Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Strategieanalysen

Das Prognosemodell von "STATUS-Kanal" bildet eine solide Grundlage für Wirksamkeitsanalysen von Sanierungsentscheidungen. Durch die Vorgabe von Budgetgrößen, ökologischen und hydraulischen Anforderungen sowie weiteren netzspezifischen Randbedingungen können verschiedene Strategien hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Substanzentwicklung, die Sanierungskosten, die Gebührenhöhe etc. eingehend untersucht werden.

Die Prognose der netzspezifischen Alterungsprozesse erlaubt dabei den zukünftigen Sanierungsbedarf und die Wirksamkeit bzw. die Wirtschaftlichkeit der gewählten Sanierungsstrategie für unterschiedliche Planungszeiträume zu verfolgen und zu beurteilen. Gleichzeitig lassen sich vorausschauende Aussagen zum erforderlichen finanziellen und personellen Mitteleinsatz ableiten, so dass die Diskussion zwischen technischen und kaufmännischen Entscheidungsträgern eine belastbare Basis erhält.

Im Rahmen der Strategieentwicklung werden verschiedene Handlungsoptionen systematisch ausgewertet.

Im ersten Planungsschritt werden in Abhängigkeit vom baulichen Zustand, d.h. der Zustands- und Substanzklasse, Interventionskriterien zur Sanierung festgelegt. Diese sind abhängig von der Risikobereitschaft des Netzbetreibers. So kann eine "Sicherheits-Strategie" gewählt werden, in der bereits bei einem geringen Schadensumfang in Form von Renovierungen oder Erneuerungen interveniert wird. Dem gegenüber kann eine "Risiko-Strategie" verfolgt werden, in der erst erneuert wird, wenn ein Ausfall vorliegt.

Der Strategiefindungsprozess erfolgt zweckmäßigerweise durch die Auswertung mehrerer Sanierungsstrategien (vgl. DWA-M 143-14 [DWAM143-14:2005]) und der durch sie verursachten langfristigen Kosten- und Zustandsentwicklungen. Auf diese Weise kann ein optimaler Handlungspfad identifiziert werden, der einen tragbaren Kompromiss zwischen den konkurrierenden Zielgrößen darstellt.

Nachfolgend sind beispielhaft die Entwicklungen verschiedener Indikatoren in Folge einer "Moderaten Strategie" mit unterschiedlichen Budgetgrößen erläutert. Für die Analysen wurde das Entwässerungssystem einer deutschen Mittelstadt zugrunde gelegt.

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Bild 5.7.1.1.1.2.1-1: 

Jährliche Sanierungskosten im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert (WBW) unter Einsatz verschiedener Budgetgrößen [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

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Bild 5.7.1.1.1.2.1-2: 

Substanzwertentwicklung bis 2035 unter Einsatz verschiedener Budgetgrößen [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

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Bild 5.7.1.1.1.2.1-3: 

Kumulierte Kostensumme aus Sanierungskosten und monetarisiertem Substanzwertverlust [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

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Bild 5.7.1.1.1.2.1-4: 

Relative Veränderung des Ausfallrisikos bezogen auf das Jahr 2005 [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

Sanierungskosten

Die jährlichen Sanierungskosten setzen sich zusammen aus Reparatur-, Renovierungs- und Erneuerungskosten.

Das verfügbare Budget wird entsprechend den festgelegten Interventionskriterien eingesetzt. Die jährliche Gesamtsanierungslänge sowie die Sanierungslängen bezogen auf die verschiedenen Sanierungsarten variieren aufgrund der netzspezifischen Alterungsprozesse. Im (Bild 5.7.1.1.1.2.1-1) ist zu sehen, dass ein Jahresbudget von 2.5 % des Wiederschaffungswertes (WBW) ab 2017 nicht voll zu verausgabt werden braucht, da der Sanierungsrückstand bereits abgebaut wurde und der Erneuerungsbedarf mittelfristig sinkt. Wird ein Budget von 2,0 % des Wiederschaffungswertes zugrunde gelegt, entsteht erst ab 2030 ein Budgetüberschuss. Ein Budget von ca. 1.3 % des Wiederschaffungswertes würde im Betrachtungszeitraum bis 2035 vollständig aufgebraucht.

Substanzwertentwicklung

(Bild 5.7.1.1.1.2.1-2) zeigt die Entwicklung der Substanzwertentwicklung des Netzes unter Einsatz verschiedener Budgetgrößen. Der monetarisierte Substanzwert orientiert sich am "Neuwert" bzw. an dem Wiederbeschaffungswert der Haltungen. Ausgehend von der baulichen Substanz und der damit verbundenen technischen Restnutzungsdauer der Haltungen wird jeweils ein Abschlag auf den Wiederbeschaffungswert vorgenommen. Der Abschlag wird gemäß DWA-M 143-14 [DWAM143-14:2005] aus dem Anteil der Restnutzungsdauer an der Gesamtnutzungsdauer errechnet.

Im (Bild 5.7.1.1.1.2.1-2) ist deutlich zu erkennen, dass eine Budgetgröße von 1.3 % des Wiederschaffungswertes langfristig zu einem kontinuierlichen Substanzverzehr führt. Ein Budgeteinsatz von 2.5 % des Wiederschaffungswertes führt bis 2020 zu einem deutlichen Substanzaufbau. Da der Erneuerungsbedarf anschließend sinkt und entsprechend nicht mehr das volle Budget für Sanierungsmaßnahmen ausgenutzt zu werden braucht, sinkt der Substanzwert nach 2020. Ein relativ kontinuierlicher Substanzaufbau bis 2030 mit anschließender Konsolidierungsphase wird mit einer jährlichen Budgetgröße von 2.0 % des Wiederschaffungswertes erreicht.

Kostensumme aus Sanierungskosten und monetarisiertem Substanzwertverlust

Um eine kombinierte Bewertungsgröße bei der Beurteilung verschiedener Budgetgrößen zu erhalten, werden die Sanierungskosten und der monetarisierte Substanzwertverlust überlagert. Auf diese Weise wird die wirtschaftliche Effektivität einer gewählten Budgetgröße verdeutlicht.

Im (Bild 5.7.1.1.1.2.1-3) ist die kumulierte Kostensumme aus Sanierungskosten und monetarisiertem Substanzwertverlust zu sehen. Es ist deutlich zu erkennen, dass ein jährlicher Budgeteinsatz von 1.3 % des Wiederschaffungswertes im betrachteten Netz langfristig die kostenintensivste Variante dargestellt.

Ausfallrisiko

Die Ausfallrisiken im Entwässerungssystem infolge der unterschiedlichen Budgetvorgaben sind im (Bild 5.7.1.1.1.2.1-4) veranschaulicht. Dargestellt sind die relativen Veränderungen des Ausfallrisikos im Prognosezeitraum bezogen auf das Jahr 2005. Die Untersuchung zeigt, dass ein jährlicher Budgeteinsatz von 1.3 % des Wiederschaffungswertes einen deutlichen Anstieg des Ausfallrisikos verursacht. Sofern jährlich 2.0 % des Wiederschaffungswertes als Sanierungsbudget zur Verfügung stehen, kann das Ausfallrisiko ab 2020 unter das heutige Niveau gebracht werden, während ein Jahresbudget von 2.5 % des Wiederschaffungswertes durchgängig zu einer höheren Sicherheit im Entwässerungssystem führt.

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)