Rißinjektion und Rißtränkung
Das Füllen, d.h. das Injizieren und Tränken von Rissen in begehbaren Kanälen und Bauwerken der Ortsentwässerung erstreckt sich aufgrund der großen Nennweiten ausschließlich auf die Werkstoffe Beton, Stahlbeton oder Ziegelmauerwerk.
Für die Rißinjektion im vorliegenden Anwendungsfall gibt es keine speziellen technischen Vorschriften. Sinngemäß übertragbar erscheinen die Merkblätter des deutschen Betonvereins [NN81] sowie die "Zusätzlichen Technischen Vorschriften und Richtlinien für das Füllen von Rissen in Betonbauteilen - ZTV RISS 93" des Bundesministers für Verkehr, Abteilung Straßenbau [Verkehra] . Sie enthalten Regelungen für das Füllen von Rissen und befassen sich mit Begriffsbestimmungen, Anwendungen, Bestandsaufnahme, Werkstoffen, Ausführung, Prüfungen, Abnahme, Gewährleistung sowie Abrechnung.
Das Füllen von Rissen ist vorzusehen, wenn eines oder mehrere der folgenden Ziele erreicht werden müssen [Verkehra] :
- Hemmen oder Verhindern des Zutrittes von korrosionsfördernden Wirkstoffen in Bauteile durch Risse (Schließen),
- Beseitigen von rissebedingten Undichtigkeiten des Bauteils (Abdichten),
- Herstellen einer zug- und druckfesten Verbindung beider Rissufer (kraftschlüssiges Verbinden),
- Herstellen einer begrenzt dehnfähigen Verbindung beider Rissufer (dehnfähiges Verbinden).
Die beiden letztgenannten Ziele schließen sich im allgemeinen gegenseitig aus.
Darüber hinaus soll beim Füllen der Risse auch die Oberfläche einer evtl. vorhandenen Bewehrung benetzt und bedeckt werden [Depke86] [Gruna84] .
Eine begrenzt dehnfähige Verbindung ist Voraussetzung einer dauerhaften Abdichtung von Rissen, deren Breite sich ändert. Gesicherte Erfahrungen über die Größe der aufnehmbaren Rißbreitenänderung liegen nicht vor.
Die zum Füllen von Rissen angewendeten Verfahren werden nach den Drücken zum Einfüllen des Füllgutes in den Riss wie folgt unterschieden:
Tränkung (T): Füllen ohne Druck zum Schließen der Risse,
Injektion (I): Füllen mit Druck über Einfüllstutzen (Injektionspacker) für alle o.a. Anwendungsbeispiele.
Als Füllgut für beide Füllarten werden vorwiegend Epoxidharze (EP) und Polyurethanharze (PUR) eingesetzt.
Zum Schließen und Abdichten sehr breiter und feuchter Risse eignen sich auch modifizierte Zementleime (ZL) [Grube90] .
Die Verfahren werden nach Füllgut und Füllart z.B. wie folgt bezeichnet:
- Tränkung mit Epoxidharz: EP-T,
- Injektion mit Epoxidharz: EP-I,
- Injektion mit Polyurethanharz: PUR-I,
- Injektion mit Zementleim: ZL-I.
Nach [Verkehra] müssen Rissfüllstoffe folgende Eigenschaften besitzen:
- Ausreichend niedrige Viskosität
- Hohes kapillares Steigvermögen (bei Reaktionsharzen)
- Gute Verarbeitbarkeit
- Ausreichende Mischungsstabilität
- Geringer reaktionsbedingter Volumenschwund
- Ausreichende Haftzugfestigkeit an den Rissufern
- Ausreichende Festigkeit bzw. Dehnfähigkeit
- Hohe Alterungsbeständigkeit
- Freisein von korrosionsfördernden Bestandteilen
- Verträglichkeit mit allen Stoffen, mit denen sie planmäßig in Berührung kommen
- Anteil flüchtiger Bestandteile < 2 masse-% bei Reaktionsharzen
- Zemente müssen DIN 1164 entsprechen oder bauaufsichtlich zugelassen sein
- Zusätze bei Zementleim müssen Prüfzeichen des DIBt als Betonzusatzstoff oder -mittel haben.
Die erfolgreiche Anwendung der einzelnen Verfahren hängt vom Feuchtezustand und dem Verschmutzungsgrad der Risse ab.
