Chemische Vorgänge
Innenkorrosion durch chemische Vorgänge wird durch die in den Abwässern vorhandenen oder sich in diesen während der Ableitung durch chemische Prozesse bildenden aggressiven Substanzen verursacht.
Entsprechende Konzentrationen der Substanzen und niedrige pH-Werte (Tabelle 2.6.3.2.1-1) , geringe Fließgeschwindigkeiten, lange Fließzeit, hohe Temperaturen, bakterielle Einflüsse und andere Parameter können die Aggressivität stark erhöhen (Bild 2.6.3.2.1-1) (Bild 2.6.3.2.1-2) (Bild 2.6.3.2.1-3) .
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Untersuchung | Angriffsgrad | |||
schwach angreifend | stark angreifend | sehr stark angreifend | ||
1 | pH-Wert | 6,5 bis 5,5 | < 5,5 bis 4,5 | < 4,5 |
2 | kalklösende Kohlensäure (CO2) mg/l (Marmorlöseversuch nach Heyer) |
15 bis 40 | > 40 bis 100 | > 100 |
3 | Ammonium (NH4+) mg/l | 15 bis 30 | > 30 bis 60 | > 60 |
4 | Magnesium (MG2+) mg⁄l | 300 bis 1000 | > 1000 bis 3000 | > 3000 |
5 | Sulfat1) (SO42−) mg/l | 200 bis 600 | > 600 bis 3000 | > 3000 |
1) Bei Sulfatgehalten über 600 mg SO42− je l Wasser, ausgenommen Meerwasser, ist ein Zement mit hohem Sulfatwiderstand (HS) zu verwenden (siehe DIN 1164 Teil 1⁄03.90, Abschnitt 4.6 und DIN 1045⁄07.88, Abschnitt 6.5.7.5). |
Der Angriffsgrad der Abwässer auf den Beton wurde bisher in der DIN 4030 [DIN4030:1991] geregelt (Tabelle 2.6.3.2.1-1) .
Angriffsart | Angriff z.B. durch | Beanspruchung durch übliche kommunale Abwässer | Ausreichender Betonwiderstand gegeben bei: | |||
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Grenzwerte im Abwasser Beanspruchung |
Vorhandener Betoneigen- schaft |
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pH: 6,5 bis 10 | Dauernd | Zeitweilig1) | Kurzzeitig2) | |||
Lösend durch Auslaugung | Weiches Wasser | Nicht gegeben | - | - | - | w/z ≤ 0,503) und Wasserein- dringtiefe von ≤ 3cm nach DIN 1048 |
Lösend durch Säureangriff | Anorganische Säure z.B. Schwefelsäure, Salzsäure, Salpetersäure | pH ≥ 6,5 | pH ≥ 5,5 | pH ≥ 4,0 | ||
Organische Säure | pH ≥ 6,5 | pH ≥ 6,0 | pH ≥ 4,0 | |||
Kalklösende Kohlensäure | CO2 < 10 mg/l4) | ≤ 15 mg/l | ≤ 25 mg/l | ≤ 100 mg/l | ||
Lösend durch Austauschreaktion | Magnesium | Mg2+ < 100 mg/l | ≤ 1000 mg/l | ≤ 3000 mg/l | ||
Ammonium | NH4-N < 100 mg/l | ≤ 300 mg/l | ≤ 1000 mg/l | |||
Treibend | Sulfat-Ion | SO42- < 250mg/l | ≤ 600 mg/l | ≤ 1000 mg/l | Ohne HS-Zement | |
< 3000mg/l | ≤ 5000 mg/l | Mit HS-Zement |
1) Zeitdauer bis zu maximal einem Jahr pro zehn Jahre.
2) Unplanmäßige Betriebszustände; Zeitdauer bis zu maximal einer Stunde pro Woche.
3) Durch niedrige w/z-Werte und durch die Verwendung von Beton mit besonderer Zusammensetzung wird der chemische Widerstand des Betons erheblich begünstigt.
4) Im üblichen kommunalen Abwasser wird dieser Wert nicht erreicht. Allenfalls bei der Ableitung großer Mengenkohlensäurehaltigen Grundwassers (z.B. Dränagewasser) ist in Einzelfällen ein Wert in der angegebenen Größenordnung denkbar.
Neue Grenzwerte für Korrosionsbeanspruchungen durch kommunales Abwasser bei zementgebundenen Werkstoffen in Abwasseranlagen enthält ATV-M 168 "Korrosion von Abwasseranlagen" [ATVM168] (Tabelle 2.6.3.2.1-3) . Sie stimmen nicht mit denen der DIN 4030 [DIN4030:1991] überein, soweit es sich nicht um dauernde Beanspruchungen handelt. Werden sie jedoch eingehalten, so ist eine Nutzungsdauer für Kanäle entsprechend der LAWA Richtlinie [LAWA93a] von 50 bis 80 (100) Jahren zu erwarten [Lohse95] .
