Unbemannt arbeitender Rohrvortrieb (Überfahren)
Bei diesem Erneuerungsverfahren, im englischen Sprachgebrauch pipe replacing oder pipe eating genannt, wird der defekte, nichtbegehbare Kanal mit Hilfe eines unbemannt arbeitenden Rohrvortriebes < DN 1200 überfahren, zerstört und abgefördert und gleichzeitig der neue Kanal mit gleicher oder auch größerer Nennweite in der gleichen Linienführung erstellt [Stein88a] [Möhri88] .
Die Aufrechterhaltung der Vorflut erfolgt je nach Verfahren über die Vortriebsmaschine selbst oder durch Maßnahmen außerhalb des Kanals (Abschnitt 5.5) .
Zu erhaltende Anschlußkanäle müssen in jedem Fall vor dem Überfahren abgetrennt und mit einem Pumpensumpf wasserdicht verbunden werden. Das verbleibende kanalseitige Anschlußstück ist zu verschließen. Undichtigkeiten in beiden Bereichen, aber auch nicht hoch genug gezogene Pumpensümpfe führen zum Eindringen des Boden-Wasser-Gemisches aus dem Einflußbereich der Vortriebsmaschine in den Abwasserkreislauf bei Verwendung von Schildvortriebsmaschinen mit hydraulischer Förderung.
Prinzipiell sind alle auf dem Markt befindlichen in [Stein88c] [Stein96a] [ATVA125:1996] ausführlich beschriebenen Verfahren des ferngesteuerten, unbemannten Rohrvortriebes für diesen Anwendungsfall geeignet (Tabelle 5.4.3.4-1) . Voraussetzung ist, daß der Bohrkopf mit Abbauwerkzeugen zum Abfräsen (Fräsbohrkopf) des zu erneuernden Kanals (Bild 5.4.3.4-1) und einem Brecher oder Bohrhammer (Bild 5.4.3.4-11) (Bild 5.4.3.4-12) (Bild 5.4.3.4-13) (Bild 5.4.3.4-14) (Bild 5.4.3.4-15) (Bild 5.4.3.4-16) (Bild 5.4.3.4-17) (Bild 5.4.3.4-18) (Bild 5.4.3.4-19) (Bild 5.4.3.4-20) kombiniert ist, die in der Lage sind, Rohrbruchstücke so zu zerkleinern, daß sie für die Schnecken- oder hydraulische Förderung geeignet sind.
Verfahren und Arbeitsprinzip | Systemskizze | Erfahrungswerte für den Anwendungsbereich |
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Rohrau− ssendurch− messer Da [mm] |
Vortriebs− länge [m] |
Bodenart | ||
Pilotrohr−Vortrieb Gesteuerter Vortrieb eines Pilotrohrstranges durch Bodenverdrängung oder −entnahme. Nachfolgender Vortrieb von Mantel− oder Produktrohren ggf. mittels Aufweitung nach dem Bodenverdrängungs− oder −entnahmeprinzip bei gleichzeitigem Herauspressen oder −ziehen der Pilotrohre in die Zielbaugrube. |
≤ 2001) | ≤ 100 | BK 1 bis 6 nach DIN 183002)5) |
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Preßbohr−Rohrvortrieb Vortrieb von Mantel− oder Produktrohren bei gleichzeitigem Bodenabbau an der Ortsbrust durch einen Bohrkopf und kontinuierliche Bodenförderung mittels einer Förderschnecke. Der Antrieb des Bohrkopfes erfolgt über die Förderschnecke in der Regel von der Startbaugrube aus. |
≤ 1300 | ≤ 100 | BK 1 bis 6 nach DIN 183003)5) |
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Schild−Rohrvortrieb Vortrieb von Mantel− oder Produktrohren bei gleichzeitigem vollflächigen Bodenabbau an der mechanisch und flüssigkeitsgestützten Ortsbrust durch einen Bohrkopf und kontinuierlicher hydraulischer Bodenförderung. Der Antrieb des Bohrkopfes befindet sich in der Schildvortriebsmaschine. |
≤ 1850 2004) 5004) 6004) 8004) 12004) 16004)6) 30004)6) |
≤ 250 1204) 1604) 1604) 2504) 4004) 6004) 26004) |