In [DAfStB:1992] [Verkehra] werden vier Feuchtezustände näher definiert, und zwar:
- "trocken",
- "feucht",
- "drucklos wasserführend" und
- "unter Druck wasserführend" (Tabelle 5.2.2.3.2-1) .
Begriff |
Merkmal |
---|---|
Trocken* |
|
Feucht |
|
"Drucklos" wasserführend |
|
Unter Druck wasserführend |
|
** Beurteilung der Rissufer an Trockenbohrkernen
In (Tabelle 5.2.2.3.2-2) sind die Anwendungsbereiche der Füllgüter und Füllarten in Abhängigkeit vom Feuchtezustand des Risses bzw. der Rißufer angegeben.
Anwendungsziel | Feuchtezustand von Rissen / Rissufern | |||
---|---|---|---|---|
Trocken | Feucht | Wasserführend | ||
"Drucklos" | Unter Druck | |||
Schließen | EP-T | EP-T1) | PUR-I | PUR-I2) |
EP-I | EP-I1) | ZL-I | ZL-I3) | |
PUR-I | PUR-I | ZS-I | ZS-I3) | |
ZL-I | ZL-I | |||
ZS-I | ZS-I | |||
Abdichten | EP-I | EP-I1) | PUR-I | PUR-I2) |
PUR-I | PUR-I | ZL-I | ZL-I3) | |
ZL-I | ZL-I | ZS-I | ZS-I3) | |
ZS-I | ZS-I | |||
Kraftschlüssig verbinden | EP-I | EP-I1) | ZL-I | ZL-I3) |
ZL-I | ZL-I | ZS-I | ZS-I3) | |
ZS-I | ZS-I | |||
Dehnfähig verbinden | PUR-I | PUR-I | PUR-I | PUR-I2) |
EP-T, EP-I, ZL-I, ZS-I, PUR-I: Bezeichnungen gemäß Abschnitt 5.2.2.1
1) Unter Anwendung hierfür speziell ausgewiesener Epoxidharze
2) Unter Anwendung eines schnellschäumenden PUR (SPUR) vor der PUR-I
3) Zusammen mit vorübergehend abdichtenden Maßnahmen zur Druckminderung
Für die kraftschlüssige Verbindung der Rißufer kommen hauptsächlich Epoxidharze und für Abdichtungszwecke Polyurethanharze zum Einsatz [Kern80] [Plecn86] [Ruffe84] .
(Tabelle 5.2.2.3.2-3) enthält die materialspezifischen Anwendungsbedingungen für Rißfüllungen und Füllarten.
Merkmal | Tränkung mit Epoxidharz EP−T |
Injektion mit Epoxidharz EP−I3) |
Injektion mit Polyurethan PUR−I |
Injektion mit Zementleim ZL−I |
|
---|---|---|---|---|---|
Rißweite w | > 0,10 mm | > 0,10 mm1) | > 0,10 mm | > 3 mm6) | |
Rißbreitenänderung Δw vor Beginn der Maßnahme |
Kurzzeitig | nicht zulässig | < 0,1 w bzw. 2) < 0,03 mm |
gemäß Grundprüfung5) |
nicht zulässig |
Täglich | nicht zulässig | abhängig von der Festigkeitsentwicklung des EP |
gemäß Grundprüfung5) |
nicht zulässig | |
Langzeitig | nicht zulässig | unbegrenzt | gemäß Grundprüfung5) |
nicht zulässig | |
Feuchte der Risse⁄Rißufer | trocken | trocken oder feucht4) | feucht oder naß | naß | |
Vorangegangene Maßnahmen | keine Bedingungen | EP−Füllung unzulässig | wiederholte Füllung möglich | Kunstharzbehandlung unzulässig |
|
Rißursache | bekannt, nicht wiederkehrend |
bekannt, nicht wiederkehrend |
bekannt | bekannt, nicht wiederkehrend |
|
1) in wesentlichen Bereichen des Rißverlaufes 2) kleinerer Wert maßgebend 3) keine Begrenzung, wenn Festigkeit ≥ 3,0 N⁄mm2 innerhalb von 10 h und entsprechendem Injektionszeitpunkt 4) besondere Anforderungen bei feuchten Rissen 5) i.d.R. < 0,25w 6) bei besonderen Verfahren auch kleiner |
Das Tränken von Rissen erfordert eine ununterbrochene Zufuhr des Rißfüllstoffes bis zum Abschluß des kapillaren Saugens. Zum Tränken dürfen kalthärtende, zweikomponentige, lösemittelfreie, ungefüllte Epoxidharze eingesetzt werden. Das Kunstharz wird solange aufgetragen, bis der Riß kein Harz nachsaugt.
