Wasserdruckprüfung
Das klassische Verfahren der Dichtheitsprüfung stellt die Druckprüfung mit Wasser als Prüfmedium dar (Abschnitt 4.5.1.1) .
Die Druckprüfung mit Wasser als Prüfmedium war bis zur Einführung der DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] das einzige in der Bundesrepublik Deutschland anerkannte und in DIN 4033 [DIN4033:1979] bzw. ATV-A 139 [ATVA139:1988] (Freispiegelleitungen) und DIN 4279 [DIN4279] (Druckrohrleitungen) genormte Verfahren zur Dichtheitsprüfung neuverlegter Kanäle, wobei sich der Geltungsbereich dieser Normen und Regelwerke nur auf noch nicht überschüttete Abwasserleitungen und -kanäle erstreckte.
Da die DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] die Prüfdurchführung nicht explizit beschreibt, werden nachfolgend die entsprechenden Ausführungen der DIN 4033 [DIN4033:1979] angeführt.
Zur Prüfung sind sämtliche Öffnungen des betreffenden Leitungsabschnittes einschließlich aller Abzweige und Einmündungen wasserdicht und drucksicher abzuschließen; anschließend wird die Leitung ausgehend vom Leitungstiefpunkt so langsam mit Wasser gefüllt, daß an einer ausreichend groß dimensionierten Entlüftungsstelle am Leitungshochpunkt, die zumindest die gleiche Querschnittsfläche wie die Befülleitung aufweisen muß, die in dem Kanal enthaltene Luft entweichen kann (Bild 4.5.1.2.3-1) . Die zu prüfende Kanalhaltung darf dabei zu keinem Zeitpunkt eine direkte Verbindung mit einer unter Überdruck stehenden Leitung - Hydrant oder Pumpe - haben. Die Befüllung und das Aufbringen des Prüfdruckes müssen über einen Freispiegelbehälter erfolgen. Zwischen dem Füllen und Prüfen der Leitung ist eine ausreichende Zeitspanne vorzusehen, "um der vom Füllvorgang her in der Leitung verbliebenen Luft die Möglichkeit zum allmählichen Entweichen zu geben und erforderlichenfalls die Rohrwandungen ausreichend mit Wasser zu sättigen" [DINEN1610:1997] .
Im Anschluß an die Vorfüllzeit wird ein Prüfdruck von 0,5 bar (bei Mauerwerkskanälen 0,1 bar) über dem tiefsten wasserbenetzten Punkt der Leitung aufgebracht. Die Leitung gilt als wasserdicht, wenn die zur Aufrechterhaltung des Prüfdruckes erforderliche Wasserzugabe in l/m2 benetzter Rohrinnenfläche während der Prüfzeit von 15 Minuten die zulässigen Grenzwerte nicht überschreitet und die Rohrverbindungen dicht sind.
Die in der DIN 4033 [DIN4033:1979] für die im Kanalbau üblichen Rohrwerkstoffe angegebenen Wasserzugabewerte sind Erfahrungswerte, die aus werkstoffbedingter, unterschiedlicher Wasseraufnahme der Rohrwand sowie aus der Komprimierung und dem langsamen Entweichen der im Scheitelbereich der eingeschlossenen, von der Wanddicke und der Art der Fugenausbildung der Rohre abhängigen Luftmenge resultiert. Im Sinne der DIN 4033 [DIN4033:1979] darf diese Wasserzugabe daher nicht als Wasserverlust, d.h. nicht durch Undichtigkeiten bedingt, klassifiziert werden.
Eine deutliche Verschärfung der DIN 4033 [DIN4033:1979] wird durch das ATV-A 142 [ATVA142:1992] für Dichtheitsprüfungen von neuverlegten Abwasserkanälen und -leitungen in Wasserschutzgebieten (Abschnitt 6.1) vorgenommen. Danach ist die Dichtheitsprüfung - im Gegensatz zur DIN 4033, in der es heißt, daß die Prüfung nur "…soweit technisch durchführbar…" zu erfolgen hat - unabhängig vom technischen Aufwand bei der Abnahme unbedingt durchzuführen und zu protokollieren. Der Prüfdruck von 0,5 bar ist in Abweichung zur DIN 4033 auf den höchsten Punkt des zu prüfenden Kanals zu beziehen. Ist durch ein Rückstauereignis ein höherer Druck möglich, so ist dieser Druck maßgeblich.
Zeigen sich bei der Prüfung durchfeuchtete Stellen an der Rohrwand oder einzelne Tropfen an der Rohr- bzw. Schachtaußenseite, so sind die Prüfung abzubrechen und die fehlerhaften Teile auszuwechseln. Anschließend muß die Prüfung wiederholt werden. Bei Kanälen aus doppelwandigen Rohren sind das Abwasserrohr und das Mantelrohr getrennt zu prüfen.
Ausführungsbeispiele zur Ausbildung und Bauausführung von doppelwandigen bzw. einwandigen Abwasserleitungen und -kanälen in Wasserschutzgebieten sowie Prüfverfahren zur Kontrolle der Wasserdichtheit sind in dem ATV-M 146 [ATV95b] zusammengefaßt (Abschnitt 6.4.2.1) .
Für die Wasserdruckprüfung nach dem ATV-A 142 [ATVA142:1992] wird vorausgesetzt, daß die Prüfung an der freiliegenden Haltung zu erfolgen hat, so daß eventuell austretendes Wasser augenscheinlich erkennbar ist. Kann die Wasserdichtheitsprüfung jedoch erst nach dem Verfüllen des Leitungsgrabens durchgeführt werden, wird nach dem Merkblatt des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft [Bayer92] eine verschärfte Druckprüfung gefordert. Hierbei ist die Prüfung in zwei Prüfintervallen von jeweils 15 Minuten durchzuführen, in denen die Wasserzugabe zur Aufrechterhaltung des Prüfdruckes gemessen wird. Damit das Prüfobjekt als dicht gelten kann, muß der gemessene Wasserzugabewert des zweiten Prüfintervalles kleiner als der des ersten sein, wobei jedoch beide Wasserzugabewerte die zulässigen Grenzwerte der DIN 4033 [DIN4033:1979] nicht überschreiten dürfen.
