Erneuerung in offener Bauweise
Die Erneuerung defekter Kanäle in der bisherigen Linienführung in offener Bauweise ist grundsätzlich vergleichbar mit einem entsprechenden Kanalneubau. Dieser ist, wie bereits im (Abschnitt 5.4) erwähnt, Stand der Technik und wird hier als bekannt vorausgesetzt, so daß nachfolgend nur auf einige Besonderheiten im vorliegenden Anwendungsfall eingegangen wird.
Grundvoraussetzung für die Anwendung dieses Verfahrens ist die Kenntnis der genauen Lage aller querenden oder parallellaufenden Leitungen (s. DVGW GW 316 [DVGWGW316] ) einschließlich der Anschlußkanäle, da durch diese die Art des Aushubes und der Grabensicherung sowie die erforderlichen Schutzmaßnahmen (s. DVGW GW 315 [DVGWGW315] ) maßgeblich beeinflußt werden.
Die zu erneuernden Kanalhaltungen einschließlich aller Anschlußkanäle sind vor Beginn der Arbeiten außer Betrieb zu setzen. Der Abwasserabfluß ist durch eine geeignete Vorflutsicherung zu gewährleisten (Abschnitt 5.5) .
Nach dem Entfernen der alten und Verlegen der neuen Leitung unter Beachtung von DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] und der Schutzmaßnahmen für die Arbeitssicherheit werden die Anschlußkanäle wieder angeschlossen, sofern sie nicht selbst saniert werden. Im Anschluß daran sind nach DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] folgende Prüfungen durchzuführen:
- Sichtprüfung (Richtung und Höhenlage, Verbindungen, Beschädigung oder Deformation, Anschlüsse, Auskleidungen und Beschichtungen)
- Dichtheit (Abschnitt 4.5.1)
- Leitungszone und Hauptverfüllung (Verdichtung und Rohrverformung).
Bei begehbaren Kanälen mit Schäden ausschließlich im Scheitel- bis hin zum Kämpferbereich ist eine Teilerneuerung, die sich auf diese Bereiche beschränkt, möglich. Über Ausführungen nach dem sog. Hauben- oder Gewölbeverfahren wird in [Kuczy80] berichtet.
Beim Haubenverfahren werden der obere Bereich des Kanals abgetragen und eine vorgefertigte Stahlbetonhaube aufgesetzt (Bild 5.4.1-1) .
Das Gewölbeverfahren ermöglicht eine gleichzeitige Vergrößerung des Abflußquerschnittes. Der defekte Bereich wird auch hier wiederum abgetragen und ein neues Gewölbe aus in der Regel zwei vorgefertigten Stahlbetonbauteilen hergestellt (Bild 5.4.1-2) .
Ein ähnliches, zum Patent angemeldetes Verfahren stammt aus Ungarn [Vörö89] . Die Teilerneuerung von Kanälen mit diesem Verfahren erfordert folgende Arbeitsschritte (Bild 5.4.1-3) (Bild 5.4.1-4) (Bild 5.4.1-5) :
- Entfernung der Scheitel- und evtl. der Kämpferbereiche des zu erneuernden Kanals im Schutze eines Verbaus.
- Beseitigung von Ablagerungen.
- Verlegen eines Inliners aus GFK-Rohren mit entsprechenden Abmessungen auf der Sohle des Altkanals.
- Verfüllung des Zwischenraumes zwischen Inliner und Sohlenbereich des Altkanals mit Zementmörtel oder -beton.
- Rückbau der Baugrubensicherung und Betonieren des Scheitelbereiches mit einer Dicke von ca. 30 cm. Hierbei wirkt der Inliner als verlorene Schalung und bildet im Endzustand eine Korrosionsschutzauskleidung des teilerneuerten Kanals.
Vorteile der Erneuerung in offener Bauweise sind:
- Unabhängig von Schadensarten, Querschnittsform, Abmessungen, Werkstoffen, geologischen und hydrogeologischen Verhältnissen, Tiefenlage, Trassenführung, Bettung,
- Herstellung eines den heutigen Anforderungen genügenden neuen Kanals auch mit größerem Querschnitt,
- kontaminierte Bodenbereiche können im Rahmen der Baumaßnahme zumindest teilweise mit entfernt werden.
