Generelle Anforderungen
Nach DIN EN 752-5 [DINEN752-5:1997] muß der Sollzustand eines Bauteils, eines Kanalisationsabschnittes, einer Haltung, eines Netzbereiches oder Entwässerungsystems nach erfolgter Sanierung mindestens den gleichen Anforderungen genügen, die für eine neu herzustellende Kanalisation gelten. Dies trifft selbstverständlich auch auf die dabei eingesetzten Werkstoffe und Bauteile zu [Rothe83] .
Ihre möglichen Beanspruchungen und entprechenden erforderlichen Eigenschaften enthält in sehr allgemeiner Form (Tabelle 5.1-1) .
Werkstoffbeanspruchung | Werkstoffeigenschaft | |
---|---|---|
Mechanisch durch | Transport | Schlag− und Stoßfestigkeit |
Einbau | Schlag− und Stoßfestigkeit | |
Erdauflast, Bodenmaterial, Verdichten, Verkehrsbelastungen | Formbeständigkeit, Tragfähigkeit, Druckfestigkeit | |
Setzungen | Beweglichkeit in der Rohrverbindung | |
Wasserdruck, Auftrieb | Gewicht, Druckfestigkeit | |
Innendruck | Materialzugfestigkeit | |
Hohe Fließgeschwindigkeit Transportierte Feststoffe Reinigungsgeräte |
Harte Rohroberfläche, Abtriebfestigkeit |
|
Chemisch durch | Anorganische Säuren, Laugen, Salze | Korrosionsfeste Oberfläche der Rohre und Muffenverbindungen |
organische Substanzen, Lösemittel | ||
Wechselnde Zusammensetzung des Abwassers | ||
Kondensat, Dämpfe | ||
Biologische Reaktionen | ||
Sonstige durch | Durchwurzelung | Wurzelfeste Rohrverbindungen |
Temperatur | Temperaturbeständigkeit |
Auf die verfahrensspezifischen Anforderungen und Regelwerke wird in den jeweiligen Abschnitten näher eingegangen.
Nach DIN EN 752-5 [DINEN752-5:1997] erfordern bei der Sanierung folgende Punkte eine besondere Beachtung :
- hydraulische Leistungsfähigkeit,
- Betrieb und Unterhalt ( (Abschnitt 3.1) , DIN EN 752-2 [DINEN752-2] und 752-7 [DINEN752-7] ),
- Auswahl der Werkstoffe,
- Einschränkungen bezüglich Zugänglichkeit und Einbaubedingungen,
- Behandlung der Anschlüsse,
- Werterhaltung.
Die grundsätzlichen Anforderungen an den Betrieb der Kanalisationen enthält DIN EN 752-2 [DINEN752-2]. Darin werden in diesem Zusammenhang gefordert:
- Verstopfungsfreier Betrieb,
- Begrenzung der Überflutungshäufigkeiten auf die vorgeschriebenen Werte,
- Schutz von Gesundheit und Leben der Öffentlichkeit,
- Begrenzung der Überlastungshäufigkeiten auf die vorgeschriebenen Werte,
- Schutz von Gesundheit und Leben des Betriebspersonals,
- Schutz der Vorfluter vor Verschmutzung im Rahmen festgelegter Grenzen,
- Ausschluss der Gefährdung von bestehenden, angrenzenden Bauten und Versorgungseinrichtungen,
- Erreichung der geforderten Nutzungsdauer und Erhaltung des baulichen Bestandes,
- Wasserdichtheit gemäß den Prüfanforderungen,
- Vermeidung von Geruchsbelästigungen und Giftigkeit sowie
- Sicherstellung der geeigneten Zugänglichkeit für Unterhaltszwecke.
Weitere generelle Anforderungen sind in folgenden Normen enthalten:
- DIN EN 752: Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden, Teil 1: Allgemeines und Definitionen [DINEN752-1:1996] , Teil 2: Anforderungen [DINEN752-2] , Teil 3: Planung [DINEN752-3] , Teil 4: Hydraulische Berechnung und Umweltschutzaspekte [DINEN752-4] ,
- DIN EN 13380: Allgemeine Anforderungen an Bauteile für die Renovierung und die Reparatur von Abwasserleitungen und -kanälen außerhalb von Gebäuden [DINEN13380] ,
- DIN EN 1610: Verlegen und Prüfung von Abwasserkanälen und -leitungen [DINEN1610:1997]
- DIN 1986: Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke, Teil 1: Technische Bestimmungen für den Bau [DIN1986-1:1995] ,
- DIN EN 476: Allgemeine Anforderungen an Bauteile für Abwasserkanäle und -leitungen für Schwerkraftentwässerungssysteme [DINEN476:1997] ,
- DIN EN 12889: Grabenlose Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen [DINEN12889:1997] ,
- ATV-A 125: Rohrvortrieb [ATVA125:1996] ,
- ATV-A 139: Richtlinien für die Herstellung von Entwässerungskanälen und -leitungen [ATVA139:1988] .
