Indirekte Kosten bei Kanalsanierungen
Die öffentlichen Kanalnetze liegen zwangsläufig fast ausschließlich in öffentlichen Flächen (Abschnitt 1.11) . Diese Flächen - meistens die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen - sind einer äußerst vielfältigen Nutzung unterworfen. Zur Kanalsanierung erforderliche Baustellen berühren je nach eingesetztem Bauverfahren diese Nutzungen mehr oder weniger.
Die bis heute stetige Zunahme des Individualverkehrs in den Städten, verbunden mit Abgasemissionen, Lärmentwicklung und Verknappung der Flächenverfügbarkeit, die Abhängigkeit der verschiedenen Wirtschaftsbetriebe von ihrer Erreichbarkeit und die Zunahme der erforderlichen Kanalbaumaßnahmen stehen einander in vielen Fällen als Konkurrenten gegenüber. Häufig resultiert daraus die Forderung, indirekte Wirkungen in die Entscheidung über Bauverfahren einzubeziehen.
Alle Aspekte der Sanierung, die den Kostenträger wirtschaftlich belasten und aus seinem Haushalt oder Wirtschaftsplan zu tragen sind, führen zu direkten Kosten. Daneben sind je nach Situation z.B. mit der Beeinflussung von Einzelhandelsgeschäften und des Straßenverkehrs, der Emission von Lärm und Schadstoffen, mit einer Beeinflussung der Restnutzungsdauer von Straßenoberbauten und der nicht direkt regulierten Schädigung von Straßenbäumen eine Reihe von nachteilig beeinflußten Gesichtspunkten zu erwarten, die den Träger der Baumaßnahme wirtschaftlich nicht betreffen, sondern als indirekte oder externe Kosten der Sanierungsmaßnahme bezeichnet werden können.
Statistische Erhebungen zum subjektiven Störungsempfinden oder konkrete Datenermittlungen zu Einzelgesichtspunkten liegen für die Bundesrepublik Deutschland bislang nicht vor. In Paris ergab eine Befragung [Beros92] an 6 Baustellen mit offener Leitungsverlegung, daß sich über 40 % der Befragten extrem oder stark beeinträchtigt fühlten. Lärm zusammen mit Erschütterungen, Schmutz, Staub und Behinderungen des Verkehrsflusses wurden als wichtigste Gesichtspunkte genannt. Die nicht repräsentative Umfrage ergab, daß mehr als 70 % der Befragten bereit seien, Erhöhungen der Preise für Ver- und Entsorgungsleistungen zu akzeptieren, um eine Verminderung der baulichen Beeinträchtigungen zu ermöglichen.
Eine 1985 in Großbritannien im Auftrag der Regierung veröffentlichte Untersuchung [Horne85a] nennt für etwa 3 Mio. Baustellen im Straßenbereich indirekte Kosten der Verkehrsteilnehmer in Höhe von 35 Mio. Britischen Pfund. Nicht zuletzt durch diese Untersuchung ergab sich in 1991 die Verabschiedung des "New Roads and Street Work Act", der die Koordination von Baustellen im Verkehrsraum regelt und auch eine Diskussion über Gebühren zur Inanspruchnahme von Straßenraum eröffnete [Ling93] . In der Folge beschäftigten sich in Großbritannien mehrere Veröffentlichungen mit den indirekten Wirkungen von Leitungsbaumaßnahmen [Daley92] [Thoms95] [Vickr92] [Boyce94] [Thoms94] . Gemeinsam wird das Ziel vertreten, Projektentscheidungen gesamtwirtschaftlich zu fällen, wobei die Beeinflussung des Straßenverkehr einen zentralen Gesichtspunkt darstellt.
Thomson [Thoms95] beschreibt die Gesichtspunkte umfassend. Er differenziert direkte, indirekte und soziale Kosten, wobei direkte Kosten die Planungs- und Herstellungskosten sowie Betriebskosten beinhalten, indirekte Kosten Schäden durch Umsatzverluste ansässiger Geschäfte, an Fremdanlagen und Pflanzen sowie die Verringerung der Nutzungsdauer von Fahrbahndecken bzw. durch erhöhten Straßenunterhaltungsaufwand. Soziale Kosten können sich ergeben aus Verkehrsbehinderungen, erhöhten Unfallzahlen, Verminderung allgemeinen Wohlbefindens sowie erhöhter Umweltbelastung (Lärm, Erschütterungen, Luftverschmutzung). Insbesondere Vickridge [Vickr92] und Boyce und Bried [Boyce94] geben zu einigen Aspekten generelle Monetarisierungsansätze.
Verschiedene deutsche Veröffentlichungen zeigen ebenfalls die Aktualität der Diskussion. Krier [Krier94] faßt die Gesichtspunkte Bauzeit, Baufläche, Schutzgüter, Lärm, Erschütterungen, Umleitungen, Kostenbarwerte, Hydraulik, Anschlüsse und Unterhaltungskosten im Rahmen einer Nutzwertanalyse zusammen. Haußmann [Haußm95] nennt die Gesichtspunkte Emissionen (Lärm, Staub, Abgase), Verkehrsbeeinträchtigungen sowie Schonung von Bäumen und Grünanlagen. Stein [Stein95g] nennt die "Minimierung der Umweltbeeinträchtigung und der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten durch eine einmalige Baumaßnahme" als Vorteil des Leitungsganges, wodurch aber ebenso ein Zielaspekt der einzelnen Kanalbaumaßnahme beschrieben ist.
Grunwald [Grunw97a] schlägt für die Aspekte "Einbußen von Wirtschaftsunternehmen", "Kosten der Verkehrsteilnehmer", "Lärm", "Schadstoffemissionen", "Restnutzungsdauern von Straßenoberbauten" und "Schädigung von Straßenbäumen" Monetarisierungsansätze vor, die nachfolgend kurz erläutert werden sollen.
Die Monetarisierung indirekter Wirkungen erfordert eine große Zahl von Annahmen, welche stark von zeitlich veränderlichen Daten (z.B. spezifische Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen, Umsatzdaten im Einzelhandel) abhängig sind. Ähnlich wie die auf die direkten Kosten Einfluß nehmenden Preise der Bauleistungen für Kostenberechnungen ständig angepaßt werden müssen, sind auch die Eingangsdaten zur Bestimmung indirekter Kosten fortlaufend zu aktualisieren.