Dynamisch arbeitende Berstverfahren
Die Leitungserneuerung unter Ausnutzung dynamischer Krafteinleitung (Animation 5.4.3.5.1-1) wurde von der British Gas Corporation, England [FI-Britia] , für den Gassektor entwickelt (Europ. Patent Nr. 0053480) (Bild 5.4.3.5.1-1) und später auf den Abwassersektor übertragen. Basierend auf dieser Entwicklung wurden international, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland ähnliche Verfahrens- und Maschinenentwicklungen [FI-Ryan] [FI-DIGA] [FI-Tracta] [FI-Terrab] [FI-Broch] betrieben, so daß heute verschiedene Systeme zur Verfügung stehen.
Bei dem jeweils verwendeten Berstkörper handelt es sich entweder um einen modifizierten Bodenverdrängungshammer (BVH) [Stein88c] [Stein95e] [Emery84] [Jones84b] [Jones86] [ORour85b] [Poole85] [WRC83] [Stein82c] [Winne86] [Stein88e] oder um einen BVH mit einem vorn oder hinten angeordneten speziellen Aufweitungskonus (Bild 5.4.3.5.1-2) (Bild 5.4.3.5.1-3) (Bild 5.4.3.5.1-4) (Bild 5.4.3.5.1-5). Im Gehäuse des BVH befindet sich ein Schlagkolben, der mit Hilfe von Druckluft angetrieben wird und dessen Schlagimpulse in erster Linie das Zerstören des Altkanals und das Verdrängen der Bruchstücke in den Baugrund bewirken. Die Richtungsstabilität wird unterstützt durch die Länge des Berstköpers und durch die über eine Seilwinde oder ein Gestänge aufgebrachte Zugkraft in der Zielbaugrube. Trotz dieser Maßnahmen kann es infolge von Inhomogenitäten im Bereich der Leitungszone, aber auch bei größeren Abwinkelungen des zu erneuernden Kanals zu Abweichungen kommen.
Beim Einbau der neuen Leitung unmittelbar hinter dem Verdrängungskörper finden folgende Verfahren Anwendung:
- Einziehen eines Rohrstranges aus PE-HD nach DIN 8074/75 [DIN8074b] [DIN8075:1999] und DIN 19537 [DIN19537a] (in Einzelfällen auch aus PVC-U)
- Einziehen von Kurzrohren mit glatter Außenkontur
- Einschieben von Kurzrohren mit glatter Außenkontur.
Das Einziehen eines Rohrstranges (Bild 5.4.3.5.1-6) (Bild 5.4.3.5.1-7) erfordert aufgrund des notwendigen Biegeradius in Abhängigkeit vom Durchmesser der Leitung, von der Rohrsohlentiefe der zu erneuernden Leitung, der Höhe des Rohrstranges über Geländeoberkante und der Außentemperatur eine relativ große Startbaugrube (Abschnitt 5.3.2.2.1) . Eine Möglichkeit, die Baugrubenabmessungen zu reduzieren, bietet die sogenannte "Fenstertechnik" (Windowing-Verfahren) [FI-Tracta] . In diesem Fall erfolgt das Einziehen des Rohrstranges über eine Hilfsbohrung, die sich von der Geländeoberkante bis zur Startbaugrube erstreckt. Diese Hilfsbohrung wird mit einem Bodenverdrängungshammer von der Startbaugrube aus hergestellt und kann auch seitlich versetzt zum Straßenrand verlaufen [FI-Tract96] (Bild 5.4.3.5.1-8) . Nach Abschluß der Berstarbeiten werden die Hilfsbohrung verfüllt und die Öffnung ("Fenster") an der Straßenoberfläche wieder verschlossen.
Das Einziehen oder Einschieben von Kurzrohren wird in der Regel von den vorhandenen Einsteigschächten aus durchgeführt.
Bei den mit Hilfe von Seilwinden oder Zuggestängen realisierten Einziehverfahren (Bild 5.4.3.5.1-9) (Bild 5.4.3.5.1-10) (Bild 5.4.3.5.1-11) sind die PP- oder PE-HD-Kurzrohre (Abschnitt 5.3.2.2.2) mit dem Berstkörper und untereinander zugfest zu verbinden. Das Einschieben von Kurzrohren erfolgt mit Hilfe einer im Startschacht installierten hydraulischen Preßeinrichtung. Damit ist es auch möglich, Vortriebsrohre z.B. aus Steinzeug, GFK, PVC-U oder Faserbeton (Abschnitt 1.7.1) zu verwenden.
Bei langen Haltungen sind zur Überwindung des Reibungswiderstandes relativ große Vortriebskräfte erforderlich. Die daraus resultierende Gefahr, daß die Kurzrohre zu stark federn und aus der Achsrichtung ausweichen, kann es erforderlich machen, Zwischenbaugruben zu erstellen [Miege90] .
Bei Verwendung von Kurzrohren aus spröden Werkstoffen, wie z. B. Steinzeug, müssen Dämpfungselemente zur Reduzierung der dynamischen Beanspruchung zwischen Berstköper und Rohrleitung eingebaut werden, deren Wirkung durch das Ankoppeln kurzer Stahlrohrschüsse (Teleskoprohr) noch verbessert werden kann [FI-Stein90] .
Alle im Bereich der zu erneuernden Kanalhaltung angeschlossenen Anschlußkanäle müssen vor Beginn der Arbeiten in offener Bauweise abgetrennt werden, um ein unkontrolliertes Zerstören durch den Berstvorgang zu verhindern (Bild 5.4.3.5.1-12) . Nach Abschluß der Erneuerung sind sie wieder anzuschließen, sofern sie nicht selbst im Rahmen der Baumaßnahme erneuert werden.
