Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Zementmörtel

Der Haupteinsatzbereich für Zementmörtelbeschichtungen erstreckt sich seit Anfang dieses Jahrhunderts auf den werkseitig oder vor Ort aufgebrachten Korrosionsschutz von Trinkwasserleitungen aus Stahl oder Guß. Hierfür liegen umfangreiche Erfahrungen und Publikationen vor, die Auskunft geben über die Anforderungen, Mörtelzusammensetzung, Schichtdicken, Applikationsarten sowie über die Wirkungsweise dieses Korrosionsschutzes.

Die nachfolgenden, für Zementmörtelbeschichtungen in Trinkwasserleitungen geltenden nationalen und internationalen Normen, Regelwerke und Arbeitsblätter können sinngemäß unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen im Abwasserbereich angewendet werden:

Bundesrepublik Deutschland:

Australien/Neuseeland:

AS/NZS 1516:1994 [ASNZS1516]

USA:

Im Abwassersektor kommen reine Zementmörtelbeschichtungen für Sanierungszwecke bisher kaum zum Einsatz, da derartige Mörtel u.a. folgende Nachteile aufweisen [Boue85a] :

  • geringe Zugfestigkeit,
  • hohe Sprödigkeit,
  • Neigung zur Rißbildung,
  • eine nicht sicher beherrschbare Haftung an einigen Rohrwerkstoffen,
  • geringe Beständigkeit gegen sehr starken chemischen und biochemischen Angriff.

Die chemische und biochemische Widerstandsfähigkeit von Zementmörtel kann z.B. durch Kunststofftränkung (Polymer Impregnated Concrete - PIC) erhöht werden. Das Herstellungsverfahren hierzu umfaßt vier Stufen:

  1. Herstellen eines Bauteils aus üblichem Beton (die Festigkeit darf maximal B35 betragen) im Betonfertigteilwerk
  2. Entfernen der Feuchtigkeit aus dem Kapillarsystem des Betons in einer Trockenkammer
  3. Möglichst weitgehende Füllung des Verdichtungs- und Kapillarporenraumes mit einem niedrigviskosen Monomer in einer Vakuum- und/oder Druckkammer
  4. Polymerisation des Monomers durch Gammastrahlung oder thermische Aufheizung in einer Strahlenkammer oder einem Ofen.

Die Verbesserung der Betoneigenschaften hängt wesentlich von der Menge der aufgenommenen monomeren Subtanz, bezogen auf das Volumen, ab. Daher werden Betone mittlerer Festigkeit (B25, B35) für dieses Verfahren gewählt; sehr dichte Betone der Festigkeitsklassen B45 und höher eignen sich nicht als Ausgangstoffe. Für die heute üblichen Betonrohre ist dieses Verfahren somit nicht einsetzbar, da Rohrbeton mindestens den Anforderungen der Festigkeitsklasse B45 entsprechen muß.

Durch eine Polymerimprägnierung werden fast alle technisch wichtigen Betoneigenschaften verbessert, während direkte nachteilige Veränderungen nicht auftreten. Die Kosten für einen polymerimprägnierten Beton sind jedoch außerordentlich hoch. In Deutschland wird er daher zur Zeit nicht angewendet [Sasse94] .

Zur Verbesserung der Betoneigenschaften bei Schwefelsäureangriff werden heute immer noch die Mörtelrezepturen analog DIN 1045 [DIN1045:1988] durch den Einsatz sulfatbeständiger HS-Zemente nach DIN 1164 [DIN1164b] sowie die Verwendung kalkhaltiger Zuschlagstoffe modifiziert.