Das Kunstharz gelangt über Kapillarwirkung in den Riß. Dies bedeutet, daß feine Risse auch von unten eine Tränkung erfahren können. Breitere Risse können über eine Tränkung nur von oben gefüllt werden, weil nur dabei das Harz durch Schwerkraft in den Riß eindringen kann.
Neben der Pinselung haben sich für den Eintrag der Reaktionssharze im Falle des Tränkens Einfülltrichter aus verformbaren Massen und einleitende Materialschläuche bewährt.
Bei der Rissinjektion erfolgt das Einbringen der Injektionsmittel mit Niederdruckgeräten (bis 20 bar) oder mit Hochdruckgeräten (bis 250 bar) mittels Injektionspacker.
Das Injektionsgerät besteht aus:
- Druckerzeuger,
- Materialbehälter,
- Transportschlauch,
- Anschlussteil zum Injektionspacker und
- ggf. Misch- und Dosiereinrichtung.
Bei der einkomponentigen Injektion wird das Injektionsmittel vorgemischt und vom Injektionsgerät injiziert.
Bei der zweikomponentigen Injektion werden die Einzelkomponenten getrennt bis zu einem unmittelbar am Injektionspacker angeschlossenen Mischkopf gefördert und nach dem Mischen in den Riss injiziert. Dadurch beginnt die chemische Reaktion erst im Riss und die Verarbeitungszeit entfällt [Verkehra] .
Die Injektionspacker werden entweder in den Riss eingebohrt (Bohrpacker) (Bild 5.2.2.3.2-1) oder auf den Riss aufgeklebt (Klebepacker) (Bild 5.2.2.3.2-2) [Kern80] [DGEG86b] [Ruffe81] .
Die Anordnung der Injektionspacker nach ZTV-RISS 93 [Verkehra] ist im (Bild 5.2.2.3.2-3) , (Bild 5.2.2.3.2-4) , (Bild 5.2.2.3.2-5) und (Bild 5.2.2.3.2-6) dargestellt.
Bohrpacker werden vor allem bei Injektionen mit hohem Druck sowie bei gegeneinander versetzten Rissflanken eingesetzt.
Die Bohrung erfolgt entweder senkrecht in den Riss oder schräg von der Seite her durch den Riss hindurch.
Durch Anziehen der Sechskanthülse wird die Gummimanschette so gestaucht, daß sie den Packer im Bohrloch abdichtet und verankert.
Klebepacker finden vor allem bei geringeren Drücken sowie bei glatt aneinander liegenden Rissflanken Anwendung.
Gegenüber den Bohrpackern bieten sie den Vorteil, daß der Riss nicht durch Bohrmehl verstopft wird.
Das kraftschlüssige Aufkleben gelingt allerdings nur bei trockenem Untergrund und ist daher bei wasserführenden Rissen nicht durchführbar.
Zur Übertragung eines ausreichend hohen Verpressdruckes sollte der Riss verdämmt, d.h. oberflächlich verschlossen werden. Hierzu werden Spachtelmassen, z.B. auf der Basis von Epoxidharz und Polymethacrylatharzen, verwendet [Grube90] .
Der Injektionsdruck hängt von der Art und Porosität des Betons und der Breite und Verzweigung der Risse ab.
Bei annähernd gleichmäßig breiten und wenig verzweigten Rissen sowie relativ dichtem Beton wird das Hochdruckverfahren eingesetzt.
Bei stark verzweigten Rissen mit vielen Verengungen und Verdichtungen zu anderen Rissen sowie bei porösem Beton erfolgt die Injektion in zwei Schritten.
Im ersten Schritt wird das Injektionsmittel im Niederdruckverfahren eingebracht. Nach Aushärten des Harzes wird die Bohrung noch einmal nachgebohrt und dann Harz unter dem normalen, hohen Arbeitsdruck von 150 bis 250 bar eingepreßt. Damit werden alle entstandenen und verbliebenen Hohlstellen restlos verfüllt.
Zur Vermeidung von Schäden an Betonbauteilen sollte der Injektionshöchstdruck nach [Asend88] auf maximal 33 % der Würfeldruckfestigkeit des Betons begrenzt werden.