Einsatzgrenzen des dynamisch arbeitenden Berstverfahrens ergeben sich aus dem Werkstoff und Durchmesser des zu erneuernden Kanals sowie ihren Auswirkungen auf die Umgebung. Mit diesem Verfahren können Kanäle aus Steinzeug, Beton, Grauguß, Asbestzement und Kunststoff im Nennweitenbereich DN 75 [Enga96] bis DN 800 [FI-Tracta] (selbst Nennweiten bis DN 1200 wurden bereits realisiert) und Haltungslängen bis 150 m erneuert werden.
Probleme bilden größere Lageabweichungen (Versatz, Unterbogen) des Altkanals, da diese nicht korrigiert werden und beim Kurzrohrverfahren zu Schäden im Rohrverbindungsbereich führen können [FI-KMG] . In diesem Fall haben sich Rohrstränge aus verschweißten PE-HD-Rohren gegenüber Kurzrohren als geeigneter erwiesen, wobei der Krümmungsradius in Abhängigkeit der Temperatur 30 × d nicht unterschreiten darf [FI-Tract96] .
Die Vortriebsgeschwindigkeit beträgt 1 m bis 2,5 m pro Minute [Stein88e] . Ein Einsatz unter Grundwasser ist nur in Kombination mit Hilfsmaßnahmen möglich.
Modifizierungen des dynamisch arbeitenden Berstverfahrens betreffen im wesentlichen die Reduzierung der Auswirkungen der im Boden verbleibenden Altrohrbruchstücke auf die neue Leitung. Sie können zu einer erheblichen punktuellen Mehrbelastung im Vergleich zur Belastung aus Erddruck und zur Beschädigung der Oberfläche in Form von Riefenbildung führen.
Diese Modifizierungen betreffen:
- Reduzierung der Größe der Rohrbruchstücke
Die Neigung des kegelförmig ausgebildeten Berstkörpers hat einen signifikanten Einfluß auf die Lasteintragung und damit die Zerstörung des zu erneuernden Rohres [Falk95b] . Die Wahl des Neigungswinkels sollte unter dem Aspekt erfolgen, möglichst kleine Rohrbruchstücke zu erzeugen, die zu einer gleichmäßigeren Lastverteilung über dem Rohrumfang und damit zu geringeren Schnittgrößen im Rohrquerschnitt führen. Dieser Effekt wird zusätzlich verbessert durch Anordnung spezieller Profilrippen oder Schneidmesser (Bild 5.4.3.5.1-13) [Falk95b] auf dem Berstkörper, über die in die zu berstende Leitung Punkt- oder Linienlasten eingetragen werden.
- Wandverstärkte Rohre oder Rohre mit einer äußeren Schutzschicht
Als Schutz vor Beschädigungen des neuen Rohres durch Bruchstücke kann eine Wanddickenvergrößerung (Opferschicht) der Rohre um 1 bis 2 mm dienen. Das Maß der Wanddickenvergrößerung hängt entscheidend sowohl von dem Werkstoff der zu erneuernden Leitung und damit von dem Bruchbild der Scherben, wie Geometrie und Scharfkantigkeit, als auch vom Werkstoff der neuen Leitung ab.
Eine weitere Möglichkeit stellt das Aufbringen einer äußeren Schutzschicht (Schutzmantel) auf die neuen Rohre dar. Von Rogers [Roger90] wurden solche Schutzschichten aus Hart-Polyurethan und GFK mit einer Dicke von 2-3 mm erfolgreich getestet. Ein Vertreter dieses Rohrtyps ist z. B. das PE-HD-Berstliningrohr TRACTO/BOTEC mit aufextrudiertem Schutzmantel [FI-Tracta] .
- Umhüllung des Rohrstranges mit Stahlbändern
Von dieser Variante, Beschädigungen der Produktrohrleitung beim Einziehen oder Einschieben zu vermeiden, macht das Verfahren Renoform [FI-Broch] Gebrauch. Hierbei werden Stahlbänder am Verdrängungskörper befestigt, die den einzuziehende PE-HD-Rohrstrang auf der gesamten Länge umhüllen (Bild 5.4.3.5.1-14) und den Kontakt zu den Bruchstücken verhindern.
- Doppelwandiges Rohrsystem
Eine Beschädigung der Produktrohrleitung und deren Beanspruchung durch Einzel- und Linienlasten werden sicher durch den 2-phasigen Einbau verhindert. Hierbei werden mit Hilfe des Berstkörpers zunächst Mantelrohre eingezogen, in die in einem zweiten Arbeitsschritt die neue Produktrohrleitung verlegt wird.
- Schmierung des Rohrstranges und Fixierung der Bruchstücke mit einer Tonzement-Suspension
Bei dieser Verfahrensvariante werden die Altrohrbruchstücke durch Verfüllung des durch den Berstkörper geformten Ringraumes zwischen neuer Leitung und des durch die Bruchstücke begrenzten Hohlraumes (auch Überschnitt genannt) mit einer Tonzement-Suspension während des Berstvorganges fixiert [FI-Tracta] [Miege90] [Falk95b] . Mit dieser Verfahrenstechnik (Bild 5.4.3.5.1-15) (Bild 5.4.3.5.1-16) (Bild 5.4.3.5.1-17) werden darüber hinaus folgende Vorteile erzielt:
- Verbesserung der Bettungsbedingungen der neuen Leitung,
- Verfüllung von Hohlräumen,
- Reduzierung der Mantelreibung beim Einzug der neuen Rohrleitung.
Die Schmierung des Rohrstranges beim Berstverfahren wird besonders empfohlen bei sandigen Böden, Rohrnennweiten ≥ DN 300 und Haltungslängen über 60 m.