Obwohl alle Zementsorten bei Schwefelsäureangriff (Abschnitt 2.6.3.2.2) ein nahezu gleiches Verhalten zeigen, empfiehlt [Biele87a] grundsätzlich bei einem "mittleren" Angriffsgrad Zemente mit hohem Sulfatwiderstand (HS-Zemente) zu verwenden, weil Schwefelsäurekonzentrationen mit pH-Werten > 3 zusätzlich zu dem lösenden Säureangriff einen treibenden Sulfatangriff bewirken. Neuere Untersuchungen mit einem CEM III/B 32,5 NW-HS zeigen dagegen, daß bei Biogener Schwefelsäure-Korrosion der lösende Angriff wesentlich schneller und reaktionsbestimmend ist, so daß durch die Verwendung dieses Zementes mit hohem Sulfatwiderstand keine Verbesserung erzielt werden konnte [FI-Heide] .

Die Beständigkeit von Zementmörteln gegenüber Schwefelsäureangriff steigt jedoch signifikant mit Zunahme der Festigkeit und Verringerung des W/Z-Wertes, da der Porenraum entsprechend abnimmt.

In Dänemark neu entwickelte, hochfeste Zementmörtel auf der Basis von weißem Portlandzement (PZ 55) und Mikrosilika erreichen auf diese Weise eine Beständigkeit gegenüber Schwefelsäure, die derjenigen kunststoffmodifizierter Mörtel (PCC) vergleichbar ist [Densi97] .

Zuschlagstoffe aus Hartkalkstein verzögern die Wirkung Biogener Schwefelsäure-Korrosion, da neben dem Zementleim auch die Zuschlagstoffe mit der Schwefelsäure reagieren. Hierbei bildet sich das schwer wasserlösliche Calciumsulfat, das dem Beton einen gewissen Zusammenhalt und damit einen Schutz vor weiteren Korrosionseindringungen verleiht.

Versuche in Südafrika [Aardt61] ergaben eine drei- bis fünffach höhere Lebensdauer von Betonen mit kalkhaltigen Zuschlagstoffen im Vergleich zu quarzitischen Zuschlagstoffen. Nach Untersuchungen von Schremmer (1965) [Schre65] gilt dies allerdings nur bei Angriff von Schwefelsäure. Bei Angriffen von anderen Säuren ergibt sich eine deutlich geringere Anfälligkeit der Betone mit quarzitischen oder magmatischen [Stein89f] Zuschlagstoffen.

Da die Zementarten und Zuschlagstoffe zum Teil ein unterschiedliches Verhalten bei Säureangriff zeigen, sollten beim Einsatz als Schutz vor korrosiven Medien grundsätzlich Eignungsuntersuchungen durchgeführt werden.

Eine Besonderheit unter den Zementarten stellt der Tonerdeschmelzzement (TSZ) dar. Er unterscheidet sich bei der Hydratation erheblich von Portlandzementen (PZ). Während bei Portlandzement Kalziumhydroxid entsteht, bildet sich beim TSZ Aluminiumhydroxid, welches schwerer löslich ist. Eine weitere sehr bedeutsame Besonderheit des TSZ ist die sogenannte Umwandlung, bei der sich metastabile Phasen, die eine hexagonale Kristallstruktur aufweisen, in stabile kubische Phasen umwandeln. Hierbei werden nicht unerhebliche Mengen an Wasser chemisch abgespalten [Stein97n] . Da die entstehenden kubischen Kristalle durch Abspaltung des Wassers kleiner als die ursprünglich hexagonalen sind, nimmt die Porosität des Gefüges zu, was mit einem Festigkeitsabfall verbunden ist. Die Geschwindigkeit dieser Umwandlung ist in erster Linie abhängig von der Umgebungstemperatur. Während die Umwandlung bei niedrigen Temperaturen Monate dauern kann, treten bei Temperaturen > 60° C [Berns93] (andere Autoren nennen Temperaturen zwischen 40 und 80° C) und bestimmten Randbedingungen die metastabilen Phasen meist gar nicht erst auf, sondern es werden fast ausschließlich stabile Phasen gebildet. Letztgenannte Möglichkeit wird bei der Beschichtung von Gußrohren im Werk ausgenutzt. Durch Erwärmung der frisch beschichteten Gußrohre wird erreicht, daß stabile Hydratationsphasen entstehen, ohne das durch spätere Umkristallisation eine Gefügeschädigung auftritt.

