden können [Biele87b] .

Die Abschätzung der Biogenen Schwefelsäure-Korrosion in Abwasserkanälen und -leitungen aus zementgebundenen Werkstoffen ist von Schremmer [Biele87b] [Schre80] [Schre90] auf der Grundlage der oben angeführten Arbeiten anschaulich aufbereitet worden und wird nachfolgend dargestellt.

Die Entstehung und Auswirkungen der Biogenen Schwefelsäure-Korrosion sind abhängig von der Hydraulik, der Geometrie und der biologischen Situation in der Rohrleitung.

Aus Eingangsgrößen, die die Eigenschaften zementgebundener Rohrwerkstoffe, des Fließzustandes und des Abwassers beschreiben, wird nach der Überprüfung zweier Grenzwerte (Z-Index für gelöste Sulfide und min v) eine zu erwartende Korrosionsrate in mm/Jahr berechnet.

(Tabelle 2.6.3.2.3-1) zeigt die Grenzwerte für einen ablagerungsfreien Betrieb in Abhängigkeit der Nennweite DN. Die aufgeführten Werte vcrit und Jcrit beziehen sich auf eine Halbfüllung.

Die Auswertung des "effektiven BSB5 " = EBSB aus (Formel 2.6.3.2.3) erfolgt in (Tabelle 2.6.3.2.3-2) .

 
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Formel 2.6.3.2.3-1: 
Index für gelöste Sulfide
Z = Index für gelöste Sulfide.
BSB5 = Biologischer Sauerstoffbedarf in mg/l. Der durchschnittliche BSB5-Wert für kommunales Abwasser beträgt 350 mg/l [Schre90].
T = Abwassertemperatur in °C.
J = Leitungsgefälle.
Q = Abflußmenge in l/s.
U/bt = Verhältnis der benetzten Oberfläche das Kanals zur Wasserspiegelbreite. Für eine Halbfüllung gilt: U/bt = π/2
 
Tabelle 2.6.3.2.3-1: 

Temperaturabhängige EBSB-Werte [Schre90]

Temperatur [° C] Faktor EBSB bei 350 mg⁄l BSB5
17 0,816 286
18 0,873 306
19 0,935 327
20 1,000 350
21 1,070 375
22 1,145 401
23 1,225 429

Der Z-Index ist nach Pomeroy gemäß (Tabelle 2.6.3.2.3-3) zu bewerten [Schre90] .

 
Tabelle 2.6.3.2.3-2: 

Bewertung des Z-Indexes

Z−Index zu erwartende Verhältnisse
Z unter 5000 Sulfide kaum oder nur in sehr geringen Konzentrationen
vorhanden
Z um 7500 Spitzenwerte von wenigen 1⁄10 mg S⁄l können auftreten.
Leichte Angriffe bei zementgebundenen Werkstoffen. Stärkere
Angriffe an Stellen mit großer Turbulenz.
Z um 10000 Sulfide können zeitweise in größeren Konzentrationen auftreten,
die auch zu Geruchsbelästigungen führen. Mit stärkeren
Korrosionen, besonders im Bereich mit hoher Turbulenz, ist zu
rechnen.
Z um 15000 Sulfid−Bildung und Geruchsbelästigung treten verstärkt auf.
Rasch fortschreitende Korrosion bei zementgebundenen
Werkstoffen.
Z über 25000 Gelöste Sulfide sind fast ständig vorhanden. Kleinere
Betonrohre können innerhalb von 5−10 Jahren zerstört werden.

Es muß hervorgehoben werden, daß der Z-Index grundsätzlich zunächst nur eine Aussage darüber erlaubt, ob aufgrund der im Planungstadium bekannten Verhältnisse eine Sulfid-(H2S)-Bildung und damit mögliche Gefahren infolge der Biogenen Schwefelsäure-Korrosion vorliegen können.

Ab etwa Z = 5000 müssen weitere Berechnungen durchgeführt werden, da die H2S-Bildung naturgemäß auch eine Frage der Kanallänge ist [Schre90] .