Locker− und Festgestein auch im Grundwasser |
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1): Japanische Anlagen Da ≤ 700 mm 2): in wasserführenden Böden sind je nach Grundwasserstand und Bodenart Zusatzmaßnahmen, z. B. Grundwasserabsenkungen erforderlich 3): in wasserführenden Böden sind Zusatzmaßnahmen, z. B. Einsatz von Druckluft, erforderlich 4): erreichbare Vortriebslänge in Abhängigkeit der Nennweite nach Herstellerangaben 5): DIN 18300, Ausgabe Juni 1996 (spezielle Bodenklassifikation für Rohrvortriebsarbeiten siehe DIN 18319) 6): ferngesteuert, unbemannt arbeitend mit zurückziehbaren Vortriebsmaschinen Bei gesteuerten Vortrieben sind bei H < 1,0 m bzw. < Da verstärkt Setzungen zu erwarten und vorausgehende Hebungen nicht auszuschließen. Zur Vermeidung möglicher Schäden sollten gegebenenfalls größere Überdeckungen gewählt werden [ATVA125:1996] . |
Die auf dem Markt befindlichen diesbezüglichen Vortriebsmaschinen können bei der Erneuerung von Kanälen aus Beton, Steinzeug, Asbestzement, GFK und Stahlbeton im Nennweitenbereich DN 150 bis DN 1000 eingesetzt werden [FI-Solta] [FI-Herreb] [FI-Isekib] [Nishi90] .
Ein auf dem Prinzip des Preßbohr-Rohrvortriebes (Tabelle 5.4.3.4-1) basierendes, spezielles Erneuerungsverfahren, der Pipe Replacer, ist im (Bild 5.4.3.4-2) dargestellt.
Der konisch ausgebildete Bohrkopf ist mit Rollenmeißeln und hartmetallbewehrten Rundschaftmeißeln sowie einem integrierten Exzenterbrecher ausgerüstet. Der Abtransport des gelösten Bodens und des zerkleinerten Altrohres erfolgt in der Maschinengrundversion mit einem Schneckenförderer mit separatem Antrieb unabhängig vom Bohrkopf. Alternativ steht eine pneumatische Saugförderung zur Verfügung (Bild 5.4.3.4-3) (Bild 5.4.3.4-4) (Bild 5.4.3.4-5) (Bild 5.4.3.4-6) (Bild 5.4.3.4-7) (Bild 5.4.3.4-8) (Bild 5.4.3.4-9) (Bild 5.4.3.4-10).
Dieses Verfahren ist einsetzbar zur Erneuerung von Kanälen DN 150 bis DN 500 mit Haltungslängen bis 100 m. Die Nennweite des erneuerten Kanals kann DN 400 bis DN 600 betragen. Versätze, Unter- und Überbögen können ausgeglichen werden.
Ein etwas anderer Weg wurde mit dem AVP-Crush-Lining [FI-Herreb] verfolgt. Hierbei handelt es sich um ein nichtsteuerbares Verfahren auf der Basis des Preßbohr-Rohrvortriebes (Bild 5.4.3.4-11) (Bild 5.4.3.4-12) (Bild 5.4.3.4-13) (Bild 5.4.3.4-14) (Bild 5.4.3.4-15) (Bild 5.4.3.4-16) (Bild 5.4.3.4-17) [Stein88c] [Stein96a] [ATVA125:1996] .
Die Vortriebsmaschine verfügt über einen Spezialbohrkopf mit integriertem, pneumatisch angetriebenem Bohrhammer, der den Abbau und die Zerkleinerung des Altrohres durch den Bohrkopf unterstützt. Der Materialtransport erfolgt im Bereich des Bohrkopfes pneumatisch durch die Abluft des Hammers; im Maschinenrohr findet die Übergabe des abgebauten Materials auf Förderschnecken zum Weitertransport zur Startbaugrube statt [Zapel98] . Die Führung der Vortriebsmaschine erfolgt über einen vorlaufenden Pilotkopf, welcher sich im Altrohr zentriert und zusätzlich dessen unkontrollierten Einsturz während des Vortriebes verhindern soll. Ein über ein Gestänge mit dem Pilotkopf verbundener Abdichtungskörper verhindert das unkontrollierte Entweichen der Abluft über den Altkanal.