Das oberste Ziel bei der Verwendung von TSZ muß es sein, die negativen Einflüsse der Umwandlung zu minimieren. Im Anhang A der europäischen Vornorm pr DIN ENV 197-10 [DINENV197] werden wesentliche diesbezügliche sowie weitere, die Dauerhaftigkeit betreffende Aspekte genannt:

  • Der W/Z-Wert, einschließlich der zu berücksichtigenden Zuschlagfeuchte, darf auf keinen Fall 0,4 überschreiten.
  • Der Zementgehalt muß mindestens 400 kg/m3; betragen.
  • Die Zuschläge dürfen keine freisetzbaren Alkalien enthalten. Der Feinstkornanteil sollte möglichst gering sein.
  • Die zur Verarbeitung verwendeten Geräte müssen sauber sein und dürfen keine Rückstände von Gips oder anderen Zementen aufweisen.
  • Bei der Verarbeitung ist auf sorfältiges Verdichten zu achten. Ein Verlust von Zementleim durch undichte Schalungen ist zu verhindern.
  • Durch geeignete Nachbehandlung ist der Frischbeton vor Austrocknung zu schützen.

Es ist jedoch auch bei Einhaltung dieser Bedingungen nicht möglich, die Umwandlung bei Temperaturen < 60° C zu verhindern. Daher sind weitere Maßnahmen für die Dauerhaftigkeit von TSZ-Mörtel erforderlich, die derzeit in Laborversuchen untersucht werden und bereits vielversprechende Ergebnisse liefern [FI-Heide] [Schmi97] .

Vorliegende Untersuchungen zeigen [Bock90] [Sand94a] [Schmi97] , daß Mörtel aus TSZ einer Biogenen Schwefelsäure-Korrosion deutlich besser widerstehen, als Mörtel aus Portlandzementen. Ein weiterer Vorteil von TSZ ist, daß er viel schneller erhärtet als PZ. Nach einem Tag erreicht die Druckfestigkeit bereits 60 N/mm2 . Die Endfestigkeit beträgt 80 bis 100 N/mm2 [Schmi97] . Nach [DINENV197] kann sie in Abhängigkeit der Lagerungsbedingungen jedoch langfristig geringer sein als die Festigkeit des jungen Mörtels.

In den USA ist bereits ein für den speziellen Einsatz in Kanalisationen entwickelter Beschichtungsmörtel auf der Basis von Tonerdeschmelzzement mit guter Beständigkeit gegenüber Biogener Schwefelsäure-Korrosion auf dem Markt [FI-Lafar] .

Da in Deutschland keine gültigen Regelwerke bezüglich TSZ vorliegen, wird bislang häufig auf den British Standard BS 915 [BS915] zurückgegriffen.

Die chemische Widerstandsfähigkeit von Mörteln kann auch durch verfahrenstechnische Maßnahmen erhöht werden z.B. durch

  • Anschleudern des Zementmörtels an die Rohrinnenwand zur Erzielung einer hohen Mörtelverdichtung oder
  • Herstellung eines Kolloidalmörtels [Hache79] .

Die Herstellung des Kolloidalmörtels erfolgt in zwei Mischstufen. In der ersten werden Wasser und Zement in Hochenergiemischern so intensiv miteinander vermischt, daß das binäre Feststoff-Flüssigkeits-System des Zementleimes zu einem Kolloid umgewandelt wird. In einer zweiten Mischstufe können beliebige Zusatzstoffe oder -mittel unter reduzierter Energieeintragung hinzugegeben werden. Die erreichbaren Mörtelqualitäten liegen beträchtlich höher als bei üblichen Zementmörteln [FI-Voss] (Erhöhung der Biegezugfestigkeit auf 14 N/mm2 (12,5 N/mm2 nach 28 Tagen [Latz89] ; bei Zusatz von Glasfasern bis auf 25 N/mm2 [NN84a] ).