Einen wesentlichen Einfluß auf die Innenkorrosion kann auch die regelmäßige Reinigung der Kanäle durch die Zerstörung beim Korrosionsvorgang eventuell gebildeter Schutzschichten besitzen.
So wird z. B. in [Grube87] empfohlen, bei Rohrleitungen mit schnell fließendem Wasser oder regelmäßiger Reinigung nicht die in (Tabelle 2.6.3.2.1-1) angegebenen Grenzwerte für kalklösende Kohlensäure auszunutzen, da in diesen Fällen die sich bildende Schutzschicht aus Kieselgel ständig entfernt und dadurch der Betonabtrag stark erhöht wird.
Wegen der mechanischen Beanspruchung der Rohre durch hohe Fließgeschwindigkeiten des Abwassers oder durch Reinigungsvorgänge liegen im Innern der Kanäle allerdings ungünstigere Bedingungen vor, als nach DIN 4030 [DIN4030:1991] angenommen.
Andererseits wurde durch Laborversuche nachgewiesen, daß der heutige Rohrbeton auch gegen kurzfristig sehr stark angreifende Medien eine ausreichende Sicherheit gegen Korrosion aufweist [Belli92] . Zur Vermeidung von Innenkorrosionen dürfen nach ATV-A 115 [ATVA115:1983] und DIN 1986 Teil 3 [DIN1986:1978] solche Stoffe nicht in eine öffentliche Abwasseranlage eingeleitet werden, die Bau- und Werkstoffe in stärkerem Maße angreifen.
Häusliches und kommunales Abwasser wird in der Regel als nicht bzw. schwach angreifend eingestuft.In dieser Kategorie sind für sachgemäß zusammengesetzten, verarbeiteten und nachbehandelten Beton nach DIN 1045 [DIN1045:1988] keine aktiven oder passiven Schutzmaßnahmen vorzusehen.
Bei der Kategorie "stark angreifend" sind geringfügige Betonmodifikationen erforderlich, die sich im wesentlichen auf die Zementart und die Betonüberdeckung der Bewehrung beschränken.
Erst bei einem sehr starken Angriffsgrad sind spezielle Korrosionsschutzmaßnahmen wie z.B. Beschichtungen (Abschnitt 5.3.1) , Auskleidungen (Abschnitt 5.3.2) oder weitergehende Betonmodifikationen vorzunehmen, um dem Rohr die notwendige Resistenz zu verleihen [Stein87b] .
Gewerbliches und industrielles Abwasser, das grenzwertüberschreitende Stoffe und Flüssigkeiten enthält, muß in geeigneten Anlagen (z. B. Abscheide-, Neutralisations-, Spalt-, Entgiftungs-, Desinfektionsanlagen und dergleichen) so behandelt und aufbereitet werden, daß es, insbesondere auch im Sinne von DIN 1986 Teil 3 [DIN1986:1978] , als nicht mehr schädlich betrachtet werden kann.
Trotz dieser Normen und Richtlinien läßt es sich nicht ausschließen, daß heute mit den häuslichen Abwässern Stoffe zur Ableitung gelangen, deren aggressive Auswirkungen bislang noch nicht bekannt waren. Hier sind insbesondere Kondenswässer neuzeitlicher Heizungssysteme (Brennwertkessel) zu erwähnen, die pH-Werte um 2 (Heizöl EL) bzw. um 4 (Erdgas) aufweisen können [Biele87a] .
Neuere Untersuchungen [IWL94] zum pH-Wert von Kondenswässern aus Erdgas-Brennwert-Wärmeerzeugern haben einen deutlichen Anstieg der pH-Werte ohne Vermischung mit häuslichem Abwasser und Niederschlagswasser auf der Fließstrecke von der Einleitstelle in das häusliche Kanalsystem (Grundleitung) bis zum Revisionsschacht ergeben (Bild 1.2) (Bild 1.2).
Bei den untersuchten Anlagen konnte im Mittel eine pH-Wert-Erhöhung von pH = 3,8 auf pH = 6,5 festgestellt werden. Diese pH-Wert-Erhöhung kann auf eine teilweise Entgasung gelösten Kohlendioxids (CO2) und insbesondere eine neutralisierende Wirkung der alkalischen Ablagerungen im häuslichen Abwassersystem zurückgeführt werden.
Eine Korrelation zwischen pH-Wert-Zunahme und der Länge der Kondenswasserfließstrecke im häuslichen Abwassersystem konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden.
Mit einem weiteren Anstieg der pH-Werte auf der Fließstrecke von den Revisionsschächten bis zur Einleitung in die kommunalen Abwassersysteme ist auch ohne Einfluß verdünnender häuslicher Schmutzwässer und Niederschläge zu rechnen [IWL94] .