Das Verfahren ist einsetzbar bei der Erneuerung von Kanälen aus Beton, Stahlbeton und Steinzeug bis DN 400 und Haltungslängen bis 80 m. Die Nennweite der neuen Leitung beträgt DN 400 [FI-Herreb] . Bedingt durch das Fehlen von Steuermöglichkeiten können Lageabweichungen (z. B. Unter- oder Überbögen) des Altkanals nicht korrigiert werden. Bei Piloteinsätzen in Hamburg [Zapel96] wurden maximale Vortriebsgeschwindigkeiten von bis zu 13 m/h erreicht. Die durchschnittliche Geschwindigkeit betrug unter Berücksichtigung aller Rüstzeiten 5 m/h.
Die oben erläuterten Verfahren sind, bedingt durch die installierte Trockenförderung bei anstehendem Grundwasser ohne Hilfsmaßnahmen nicht einsetzbar. Ist z. B. eine Grundwasserabsenkung nicht möglich, bieten sich zur Stützung des Wasserdruckes an der Ortsbrust und im Bereich des zu erneuernden Kanals sowie zur Verhinderung eines vorauseilenden, unkontrollierten Einsturzes des Altkanals in Kombination mit Bodeneinbrüchen und Setzungen der Geländeoberfläche folgende Möglichkeiten an:
- Außerbetriebsetzung des zu erneuernden Kanals und Verfüllung mit einem leicht abbaubaren Verfüllmaterial (Abschnitt 5.4) .
- Einsatz von Schildvortriebsmaschinen (Tabelle 5.4.3.4-1) in Kombination mit einer haltungs- oder abschnittsweisen druckdichten Abdichtung des zu erneuernden Kanals. Je nach Maschinentyp ist die Aufrechterhaltung einer Teilvorflut (Abschnitt 5.5) im zu erneuernden Kanal möglich.
Die letztgenannte Variante soll nachfolgend am Beispiel des "Piranha Pipe Replacers" [FI-Isekib] erläutert werden. Die nach dem Prinzip der Flüssigkeitsstützung arbeitende Schild-Rohrvortriebsanlage setzt sich aus folgenden Baugruppen zusammen (Bild 5.4.3.4-18) (Bild 5.4.3.4-19) :
- Schildvortriebsmaschine,
- Hauptpreßstation,
- Kontroll- und Steuerpult,
- hydraulische Abfördereinrichtung mit Absetzbehälter oder Separationsanlage.
Die o. a. Problemstellung wurde mit Hilfe eines mit dem Bohrkopf verbundenen Abdichtungskörpers mit zwei Dichtungsmanschetten gelöst (Packer) (Bild 5.4.3.4-20) . Der Abdichtungskörper hat folgende Aufgaben:
- Das Abfließen der Förder- und Stützflüssigkeit in den vorhandenen Kanal zu verhindern.
- Maschinenseitig im Bereich des zu erneuernden Kanals eine mit dem Vortrieb kontinuierlich wandernde Druckkammer herzustellen. Diese ist mit der Suspensionskammer der Vortriebsmaschine verbunden, so daß auch in diesem Bereich, wie an der Ortsbrust, eine Flüssigkeitsstützung des anstehenden Grundwassers oder des Erddruckes erfolgen kann.
- Den Zutritt von Abwasser in den unmittelbaren Einflußbereich der Vortriebsmaschine bei der Erneuerung von Kanälen zu verhindern.
