Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Sanierung

Nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] versteht man unter Sanierung alle Maßnahmen zur Wiederherstellung oder Verbesserung von vorhandenen Entwässerungssystemen.

Bei schadhaften Kanälen sowie Bauwerken der Ortsentwässerung, die nicht außer Betrieb genommen werden können, d.h. deren Funktionsfähigkeit im Sinne der DIN 31051 [DIN31051:1985] nicht beabsichtigt unbefristet unterbrochen werden kann, ist eine Sanierung unbedingt erforderlich, wenn

  • der Abnutzungsvorrat soweit abgebaut ist, daß eine Schadensgrenze erreicht ist, ab der die Funktionsfähigkeit in Frage gestellt ist (Bild 5-1) ;
  • durch innere oder äußere nicht geplante, zufällige Einwirkungen eine Störung oder ein Ausfall, d.h. eine unbeabsichtigte Unterbrechung der Funktionsfähigkeit eintritt.

Wird ein festgestellter Schaden nicht rechtzeitig behoben, so kann es zum Ausfall sowie zu weiteren gravierenden Auswirkungen, z.B. auf die Umwelt, die Entsorgungssicherheit, den Verkehr und die Volkswirtschaft im allgemeinen, kommen.

In einem solchen Fall wird noch sehr oft die Schadensbehebung nach der sogenannten Feuerwehrstrategie betrieben; d.h. es können für die entsprechenden Sofortmaßnahmen keine Ausschreibungen erfolgen, was im allgemeinen höhere volkswirtschaftliche Kosten als im Normalfall bedingt.

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Bild 5-1: 

Ablaufdiagramm für die Sanierung von Entwässerungssystemen in Anlehnung an [DINEN752-5:1997] [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

Für die Erarbeitung, Ausführung und Kontrolle der Sanierungsmaßnahmen gibt DIN EN 752-5 [DINEN752-5:1997] das im (Bild 5-1) dargestellte Ablaufdiagramm vor.

Es stellt die unmittelbare Fortsetzung der in den vorangegangenen Kapiteln behandelten Arbeitsschritte

  • Vorplanung,
  • Feststellung und Beurteilung des Istzustandes

dar und setzt die abgeschlossene Ermittlung der Mängelursachen aufgrund der Ergebnisse der hydraulischen, umweltrelevanten und baulichen Untersuchungen voraus (Abschnitt 4.1) .

Die möglichen Lösungsansätze können hydraulische, umweltrelevante oder bauliche Aspekte betreffen und Verbesserungen in einem oder mehreren dieser Bereiche erzielen [DINEN752-5:1997] .

Hydraulische Lösungsansätze sind [DINEN752-5:1997] :

  • Maximierung der verfügbaren Abflußkapazität durch:
    • Beseitigung von Abflußhindernissen,
    • Reinigung.
  • Verringerung des Zuflusses in eine Kanalisation durch:
    • Überleitung von Regenwasser in Versickerungsanlagen oder auf durchlässige Flächen,
    • Verwendung durchlässiger Oberflächenbefestigungen,
    • Überleitung von Abflüssen in ein anderes System,
    • Bau von zusätzlichen Regenwasserkanälen,
    • Verminderung der Infiltration und des Fremdwasserzuflusses.
  • Dämpfung des Spitzenabflusses durch:
    • Nutzung des bestehenden Speichervermögens des Systems (gezielte Abflußsteuerung),
    • Nutzung von Speichermöglichkeiten auf der Oberfläche,
    • Bereitstellung zusätzlicher Speicher (Speicherkanal oder Speicherbecken).
  • Vergrößerung der Abflußkapazität der Kanalisation durch:
    • Erneuerung mit größerem Rohrquerschnitt,
    • Bau zusätzlicher Leitungen.

Umweltrelevante Lösungsansätze können sein [DINEN752-5:1997] :

  • Verringerung der Schadstoffeinträge in das System,
  • Verminderung der vorgesehenen Schadstoffeinleitungen in den Vorfluter durch:
    • Vergrößerung des Zuflusses zur Abwasserbehandlung,
    • Verbesserung des Feststoffrückhalts und der hydraulischen Leistungsfähigkeit der Regenentlastungsbauwerke,
    • Kanalnetzbewirtschaftung (Echtzeitkontrolle).
  • Verringerung der Auswirkungen durch Verlegen der Einleitungsstellen,
  • Verminderung der Exfiltration, z.B. durch:
    • Behebung von Undichtigkeiten,
    • wasserdichte Auskleidung,
    • Erneuerung der Leitung.