Im innerstädtischen Bereich unterliegt diese Bauweise bei Kanalerneuerungen im Fahrbahnbereich zunehmend politisch-ökologischen Zwängen, da mit ihr häufig verbunden sind (Abschnitt 5.7) :
- Lärm-, Schwingungs- und Emissionsbelastungen aus Baustellenbetrieb und Verkehrsumleitungen,
- Beeinträchtigungen benachbarter baulicher Anlagen und Bepflanzungen, z.B. durch Wasserhaltungsmaßnahmen,
- Sicherheitsrisiken für Anlieger,
- große Beschädigungsgefahren für kreuzende oder benachbarte Leitungen,
- schwerwiegende Eingriffe in die Substanz des Straßenkörpers, die zu einer vorzeitigen Herabsetzung des Gebrauchswertes und der Nutzungsdauer der Straße führen können [Damm82] ,
- überproportionale Kostensteigerungen mit zunehmender Verlegetiefe, Anzahl von Anschlußkanälen sowie kreuzender Leitungen,
- Steigerung des Verbrauches von Ressourcen,
- Steigerung der Inanspruchnahme von Deponieräumen.
Wie Erfahrungen zeigen, können sich die Kosten einer solchen Kanalerneuerung gegenüber vergleichbaren Kanalneubauten im unbebauten Erschließungsgebiet mehr als verdoppeln. Die Mehrkosten werden vor allem verursacht durch [Mülle82a] [Stein89a] (Abschnitt 5.7) :
- den infolge der räumlichen Enge notwendigen Abtransport der gesamten Aushubmassen,
- die in Anbetracht des aufrechtzuerhaltenden Verkehrs notwendigen Baumaßnahmen und sonstigen wesentlichen Behinderungen in der Bauausführung,
- den notwendigen Aufbruch des Straßenbelages und dessen Wiederherstellung,
- Verkehrsleitmaßnahmen einschließlich Beschilderung,
- den notwendigen Einbau von Brücken über die Baugruben für Fahrzeuge, Fußgänger usw.,
- die Aufrechterhaltung der Vorflut, auch der am Altkanal angeschlossenen Grundstücke.
Es wird häufig festgestellt, daß die Massen, mit denen die Baugruben der alten Kanäle verfüllt waren, nach den heutigen Anforderungen zum Wiedereinbau nicht mehr geeignet sind. Auch hat sich z.B. gezeigt, daß es bei der Erneuerung nur eines der beiden Kanäle im Trennsystem ratsam ist, die alte Baugrube des Doppelkanales auf voller Breite auszuheben (Bild 5.4.1-6) . Der Teilbereich der alten Baugrube, der nicht in die neue Baugrube integriert wird, ist kaum durch einen normalen Verbau zu halten. Eine Spundung ist jedoch, abgesehen von den Kosten, auch wegen der Gefahr der Beschädigung des noch intakten der beiden Kanäle, nicht möglich [Stein90b] .
Bei allen Kanalerneuerungen in Straßen mit angeschüttetem Boden besteht beim Verdichten der Baugrubenverfüllung mittels entsprechender Verdichtungsgeräte die Gefahr einer Nachverdichtung im aufgeschütteten Gelände neben der Kanalbaugrube. Die Schäden, die dadurch im Bereich der Straßen- und Gehwegflächen entstehen, können so erheblich sein, daß eine komplette Erneuerung der Straße nicht vermieden werden kann.
Den ökologischen Forderungen nach Abfallvermeidung und dem Schutz der Baustoffressourcen wird diese Bauweise nicht gerecht. Deck- und Tragschichten der Straßen sowie das Aushubmaterial fallen vielfach als Abfall an und nehmen Deponieräume in Anspruch. Sie werden durch hochwertige neue Deck- und Tragschichten bzw. verdichtungsfähige Verfüllmaterialien ersetzt, was zu einer Verbrauchssteigerung von Baustoffressourcen führt. Unter diesen Aspekten betrachtet, bietet sich die Erneuerung in offener Bauweise insbesondere dann an, wenn gleichzeitig andere Tiefbau- und Straßenbauarbeiten im Fahrbahnbereich durchgeführt werden.