Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Zustandsbewertung

Kanäle, Schächte und Bauwerke der Ortsentwässerung, die beschädigt und/oder Hindernisse aufweisen, haben Auswirkungen auf die Umwelt. Dadurch werden verschiedene Schutzziele berührt. Jedes der beschriebenen Merkmale hat unterschiedlichen Einfluß auf die Schutzziele und wäre daher im Hinblick auf diese zu wichten. Aufgrund fehlender Kenntnisse über die tatsächlichen Auswirkungen der Schäden auf die jeweiligen Schutzziele wird eine Wichtung im hier beschriebenen Modell nicht vorgenommen. Die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt werden mit Hilfe von Bewertungsfaktoren bewertet, die die hydraulischen Verhältnisse im Kanal und die Abwasserbeschaffenheit berücksichtigen.

Zur Festlegung des Bewertungsfaktors Hydraulik wird die Rückstauhöhe herangezogen, da der hydrostatische Druck die an Undichtigkeiten austretende Wassermenge maßgeblich bestimmt.

Es ergeben sich folgende Bewertungsfaktoren H für die hydraulischen Verhältnisse:

Bewertungsfaktor H 1,0
  • Rechnerisch nachgewiesener Einstau in Abwasserkanälen für den Prognosezustand aufgrund zusätzlich ausgewiesener noch nicht bebauter Gebiete
  • Rechnerisch nicht nachgewiesener Einstau in Abwasserkanälen für den Istzustand.
Bewertungsfaktor H 1,1
  • Rechnerisch nachgewiesener Einstau für die Prognose in Abwasserkanälen aufgrund einer Bebauungsverdichtung.
Bewertungsfaktor H 1,2
  • Rechnerisch nachgewiesener Einstau in Abwasserkanälen beim Istzustand.
Bewertungsfaktor H 1,3
  • Festgestellte Einstau- und Überstauerscheinungen in Abwasserkanälen (Beschwerden von Anliegern, verschraubter Kanaldeckel)
  • Rechnerisch nachgewiesener Überstau in Abwasserkanälen.

Die Aufteilung von Abwasser in Gruppen erfolgt vereinfachend auf der Grundlage des Abwasserursprungs, da eine Zuordnung auf der Basis analytischer Untersuchungen, die zwangsläufig sehr umfangreich sein müßten, ökonomisch nicht vertretbar und auch nicht an jedem Ort flächendeckend umsetzbar sind und darüber hinaus in jedem Einzelfall eine fachtechnische Bewertung erfordern würden.

Für die Abwasserbeschaffenheit ergeben sich folgende Bewertungsfaktoren Q:

Bewertungsfaktor Q 1,0
  • Gering belastetes Regenwasser in einer Trennkanalisation, z.B. aus der Oberflächenentwässerung von reinen Wohngebieten.
Bewertungsfaktor Q 1,1
  • Schmutzwasser aus reinen Wohngebieten und Mischwassergebieten sowie Regenwasser aus der Oberflächenentwässerung von Hauptverkehrsstraßen und stark verschmutzten Verkehrsflächen.
Bewertungsfaktor Q 1,2
  • Schmutzwasser, das in geringem Maß durch Gewerbe und Industrie oder durch Betriebe, die unter die Abwasserherkunftsverordnung fallen, geprägt ist.
Bewertungsfaktor Q 1,3
  • Schmutzwasser, das in erheblichem Maß durch Gewerbe und Industrie oder durch Betriebe, die unter die Abwasserherkunftsverordnung fallen, geprägt ist.

Die Bewertungspunkte errechnen sich nach folgender Gleichung:

BP = ZP + 100 · Q · H + 200 + 69 · [ INT (ZP - 1) / 100 - 1]

BP = Bewertungspunkte

ZP = Zustandspunkte

Q = Abwasserfaktor

H = Hydraulikfaktor

INT = Integer-Funktion; eine Funktion, die Nachkommastellen eliminiert, z.B. INT(2,9) = 2.

Die Bewertungspunkte ergeben die Einteilung in die Zustandsklassen gemäß (Tabelle 4.7.4.1.2-1) .

 
Tabelle 4.7.4.1.2-1: 

Einteilung in Zustandsklassen für Kanäle mit exfiltrierendem Abwasser [ATVM149]

zwischen 739 und 907 ⇒ Zustandsklasse 1
zwischen 570 und 738 ⇒ Zustandsklasse 2
zwischen 401 und 569 ⇒ Zustandsklasse 3

Bei Kanälen mit Infiltration werden die Bewertungsfaktoren nicht angesetzt. Hier wird lediglich der bauliche Zustand berücksichtigt, da nur die Schutzziele "Erhalt der Funktion der Abwasseranlagen" und "Standsicherheit von baulichen Anlagen" berührt werden. Somit sind für die infiltrierenden Kanäle die Schadenspunkte gleich den Zustandspunkten.

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)