Die Verbindung zum Bohrkopf erfolgt über eine Stahlrohrleitung. Diese dient primär als Distanzhalter für den Abdichtungskörper, damit dieser in jedem Fall außerhalb möglicher, vortriebsbedingter Riß- und Rohrbruchbereiche liegt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sie als Saugleitung zur Ableitung des vor dem Abdichtungskörper angestauten Abwassers zu nutzen, wenn ein Teilbetrieb während der Erneuerung aufrechterhalten werden muß. In diesem Fall wird das Abwasser mittels einer in der Startbaugrube installierten, stufenlos regelbaren Pumpe über eine Öffnung an der Spitze des Abdichtungskörpers angesaugt, durch den Maschinenkörper geführt und über eine Sonderleitung in den Vorflutkanal gepumpt. Die Länge des Abdichtungskörpers bzw. der Abstand der beiden Dichtungsmanschetten ist so dimensioniert, daß auch bei größeren Rohrschäden die Stützflüssigkeit der Suspensionskammer nicht in den vorderen Kanalbereich entweichen kann. Die im Nennweitenbereich ≥ DN 250 einzubauenden Vortriebsrohre haben eine Baulänge von 2000 mm.
Bei einer Auffahrgenauigkeit von ± 30 mm in vertikaler und horizontaler Richtung sind je nach Verhältnis zwischen Schilddurchmesser und Außendurchmesser des defekten Kanals außerdem Korrekturen von Lageabweichungen bis zu 100 mm und mehr möglich.
Das Erneuerungsverfahren ist für Vortriebslängen bis ca. 450 m und Überdeckungshöhen von 1,8 bis max. 30 m ausgelegt.
Bei allen o. a. unbemannt arbeitenden Rohrvortrieben ist es analog zum bemannt arbeitenden Rohrvortrieb (Abschnitt 5.4.3.3) möglich, die Produktrohrleitung sowohl einphasig als auch zweiphasig zu verlegen. Die aufzubringenden Vortriebskräfte sind vergleichbar mit denen des Vortriebes neuer Kanäle mit gleichem Außendurchmesser(s. [Stein88c] ).
Nach [Hölth91] ist der Verschleiß des Abbau- und Fördersystems im Rahmen von Erneuerungsmaßnahmen höher als bei der Neuverlegung von Kanälen. Hohe Anforderungen sind an die Qualifikation und Sorgfalt des Bedienungspersonals zu stellen. Fehler können leicht zum Aufschieben des Bohrkopfes auf die alte Rohrsohle führen, was eine weitere Höhensteuerung unmöglich macht.
Die Abmessungen der Start- und Zielbaugruben betragen beim Vortrieb von Rohren ≤ DN 800 je nach Maschinentyp und Baulänge der Vortriebsrohre zwischen 2,0 und 3,5 m. Es empfiehlt sich, die Anordnung der Baugruben im Bereich vorhandener Einsteigschächte vorzunehmen (Bild 5.4.3.4-21) . Diese werden beim Absenken der Baugruben entfernt und nach Fertigstellung der Baumaßnahme wiederhergestellt. Daher besteht auch die Möglichkeit, die Start- und Zielbaugruben bei entsprechenden Abmessungen in die Nutzung als Einsteigschächte mit einzubeziehen. Aus Kostengründen bietet es sich an, von einer Startbaugrube aus möglichst zwei Haltungen aufzufahren.
Für die Ausschreibung, statische Berechnung, Durchführung und Prüfung unbemannt arbeitender Rohrvortriebe sowie ihrer Vor- und Nachteile gelten die Ausführungen des (Abschnitt 5.4.3.3) .
Neben dem Überfahren mit unbemannt arbeitenden Rohrvortrieben besteht auch die Möglichkeit, für diese Zwecke Horizontal-Spülbohranlagen mit Zugkräften von mindestens 100 kN einzusetzen [Stein88c] [ATVA125:1996] [Kleis96a] . In diesem Fall wird der vorhandene Altkanal als Pilotbohrung und damit zur Aufnahme des Bohrgestänges genutzt. Das Überfahren des Altkanals wird durch das Zurückziehen des Bohrgestänges mit einem dahinter geschalteten speziellen Aufweitungskopf realisiert. Dieser ist in der Lage, den Altkanal abzutragen und die neue Leitung in Form eines Rohrstranges nachzuziehen. Die Bruchstücke des Altkanals und der abgebaute Boden werden mit der Bohr- und Spülflüssigkeit durch den Altkanal zum Einsteig- oder Zielschacht transportiert. Mit dieser Methode wurden bereits Kanäle mit Haltungslängen von über 360 m in einem Arbeitsgang erneuert.