Neben diesen übergeordneten Normen und Arbeitsblättern sind die jeweiligen Fachnormen für die Rohrwerkstoffe sowie für die Dichtstoffe und Dichtringe zu berücksichtigen ( (Abschnitt 1.7.1) und Anhang: Europäische Normen).
Für den Fall, daß in der Bundesrepublik Deutschland Baustoffe und Bauteile, also auch Rohre, aus Werkstoffen verwendet werden sollen, die noch nicht allgemein gebräuchlich sind und sich noch nicht bewährt haben, aber im Geltungsbereich der Bauordnungen prüf- oder zulassungspflichtig sind, muß dafür entweder eine Zulassung oder ein Prüfbescheid beim Deutschen Institut für Bautechnik, Berlin, beantragt werden.
Zulassungen und Prüfbescheide, die von diesem Institut erteilt werden, haben nur eine begrenzte zeitliche Gültigkeit und sind auf Antrag von Zeit zu Zeit zu erneuern. Sonstige Einzelheiten regeln die Prüfzeichenverordnungen der Länder.
Vielfach ist unbekannt, daß Normen, Zulassungen und Prüfbescheide nicht automatisch Bestandteile von Werk- und Lieferverträgen werden. Es ist immer notwendig, diese Bestimmungen ausdrücklich zum Vertragsbestandteil zu erklären. Ggf. kann es erforderlich sein, einzelne Abschnitte der jeweiligen Norm hervorzuheben. Eine genaue Kenntnis der Norm ist im Einzelfall unerläßlich.
Bei der Anwendung von Verfahren zur baulichen Sanierung besteht die Gefahr, daß die besonderen Bedingungen der Abwasserableitung unzureichend berücksichtigt und die Einsatzmöglichkeiten von Verfahren falsch eingeschätzt werden. Daher sollten die Verfahren gemäß der Gliederung in (Tabelle 5.1-2) beschrieben werden. Hierdurch erhält man die Möglichkeit, diese auf ihre Brauchbarkeit hin zu beurteilen und miteinander zu vergleichen [ATVM143-1:1989] .
Häufigkeit der Bemessungsregen*) (1 mal in "n" Jahren) |
Ort | Überflutungs− häufigkeit (1 mal in "n" Jahren) |
---|---|---|
1 in 1 | Ländliche Gebiete | 1 in 10 |
1 in 2 | Wohngebiete | 1 in 20 |
Stadtzentren, Industrie− und Gewerbegebiete: | ||
1 in 2 | − mit Überflutungsprüfung | 1 in 30 |
1 in 5 | − ohne Überflutungsprüfung | − |
1 in 10 | Unterirdische Bahnanlagen, Unterführungen | 1 in 50 |
* Für Bemessungsregen dürfen keine Überlastungen auftreten. |
Die Beschreibungen der Verfahren in den nachfolgenden Abschnitten enthalten nicht alle o.a. erforderlichen Hinweise. Gründe hierfür sind vor allem Neuheitsgrad, fehlende Untersuchungen oder bewußtes Zurückhalten von Informationen seitens der Anbieter.
Normung, Zulassung, Prüfbescheide und sorgfältige Herstellung von Rohren, Formstücken usw. reichen allein zur Vermeidung zukünftiger Schäden nicht aus. Wenn man von Fehlern, die beim Transport gemacht werden können, absieht, ist vor allen anderen Dingen die sachgerechte Ausführung von entscheidender Bedeutung.
Nach [Fried97] sind Städte, Gemeinden und Ingenieurbüros daher gehalten, ausschließlich nur noch solche Firmen zu beauftragen, die die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen sowie über ausreichende wirtschaftliche und technische Mittel verfügen, also nur solche Firmen, welche die Mindestanforderungen gemäß Verdingungsordnung für Bauleistungen nach (VOB) DIN 1960, § 25 Abschnitt 2, Abs. 1 [DIN1960-A] erfüllen und nachweisen.
1 Kurzbeschreibung |
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2 Beschreibung des Kurz− und Langzeitverhaltens der eingesetzten Werkstoffe |
Angaben über z.B.
|
3 Anwendungsbereiche |
3.1 Schadensbilder |
Angaben über die Anwendbarkeit bei z.B.
|
3.2 Objekt der Schadensbehebung |
Angaben über die Anwendbarkeit im Hinblick auf z.B.