Anwendungsversuche haben gute Haftfestigkeiten von Kollodialmörteln auf Werkstoffen unterschiedlicher Art und Zusammensetzung , wie z.B. Stahl, Guß oder Beton, ergeben. Aufgrund des im Vergleich zu normalem Zementmörtel 70-75 % niedrigeren Schwindverhaltens von Kolloidalmörtel ist das nachträgliche Aufbringen dieser Beschichtungen mit Schichtdicken bis 100 mm ohne die Gefahr von Ablösungserscheinungen möglich. Das Abbinden erfolgt schneller als bei herkömmlichen Zementmörteln; eine Entmischung findet auch bei Anwesenheit von Wasser nicht statt.

Der Kolloidalmörtel darf nicht auf feuchte oder mit einem Wasserfilm versehene Flächen aufgebracht werden, da er, bedingt durch seine spezielle Herstellungsart, nicht mehr in der Lage ist, Wasser aufzunehmen und in diesem Fall einen Verbund mit der Oberfläche einzugehen.

Die Mischung selbst darf nicht zu lange aufbereitet werden, da sonst das Zementkorn zu fein wird, was zu einer sprunghaften Veränderung der Schwindeigenschaften führt.

Eine gleichbleibende Mörtelqualität ist auf der Baustelle nur sehr schwer zu realisieren.

Hinsichtlich der Beständigkeit gegenüber Biogener Schwefelsäure-Korrosion ergaben im Jahre 1984 durchgeführte Untersuchungen an Kolloidal-Beton-Prüfkörpern im H2S - Schadgasschrank der "Mikrobiologie der Universität Hamburg" bei 30° C, einer relativen Luftfeuchte von 95 % und unter Zugabe von Schwefelsäurevorstufen und schwefelsäurebildenden Thiobazillen, daß dieser Werkstoff einem "mittleren Angriffsgrad" im Sinne der DIN 4030 [DIN4030-1:1991] gut widersteht.

Für die Herstellung von Kolloidalmörteln sind grundsätzlich alle Zementsorten geeignet. Zur Erzielung optimaler Ergebnisse ist jedoch die Verfahrensweise des Mischens der jeweiligen Zementsorte anzupassen [Hache79] .

In einem Sammler in Hamburg wurde für Versuchszwecke ein spezieller Kolloidalmörtel aus HS-Zement (PZ 45 F HS NA), basischen Zuschlagstoffen (Dolomit-Brechsand, Dolomit-Feinsplitt und Klinkermehl als Füller) sowie einem Bitumen-Zusatz (Zugabe einer hochstabilen, anionischen Bitumenemulsion in dispergierter Form zum Anmachwasser) getestet. Die Beschichtung erfolgte im Aufspritzverfahren mit Schichtdicken zwischen 5 und 30 mm je nach Angriffsgrad der Rohroberfläche. Die so hergestellte Beschichtung zeigte eine sehr dichte Oberfläche, wobei durch die Bitumenzugabe ein Kapillarschluß, das Abdichten feinster Risse und die Erhöhung der Gasdichte bewirkt wurde. Hierdurch erhoffte man sich eine erhebliche Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit, zumal auch die basisch reagierende Oberfläche die Lebensbedingungen der Bakterien verschlechtert.Im Rahmen des Großversuches zeigte sich jedoch, daß dieser Kolloidalmörtel bei Auftreten Biogener Schwefelsäure nicht geeignet ist, und daher nicht mehr eingesetzt werden sollte.

Bezüglich der vorbereitenden Maßnahmen bei der Beschichtung mit Zementmörtel gelten die grundsätzlichen Ausführungen des (Abschnitt 5.3.1.3.1) . In diesem Fall müssen die Kanalinnenoberflächen zur Erzielung einer einwandfreien Haftung vor Aufbringung der Beschichtung feucht sein und der Erhärtungsvorgang unter ausreichendem Feuchtigkeitsangebot und unter Berücksichtigung der Temperaturen ablaufen. Die Haltungsenden sind zu verschließen.

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)