Für Kanäle, bei denen anfangs noch keine Sulfide im Abwasser vorhanden sind, kann die Sulfidbildung pro Stunde nach (Formel 2.6.3.2.3) von Pomeroy und Parkhurst [Pomer74] [Pomer77] ermittelt werden.

 
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Formel 2.6.3.2.3-2: 
Sulfidbildung pro Stunde ( [Pomer74] [Pomer77])
d(S)/dt = Sulfidbildung pro Stunde in mg S/l
R = Hydrauilscher Radius in m (A/U)
J = absolutes Gefälle
v = Fließgeschwindigkeit in m/s
dm = Durchschnittstiefe in m (A/bt)

Nach einer Zeit erreicht die Sulfidmenge einen Grenzwert (Formel 2.6.3.2.3) , bei dem die Sulfidverluste gleich dem Sulfidzuwachs sind.

 
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Formel 2.6.3.2.3-3: 
Grenzwert der Sulfidmenge

Mit dem Wert für (S)lim läßt sich die Länge des Kanalabschnitts errechnen, ab der mit dem Auftreten von 1 mg S/l im Abwasser und damit mit dem Beginn einer Biogenen Schwefelsäure-Korrosion zu rechnen ist [Schre90] .

 
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Formel 2.6.3.2.3-4: 
Beginn der Biogenen Schwefelsäure-Korrosion
Δt = Fließzeit in Stunden bis zum Erreichen eines Sulfidgehaltes im Abwasser von 1 mg S/l.

Aufgrund der Fließgeschwindigkeit ergibt sich die Kanallänge. Der Sulfidgehalt am Ende der Kanalstrecke, ohne Berücksichtigung der Verluste an gasförmig entwichenem H2S, bestimmt sich zu:

 
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Formel 2.6.3.2.3-5: 
Sulfidgehalt am Ende der Kanalstrecke
S2 = Sulfidgehalt am Ende der Kanalstrecke in mg S/l
Δt = Fließzeit in Stunden

Einen Anhaltspunkt über die ungefähre Korrosionsgeschwindigkeit liefert die nachfolgende Gleichung von Pomeroy [IWL94] [Führb82] [Richa79] :

 
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Formel 2.6.3.2.3-6: 
Gleichung von Pomeroy [IWL94] [Führb82] [Richa79]
c = Durchschnittliche Korrosionsgeschwindigkeit in mm/a
k = Korrekturfaktor. Die Abhängigkeit des Ausmaßes, mit der die Schwefelsäure mit dem Zementstein des Betons reagiert, erfaßt der Korrekturfaktor k. Für gemäßigtes, europäisches Klima kann k = 0,8 gesetzt werden.
A = Alkalität des Betons, ausgedrückt als CaCO3 -Äquivalent. Bei Betonrohren, die mit quarzitischen Zuschlägen hergestellt wurden, liegt die "Alkalität" im Durchschnitt bei 16 %. Für eine Alkalität, die zwischen ca. 50 % bei Asbestzementrohren und 100 % bei Rohren mit Kalksteinzuschlag [Schre80] [Schre90] liegt, ist die Formel nicht anwendbar.
ØSW = Übergang des H2S (als S in g/m2h) aus der Kanalatmosphäre auf die Rohrwandung.

Die Ermittlung des Wertes erfolgt mit nachfolgender Gleichung:

 
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Formel 2.6.3.2.3-7: 
Übergang des H2S aus der Kanalatmosphäre auf die Rohrwandung
J = Leitungsgefälle.
v = Fließgeschwindigkeit in m/s.
j = j-Faktor. Der pH-Wert-abhängige Faktor für das Verhältnis des H2S-Anteils zum Gesamtgehalt an gelösten Sulfiden ist in (Tabelle 2.6.3.2.3-4) dargestellt.
bt/U = Verhältnis der Wasserspiegelbreite zur H2S ausgesetzten Oberfläche des Kanals.
DS = Gesamtgehalt an gelösten Sulfiden in mg S/l.
 