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3.3 Betriebsbedingungen |
Angaben über z.B.
|
4 Ausführung |
4.1 Vorarbeiten |
Angaben über z.B.
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4.2 Arbeitsablauf |
Eingehende Beschreibung des Arbeitsablaufs mit Angaben über z.B.
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4.3 Abschlußarbeiten |
Angaben über z.B.
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5 Abnahme und Gewährleistung |
6 Erfahrungen, Referenzen |
In Erkenntnis dieser Tatsache ist auf Initiative der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV) Ende 1988 die Gütegemeinschaft "Herstellung und Instandhaltung von Entwässerungskanälen und -leitungen Güteschutz Kanalbau" gegründet worden.
Ziel der Gütegemeinschaft ist es, die Qualität des Kanalbaus und -betriebes zu sichern und zu verbessern [Gütes97b] . Dies geschieht durch die Beurteilung der Eignung von Firmen, deren Zertifizierung mit einem Gütezeichen sowie die Überwachung der Herstellung und Instandhaltung von Entwässerungskanälen und -leitungen im Rahmen der Fremdüberwachung der Firmen und Baumaßnahmen.
Die Fremdüberwachung umfaßt insbesondere die Kontrolle der von den Firmen durchzuführenden Eigenüberwachung (Qualitätskontrolle).
Die Gütegemeinschaft verleiht seit dem 19.1.1990 an qualifizierte Firmen, die auf den genannten Gebieten tätig sind, RAL-Gütezeichen (Bild 5.1-1) , wenn die von der Gütegemeinschaft aufgestellten Güte- und Prüfbestimmungen erfüllt werden. Dies wird zunächst durch die sogenannte Erstprüfung nachgewiesen, bei Gütezeicheninhabern erfolgt eine regelmäßige Fremdüberwachung durch eine Außenstelle der Gütegemeinschaft [Gütes97a] . So wird ein höchstmögliches Maß an Eigenverantwortung bei den beteiligten Firmen sichergestellt.
Für Tätigkeitsbereiche der Herstellung und Instandhaltung von Abwasserleitungen und -kanälen wurden verschiedene Beurteilungsgruppen definiert, deren Beschreibung u. a. auf den Definitionen des ATV-M 143 Teil 1 [ATVM143-1:1989] basieren:
Die Beurteilungsgruppen sind wie folgt definiert:
Die Beurteilungsgruppen AK3 und AK2 sind Bestandteil der Beurteilungsgruppe AK1. Die Beurteilungsgruppe AK3 ist Bestandteil der Beurteilungsgruppe AK2. Die Beurteilungsgruppe D ist Bestandteil der Beurteilungsgruppen AK3, AK2, AK1, VP, VM, VD, VO, VOD, S und I. Die Beurteilungsgruppe VM ist Bestandteil der Beurteilungsgruppen VD. Die Beurteilungsgruppe VO ist Bestandteil der Beurteilungsgruppen VOD.
Gruppe AK3
Herstellung, Instandsetzung und Erneuerung von Grundstücksentwässerungsanlagen, von Entwässerungskanälen und -leitungen aller Werkstoffe kleiner gleich DN 250 in offener Bauweise und mit Schächten, Abscheideranlagen sowie Kleinkläranlagen bis zu einer Tiefenlage von 3 m.
Gruppe AK2
Herstellung, Instandsetzung und Erneuerung von Entwässerungskanälen und -leitungen aller Werkstoffe in Nennweiten kleiner gleich DN 1.200 in offener Bauweise mit den dazugehörigen Bauwerken bis zu einer Tiefenlage von 5 m.
Gruppe AK1
Herstellung, Instandsetzung und Erneuerung von Entwässerungskanälen und -leitungen aller Werkstoffe und Nennweiten, insbesondere auch in Tiefenlagen größer 5 m mit den dazugehörigen Bauwerken in offener Bauweise unter erschwerten Bedingungen.
Gruppe VP
Grabenlose Herstellung von Abwasserleitungen und -kanälen mit steuerbaren Pilotrohr-Verfahren und damit vergleichbaren steuerbaren Verfahren.
GruppeVM
Grabenlose unbemannte Herstellung von Abwasserleitungen und -kanälen mit steuerbaren Verfahren im Mikrotunnelbau mit Schnecken- und Spülförderung.