Arbeitsabläufe von Rißinjektionen zeigen (Bild 5.2.2.3.2-7) , (Bild 5.2.2.3.2-42) , (Bild 5.2.2.3.2-21) und (Bild 5.2.2.3.2-30) .
Die folgende Bildserie zeigt die Arbeitsschritte bei einer Rißinjektion mit kraftschlüssiger Verbindung mittels senkrecht im Riß angeordneten Bohrpackern.
Die folgende Bildserie zeigt die Arbeitsschritte bei einer Rißinjektion mit kraftschlüssiger Verbindung mittels Klebepackern.
Die folgende Bildserie zeigt die Arbeitsschritte bei einer Rißinjektion mit kraftschlüssiger Verbindung mittels schräg, seitlich angesetzten Bohrpackern.
Die folgende Bildserie zeigt die Arbeitsschritte bei einer Rißinjektion mit dehnfähiger Verbindung mittels schräg, seitlich angeordneten Bohrpackern.
Die Injektion erfolgt jeweils von unten nach oben. Der Austritt des Injektionsmittels aus dem nächstgelegenen Packer ist ein Zeichen dafür, daß der Hohlraum verfüllt ist. Am Endpunkt muß eine Entlüftungsöffnung vorhanden sein.
Bei flächigen Durchfeuchtungen ordnet man die Lage der Injektionsbohrungen nach einem Raster an, um zu gewährleisten, daß sich das Injektionsmittel gleichmäßig im gesamten abzudichtenden Bereich ausbreitet.
Solche Abdichtungsinjektionen werden i.a. gegen den vorhandenen Wasserdruck ausgeführt.
Größere Wassereintritte bei Beton- und Stahlbetonkanälen können durch Injektionen in Anlehnung an [DGEG86b] wie folgt abgedichtet werden:
Verdämmen der Wasserzutritte mit einkomponentigem Polyurethanschaum
Durch das rasche Aufschäumen des Injektionsmittels bei Berührung mit Wasser entsteht eine geschlossenzellige Sperrschicht, die den weiteren Zustrom von Wasser vorübergehend unterbindet und damit ein unkontrolliertes Abfließen oder Ausspülen des nachfolgenden Injektionsmittels bis zum Ausreagieren seiner Komponenten verhindert. Bei nur schwach nässenden Feuchtstellen kann dieser Arbeitsschritt auch unterbleiben.
Injektion mit zweikomponentigem Polyurethanharz
Dabei werden die Hohlräume verfüllt und der vorher ggf. eingebrachte Polyurethanschaum komprimiert. Es entsteht ein weichelastisches Harz mit hoher Bruchdehnung, das die Wasserdurchtritte abdichtet und auch bei späteren Bewegungen des Bauwerkes, z.B. durch Temperatur- und Laständerungen, seine Abdichtungswirkung behält.
Zweitinjektion mit zweikomponentigem Polyurethanharz
An der Kontaktfläche Beton/Polyurethanharz kann bei der Injektion mit zweikomponentigem Polyurethanharz in Betonporen eingeschlossenes Wasser mit dem Polyurethan eine "Aufschäumungsreaktion" bewirken und dadurch örtlich die Haftung des Harzes am Beton beeinträchtigen, was u.U. eine Zweitinjektion erfordert. Dabei müssen örtlich Drücke bis 250 bar aufgebracht werden, die jedoch erfahrungsgemäß für das Bauwerk unschädlich sind [DGEG86b] .
Die Durchführung der Injektion sowie hierfür maßgebende Vorkommnisse sollten in besonderen Protokollen festgehalten werden, z.B. sind zu protokollieren:
- Rissbild und Lage des Risses im Bauwerk,
- Injektionsstellen (Anzahl der gesetzten Packer, Abstand innen),
- Beginn und Ende der Injektion je Injektionsstelle,
- aufgebrachte Injektionsdrücke,
- Art und Menge des eingebrachten Injektionsmittels,
- Bauwerks- und Lufttemperatur während der Injektion,
- besondere Vorkommnisse, z.B. Unterbrechungen, Injektionsmittelaustritt.
Als Vorbild für die Protokollierung könnte das im (Bild 5.2.2.3.2-49) dargestellte Protokollformblatt der ZTV-RISS 93 [Verkehra] dienen.
Vom verarbeiteten Injektionsmittel ist täglich eine Rückstellprobe zu nehmen und mit dem Datum zu beschriften [Ruffe81] .