Einen besonderen Schwerpunkt, auf den nachfolgend ausschließlich eingegangen werden soll, bilden die baulichen Lösungen (auch bauliche Sanierung genannt). Sie beinhalten nach DIN EN 752-5 [DINEN752-5:1997] :

  1. Schutz der Kanalsubstanz durch geeignete Auskleidungen oder Innenbeschichtungen.
  2. Sanierung der Kanalsubstanz durch:
    • Reparatur,
    • Renovierung,
    • Erneuerung.
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Bild 5-2: 

Übersicht über die Verfahrenshauptgruppen zur baulichen Sanierung von Entwässerungssystemen. [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

Bei den baulichen Lösungen zum Schutz der Kanalsubstanz handelt es sich um prophylaktische Maßnahmen, die z. B. beim Neubau oder bei Nutzungsänderungen von Kanälen oder Kanalnetzbereichen Anwendung finden. Sie sind identisch mit den bei der Renovierung eingesetzten Verfahren und werden deshalb dort behandelt (Abschnitt 5.3) .

Die zur Sanierung der Kanalsubstanz zählenden Verfahren für die baulichen Sanierung beinhalten jeweils mehrere Verfahrenshauptgruppen mit einer Vielzahl von Spezialverfahren (Bild 5-2)

Im Rahmen der Beurteilung der möglichen Lösungen ist die optimale Lösung unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Anforderungen (Abschnitt 5.1) und weiterer Aspekte auszuwählen, wie z.B. [DINEN752-5:1997] :

  • Bauphasen
    Es ist zu prüfen, ob sich die Lösung in mehrere Bauphasen aufteilen läßt. Dabei sind die Dringlichkeiten der verschiedenen Arbeiten, die mit den verschiedenen Phasen erzielbaren Nutzen sowie die Kosteneinsparungen durch Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt zu berücksichtigen.
  • Wiederverwertung von Werkstoffen
    Die Möglichkeit der Wiederverwertung der bei der Sanierung eingesetzten Werkstoffe sowie der entstehenden Abfälle ist zu berücksichtigen.
  • Koordinierung mit anderen Infrastrukturmaßnahmen
    Die Vorteile der Koordinierung der Arbeiten mit anderen Infrastrukturmaßnahmen sind zu beachten.
  • Störung der Öffentlichkeit
    Die Störung der Anwohner und der Öffentlichkeit durch Verkehrsbehinderungen, Staub, Lärm und andere Störquellen ist zu beachten.
  • Belastung aus zukünftigem Unterhalt
    Die zukünftigen Betriebs- und Unterhaltskosten des sanierten Systems sollten berücksichtigt werden. Die umweltrelevanten Auswirkungen der Entsorgung der Rückstände aus dem Unterhalt sind ebenfalls zu beachten.
  • Wirtschaftliche Beurteilung
    Kosten und Nutzen sind zu berücksichtigen, um festzustellen, ob zusätzlicher Nutzen einer Lösung gegenüber einer anderen, z.B. erhöhte Nutzungsdauer, gerechtfertigt sind.
  • Gesamtkosten
    Die Gesamtkosten der Lösungen müssen zusammen mit den indirekten Kosten (z.B. Kosten für die Störung der Öffentlichkeit) berücksichtigt werden. Die Gesamtkosten enthalten auch die Kosten aller provisorischen Maßnahmen, die Umlegungskosten anderer Ver- und Entsorgungsleitungen und alle Planungs- und Untersuchungskosten [DINEN752-5:1997] (Abschnitt 5.7) .

Die gewählten Sanierungslösungen eines Entwässerungssystems sind in einem einzigen Sanierungsplan zu dokumentieren. Diese Dokumentation sollte enthalten:

  • detaillierte Zielsetzungen,
  • gesetzliche Anforderungen oder Erlaubnisse einschließlich aller Sanierungsfristen,
  • Leistungsanforderungen,
  • Prioritäten,
  • vorgesehene Maßnahmen einschließlich Kosten und Bauphasen,
  • Koordinierung mit anderen Baumaßnahmen oder geplanten Erschließungen sowie
  • Auswirkungen auf Betrieb und Unterhalt [DINEN752-5:1997] .

Die Kontrolle der Wirksamkeit der Sanierung und die Fortschreibung des Sanierungsplanes einschließlich der Aufzeichnungen (Kataster) sowie des hydraulischen Modells sind wichtig [DINEN752-5:1997] .

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)