Tabelle 2.6.3.2.3-3: 

H2S-Anteil und j-Faktor in Abhängigkeit vom pH-Wert [Schre90]

pH−Wert H2S−Anteil [%] j−Faktor
6,0 91 0,91
6,6 72 0,72
6,8 0,61
7,0 50 0,50
7,2 39 0,39
7,4 28 0,28
7,6 20 0,20
7,8 14 0,14
8,0 9 0,09

Eine Zusammenfassung der Prüfungen und Beurteilungen ist in (Tabelle 2.6.3.2.3-4) aufgeführt.

 
Tabelle 2.6.3.2.3-4: 

Formen der Entstehung und Stufen der Behandlung der Biogenen Schwefelsäure-Korrosion [Biele87a]

Stufe der Behandlung Form des Entstehens der BSK
Autogen Allogen Exogen
Allgemeine
Prüfung auf
Gefährdung
Z−Formel
min v prüfen
Grundsätzlich gegeben; bei
Druckrohrleitung
besondere Gefahr!
Grundsätzlich zu prüfen;
Grenzwerte ATV−A 115
beachten
Bildung
von H2S
(S)lim−Formel (S)lim−Formel
Bauwerke konstruktiv
überprüfen
Analysen−Werte
(S)lim−Formel
Freisetzung
von H2S
SW−Formel
Linienführung Bauwerke
SW−Formel
Beurteilung betroffener
Bauwerke
SW−Formel
Beurteilung der Einleitung
und Bauwerke
Wirkung der
BSK
c−Formel c−Formel c−Formel

Ein Modell zur Berechnung des Korrosionsabtrages infolge kalkangreifender Kohlensäure ist in [Grube96] beschrieben. Es beruht darauf, daß beim Angriff durch Säuren unlösliche Bestandteile in Form von Silikagel zurückbleiben, die zusammen mit dem unlöslichen Zuschlag eine Schutzschicht bilden. Die Schutzschicht ist gekennzeichnet (Bild 2.6.3.2.3-1) durch ihre Dicke x mit dem Diffusionskoeffizienten D sowie der zunehmenden Dicke dx in Abhängigkeit von der Zeit dt. Der Antrieb für das Abwandern des gelösten Calciums ist die Konzentrationsdifferenz cs*-c1 zwischen der Angriffsfront und der außen anstehenden Lösung [Grube96] .

 
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Bild 2.6.3.2.3-1: 

Modell zur Berechnung des Abtrages infolge Säureeinwirkung [Grube96]

Mit diesen Ausgangsgrößen läßt sich die Dicke x der entfestigten Schicht (Angriffstiefe) in Abhängigkeit von der Zeit t näherungsweise als quasi stationäre Diffusion berechnen [Grube87] :

 
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Formel 2.6.3.2.3-8: 
Dicke der Gelschicht (Angriffstiefe)
x = Dicke der Gelschicht zur Zeit t
D = Diffusionskoeffizient der Schutzschicht
Al = Fläche des Zementsteins
Ages = Gesamtfläche
ml = Lösliche Bestandteile im Zementstein
cs* = Konzentration der CAO am Betonkörper
cl = Konzentration der CAO in der Lösung
t = Zeit

Entscheidenden Einfluß für die Voraussage einer Abtragstiefe haben die

  • einwirkende Menge,
  • Einwirkungsdauer,
  • Transportbedingungen.

Werden die Reaktionsprodukte ständig z. B. durch stark strömendes Wasser entfernt, vergrößert sich bei gleicher Konzentration der angreifenden Lösung der Angriffsfortschritt (Bild 2.6.3.2.3-2) .

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Bild 2.6.3.2.3-2: 

Abtrag von Beton innerhalb von 20 Jahren durch kalkangreifende Kohlensäure in Abhängigkeit von den Transportbedingungen [Grube96]

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)