Bei der Prüfung nach DIN 1986-30 [DIN1986-30:1995] gelten die Abwasserleitungen als dicht, wenn sie einer Dichtheitsprüfung mit Wasser bei der Erstprüfung nach DIN 4033 [DIN4033:1979] bzw. DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] , jedoch mit dem einfachen (tatsächlich möglichen) Betriebsdruck, standhalten. Das Prüfverfahren mit Luft ist in der DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] beschrieben.
Nach der DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] werden die Prüfkriterien der Wasserdruckprüfung zur Dichtheitsprüfung neuverlegter Abwasserleitungen und -kanäle im Rahmen der Bauabnahme neu geregelt. Sie haben indirekt über die DIN EN 752-5 [DINEN752-5:1997] auch bei der Abnahme sanierter Kanäle Gültigkeit (Bild 4.5.1.2.3-1) .
Die werkstoffabhängigen zulässigen Wasserzugabewerte der DIN 4033 [DIN4033:1979] werden durch einen für alle Rohrwerkstoffe gültigen Pauschalwert von 0,15 l/m2 benetzter Rohroberfläche ersetzt. Nach [DIN4033:1979] gilt die Prüfungsanforderung als "…erfüllt, wenn das Volumen des zugefügten Wassers nicht größer ist, als
- 0,15 l/m2 in 30 min für Rohrleitungen;
- 0,20 l/m2 in 30 min für Rohrleitungen und Schächte;
- 0,40 l/m2 für Schächte und Inspektionsöffnungen …",
wobei die Angabe m2 die benetzte innere Oberfläche beschreibt.
Die Vorfüllzeit, die in DIN 4033 [DIN4033:1979] werkstoffabhängig formuliert ist, wird generell auf 1 Stunde begrenzt. In Ausnahmefällen kann sie, falls es aufgrund besonderer klimatischer Bedingungen erforderlich ist, auf 24 Stunden verlängert werden. Der Prüfdruck beträgt maximal 0,5 bar und mindestens 0,1 bar am Leitungshochpunkt; er ist im Regelfall auf die maximale Rückstauebene zu beziehen. Die Prüfzeit wird von 15 Minuten auf 30 Minuten verdoppelt .
Die gravierendste Änderung gegenüber der DIN 4033 [DIN4033:1979] stellt die Forderung dar, die Dichtheitsprüfung neuverlegter Abwasserleitungen und -kanäle zukünftig an der bereits überschütteten Leitung durchzuführen, wodurch die Sichtprüfung der Rohraußenwände und Rohrverbindungen entfällt. "Eine Vorprüfung kann vor Einbringen der Seitenverfüllung durchgeführt werden. Für die Endabnahmeprüfung ist die Rohrleitung nach dem Verfüllen zu prüfen" [DIN4033:1979] .
Die Prüfung bestehender, in Betrieb befindlicher Entwässerungssysteme wird durch das ATV-M 143 Teil 6 [ATVM143-6:1998] geregelt. Hierbei wird bezüglich der Wasserdruckprüfung eine werkstoffunabhängige zulässige Wasserzugabe von 0,2 l/m2 benetzter Rohrinnenfläche bei einer Prüfzeit von 15 Minuten und einem Prüfdruck von 0,05 bar - entsprechend 50 cm Wassersäule am höchstgelegenen Punkt des Prüfobjektes - festgelegt (Bild 4.5.1.2.3-1).
Im Vergleich zur DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] (Bild 4.5.1.2.3-2) wurde die Prüfzeit auf 15 Minuten verkürzt, um die unbedingt notwendige Zeit der Außerbetriebsetzung des Prüfobjektes zu minimieren. Unter Berücksichtigung des Gefährdungspotentials durch exfiltrierendes Prüfwasser (z.B. Bettungsänderung durch Ausspülen von Bodenpartikeln (Abschnitt 2.2.3.1) (Abschnitt 2.2.3.2) und [Stein97g] [Stein96b] ) wurde zudem der Prüfdruck im ATV - M 143 Teil 6 [ATVM143-6:1998] im Vergleich zur DIN EN 1610 [DINEN1610:1997] deutlich reduziert, wodurch folgende Aspekte berücksichtigt wurden:
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Durch den geringeren Prüfdruck wird das o.a. Gefährdungspotential durch das exfiltrierende Prüfmedium minimiert.
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Durch die Wahl eines definierten Prüfdruckes von 0,05 bar wird zum einen die Luftfreiheit des zu prüfenden Kanals und zum anderen die Vergleichbarkeit der Prüfergebnisse untereinander gewährleistet.
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Die Dichtheit der Abwasserleitungen und -kanäle kann, bei Einhaltung der zulässigen Wasserzugabewerte, unter Betriebsbedingungen mit ausreichender Sicherheit gewährleistet werden. Bei Überstauereignissen, der maximalen Innendruckbelastung für Freispiegelkanäle, wird im Regelfall nur stark verdünntes Abwasser oder leicht verschmutztes Regenwasser abgeleitet. Diese Belastung tritt bei hydraulisch ausreichend dimensionierten Kanälen weniger als einmal jährlich auf. Eine eventuelle Belastung durch in diesem Fall exfiltrierende Abwässer kann auch aus Sicht des Gewässer- bzw. Bodenschutzes hingenommen werden [Stein97g] [Stein96b] .