Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Boden- und Grundwasseraggressivität

Alle natürlichen Böden sind durch chemische und physikalische Verwitterung der Gesteine entstanden. Das Reaktionsmedium "Erdboden" besteht seinen Komponenten nach aus wechselnden Anteilen der vier Verwitterungsprodukte: Sand, Ton, Kalk und Humus.

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Bild 2.6.3.1.1-1: 

Rohrverlegung im Boden mit Grundwassereinfluß in Anlehnung an [Irle84] [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

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Bild 2.6.3.1.1-2: 

Rohrverlegung im Boden ohne Grundwassereinfluß in Anlehnung an [Irle84] [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

In chemischer Hinsicht bestehen die Böden aus einer großen Zahl von Verbindungen, wie z.B. Aluminium-Eisen-Silikate und Hydroxide, Oxide, Kieselsäure, Calcium- und Magnesium-Carbonate, Chloride und Sulfate [FGR83] .

Ein großer Teil dieser Substanzen ist in dem im Boden vorhandenen Wasser gelöst. In Abhängigkeit von der Menge und der Konzentration der Verbindungen im natürlichen Boden oder Grundwasser können diese auf eingeerdete Rohrwerkstoffe aggressiv wirken. Unterstützt wird dieser Vorgang durch die Temperatur und Zeitdauer der Reaktion, die im wesentlichen vom Bodenwassergehalt abhängt.

Bezüglich des letztgenannten Einflußfaktors unterscheidet man nach [Blum82] (Bild 2.6.3.1.1-1) (Bild 2.6.3.1.1-2) :

  • Böden mit Grundwassereinfluß
  • Böden ohne Grundwassereinfluß.

Bei Böden mit Grundwassereinfluß beschleunigt eine eventuell vorhandene Fließbewegung des Grundwassers den Korrosionsprozeß; die Reaktionsprodukte werden ständig weggespült. Dabei spielen nicht in erster Linie die anstehenden Bodeneigenschaften, sondern die Aggressivität des herangeführten Grundwassers eine erhebliche Rolle.

Vereinfacht können die den Beton oder andere zementgebundene Werkstoffe chemisch angreifenden Stoffe in zwei Gruppen eingeteilt werden [Wieri82] :

  • Stoffe, die den Zementstein auflösen und damit zu einer Volumenverringerung des ursprünglichen Betonquerschnittes führen (lösender Angriff) und
  • Stoffe, die ein Treiben, d. h. eine Volumenvergrößerung unter gleichzeitiger Gefügeauflockerung bewirken (treibender Angriff).

Ein lösender chemischer Angriff wird durch Säuren, bestimmte austauschfähige Salze, starke Basen, organische Fette und Öle und in geringem Maße auch durch weiches Wasser hervorgerufen. Dabei werden die Calciumsilikat-, -aluminat- und -ferrithydrate durch Hydrolyse gespalten und das dabei freigesetzte Ca(OH)2 sowie die durch Ionenaustausch gebildeten leichtlöslichen Salze gelöst. Zuschläge werden angegriffen, wenn sie aus Kalk- oder Dolomitgestein bestehen [Wesch81] .

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Bild 2.6.3.1.1-3: 

Durch Säureangriff korrodierter Betonkanal [FI-KMG]

Typisch für den lösenden Angriff ist das "waschbetonartige" Aussehen der Betonoberfläche (Bild 2.6.3.1.1-3) .

Ein ganz anderer Mechanismus liegt beim treibenden Angriff bzw. Sulfatangriff vor. Er wird dadurch verursacht, daß die in einem angreifenden Wasser gelösten Sulfate zusammen mit den Aluminathydraten und dem Calciumhydroxid des Zementsteines sehr voluminöse Kristalle bilden. Der dabei entstehende Kristallisationsdruck verursacht ein Treiben im Zementstein, das u. U. zur vollständigen Zerstörung führen kann. Eine Art dieser voluminösen Kristalle ist das Ettringit.

Bezüglich der einzelnen ablaufenden chemischen Prozesse und Mechanismen sei auf die einschlägige Literatur verwiesen [Billm84] [Mater82] [Wieri82] [Bayer95] [Biecz68] [Bonze68] [Bujar72b] [Haege74] [Klose83] [Probs83] [Regou81] [Ruffe80] [Wieri80] . Einen Überblick über Grenzwerte zur Beurteilung des Angriffsgrades von Wässern auf zementgebundene Werkstoffe nach DIN 4030 [DIN4030:1991] vermittelt die (Tabelle 2.6.3.1.1-1) .