Gruppe VD
Grabenlose Herstellung von Abwasserleitungen und -kanälen mit geschlossenen steuerbaren Schil-den und Stützung der Ortsbrust durch Flüssigkeit mit Druckluft oder Erddruck (z. B. Mix- oder EPB-Schild).
Gruppe VO
Grabenlose bemannte Herstellung von Abwasserleitungen und -kanälen mit offenen steuerbaren Schilden ohne Druckluft oder bemannte Herstellung in bergmännischer Bauweise. Die Verfahren werden auf der Verleihungsurkunde genannt.
Gruppe S
Grabenlose Sanierung, Instandsetzung und Erneuerung von Entwässerungskanälen und -leitungen aller Werkstoffe und Nennweiten mit den dazugehörigen Bauwerken. Gütezeichen Kanalbau der Beurteilungsgruppe S werden für einzelne Sanierungsverfahren erteilt. Die Verfahren werden auf der Verleihungsurkunde genannt und mit S.. bezeichnet.
Gruppe I
Inspektion von Entwässerungskanälen und -leitungen aller Werkstoffe und Nennweiten außerhalb von Gebäuden mit den dazugehörigen Bauwerken.
Gruppe R
Reinigung von Entwässerungskanälen und -leitungen aller Werkstoffe und Nennweiten außerhalb von Gebäuden mit den dazugehörigen Bauwerken.
Gruppe D
Dichtheitsprüfung von Entwässerungskanälen und -leitungen aller Werkstoffe und Nennweiten mit Schächten sowie von Grundstücksentwässerungsanlagen und Kleinkläranlagen.
Gruppe G
Inspektion und Reinigung von Entwässerungsanlagen und -leitungen kleiner gleich DN 250 in Gebäuden und auf Grundstücken.
Jeder dieser Gruppen ist ein spezielles Anforderungsprofil zugeordnet, unterteilt nach:
- Allgemeine Anforderungen
- Spezielle Anforderungen, Ausstattung der Unternehmen
- Personal
- Mindestaustattung an Betriebseinrichtungen und Geräten
- Subunternehmer.
Das Gütezeichen für die Beurteilungsgruppe S darf nur für die Sanierungsverfahren benutzt werden, für die eine entsprechende Erstprüfung durchgeführt und Urkundenverleihung vorgenommen wurde [Fried97] .
Neben dem Einsatz qualifizierten Personals ist es auch zu empfehlen, die Sanierungsmaßnahmen einschließlich der vorbereitenden Arbeiten fachkundig beaufsichtigen und abnehmen zu lassen, da sie erfahrungsgemäß größere fachliche und fertigungstechnische Probleme aufwerfen als eine Neuverlegung [Haend84] .
"Arbeiten in der Kanalisation bergen in der Untersuchung, Erstellung, Sanierung und auch beim Unterhalt immer Risiken in sich. Es genügt in keinem Falle, Sicherheitsüberlegungen erst beim Bau anzustellen. Sicherheitsbelange sind in allen Phasen von Planung und Entwurf zu berücksichtige. Bereits bei den Voruntersuchungen sowie bei der Planung des Baus und des Unterhalts sind diese Sicherheitsaspekte besonders zu beachten" [DINEN752-5:1997] (Abschnitt 3.1) .
Der Gebrauch von Materialien und Chemikalien bei Sanierungsarbeiten im Kanal, die giftig und leicht entzündbar sind, Reizungen der menschlichen Haut oder der inneren Organe verursachen oder anderweitig schädlich sind, sollte gering gehalten werden.
Der Arbeitsablauf muß bei Umgang, Lagerung oder Einsatz von gefährlichem Material besondere Vorsichtsmaßnahmen umfassen, insbesondere auch bei beengten Räumen. Bei der Verarbeitung können auch Staub und Dämpfe entstehen.
Bei schädlich verunreinigter Umgebungsluft müssen sorgfältige Kontrollen über deren Ausmaß durchgeführt und bei Bedarf entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen werden [DINEN752-7] .
Kriterien zur Beurteilung und Einschätzung der Arbeitssicherheit beim Umgang mit den im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen in allen Arbeitsphasen eingesetzten Chemikalien und die entsprechenden Handlungsanleitungen zur Vermeidung gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Anwender sind noch nicht verfügbar.
Eine Bestandsaufnahme und die Entwicklung von Ansätzen zur Lösung der letztgenannten Problematik zu liefern, war das Ziel einer im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund in den Jahren 1995/96 durchgeführten Untersuchung, deren wichtigste Ergebnisse in [Lühr97] [Stein97i] vorgestellt werden und auf die bei der nachfolgenden Verfahrensdarstellung teilweise eingegangen wird.