 
Tabelle 2.6.3.1.1-1: 

Grenzwerte zur Beurteilung des Angriffgrades von Wässern vorwiegend natürlicher Zusammensetzung nach DIN 4030 [DIN4030:1991]

1 2 3 4
Untersuchung Angriffsgrad
schwach angreifend stark angreifend sehr stark angreifend
1 pH-Wert 6,5 bis 5,5 < 5,5 bis 4,5 < 4,5
2 kalklösende Kohlensäure
(CO2) mg/l
(Marmorlöseversuch nach
Heyer)
15 bis 40 > 40 bis 100 > 100
3 Ammonium (NH4+) mg/l 15 bis 30 > 30 bis 60 > 60
4 Magnesium (MG2+) mg⁄l 300 bis 1000 > 1000 bis 3000 > 3000
5 Sulfat1) (SO42−) mg/l 200 bis 600 > 600 bis 3000 > 3000
1) Bei Sulfatgehalten über 600 mg SO42− je l Wasser, ausgenommen Meerwasser, ist ein Zement mit hohem Sulfatwiderstand (HS) zu verwenden
(siehe DIN 1164 Teil 1⁄03.90, Abschnitt 4.6 und DIN 1045⁄07.88, Abschnitt 6.5.7.5).

Da Zahl und Art der möglicherweise einwirkenden Verbindungen nicht absehbar sind, umfaßt die normengemäße Regelung für den chemischen Angriff in DIN 4030 [DIN4030:1991] nur die in weitgehend natürlichen Wässern auftretenden Angriffe in Abhängigkeit von Art und Konzentration der einwirkenden Stoffe. Dabei werden Grenzen für "schwachen", "starken" und "sehr starken" chemischen Angriff genannt. Bei "sehr starkem" chemischen Angriff ist nach DlN 1045 [DIN1045:1988] im allgemeinen ein äußerer Schutz des Betons erforderlich (Abschnitt 1.7.7) [Bonze87] .

Durch die Verwendung einer Vielzahl von z. T. äußerst aggressiven Substanzen in Haushalten und Industrie läßt es sich nicht immer vermeiden, daß diese in den Boden oder ins Grundwasser gelangen und aggressiv auf im Boden verlegte Leitungen wirken. Hierbei sind besonders zu nennen:

  • Autowaschmittel
  • Benzin und Öl (für zementgebundene Werkstoffe nicht relevant)
  • chlorierte Kohlenwasserstoffe (für zementgebundene Werkstoffe nicht relevant)
  • Sickerwässer aus Mülldeponien und Abraumhalden
  • unsachgemäß gelagerte oder deponierte Substanzen, z. B. aus Industriebetrieben
  • exfiltrierendes Abwasser aus defekten Kanälen
  • Unkrautvernichtungsmittel
  • Düngemittel
  • Auftausalze.

In Bereichen, in denen mit solchen Einleitungen zu rechnen ist oder wo sie bekannt sind, müssen besondere Untersuchungen durchgeführt und ggf. geeignete Schutzmaßnahmen vorgenommen werden.

Bei Böden ohne Grundwassereinfluß bestimmen ihre Aggressivität in Abhängigkeit des Bodenchemismus, der Wasserleit- und Speicherfähigkeit sowie der Menge und zeitlichen Verteilung des Niederschlags den Korrosionsprozeß.

Mit abnehmender Durchlässigkeit und Durchfeuchtung des Bodens nimmt auch der Aggressionsgrad ab, da angreifende Stoffe in anstehenden Böden und Gasen ihre Wirkung nur entfalten können, wenn ausreichend Feuchtigkeit zur Verfügung steht.

Durch einen sogenannten Puffereffekt des Bodens, der das Reaktionsprodukt der Korrosion festhält, wird ein weiterer Angriff auf das Rohr verhindert. Grenzwerte zur Beurteilung des Angriffsgrades von Böden nach DIN 4030 [DIN4030:1991] enthält (Tabelle 2.6.3.1.1-2) .

 
Tabelle 2.6.3.1.1-2: 

Grenzwerte zur Beurteilung des Angriffgrades von Böden nach DIN 4030 [DIN4030:1991]

1 2 3
Untersuchung Angriffsgrad
schwach angreifend stark angreifend
1 Säuregrad nach
Baumann-Gully in ml je kg
lufttrockenen Bodens
> 200
2 Sulfat1) (SO42−) mg je kg
lufttrocknen Bodens
2000 bis 5000 > 5000
1) Bei Sulfatgehalten über 3000 mg SO42− je kg lufttrockenen Bodens, ist ein Zement mit hohem Sulfatwiderstand
(HS) zu verwenden (siehe DIN 1164 Teil 1⁄03.90, Abschnitt 4.6 und DIN 1045⁄07.88, Abschnitt 6.5.7.5).

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)