Hydraulische Meßverfahren
Bei hydraulischen Meßverfahren mit Querschnittseinengung wird durch Einbauten wie Meßwehren oder Venturi-Strecken ein Fließwechsel vom Strömen zum Schießen erzwungen. Die Fließtiefe im Zulauf des Meßquerschnitts steht durch den Fließwechsel in einer eindeutigen Beziehung zur Abflußmenge [Preis92] [Hager95] . Die Bestimmung des Volumenstroms kann somit auf eine einzige Meßgröße, die Fließtiefe h im Zulauf, reduziert werden. Auf diese Weise wird das nicht unerhebliche Problem umgangen, in offenen Gerinnen die mittlere Fließgeschwindigkeit vm bestimmen zu müssen.
Der Volumenstrom ergibt sich aus der GleichungQ = c · hx
wobei die Faktoren c und x abhängig von den Abmessungen des Meßwehres bzw. des Venturi-Kanals sind. Angaben zu ihrer genauen Berechnung finden sich u.a. in DIN 19559-2 (Venturi-Kanäle) [DIN19559-1] und der ISO 1438/1 (Thin-plate weirs) [ISO1438-1] .
Für den Abwasserbereich geeignete Meßwehre bestehen im allgemeinen aus dünnwandigen Platten mit verschiedensten Einschnürungen. Wehre für temporäre Abflußmessungen werden als steckbare Überfalltafeln (Bild 4.4.1.5.2.1-1) oder pneumatisch abdichtbar (Bild 4.4.1.5.2.1-2) vom Einsteigschacht aus in den Kanalquerschnitt eingebaut. Die dazugehörigen Überfallbeiwerte werden bei diesen kommerziell vertriebenen Wehren vorab im Labor ermittelt und ermöglichen bei idealen Meßbedingungen genaue Abflußbestimmungen.
Meßwehre benötigen Einlaufstrecken einer Länge, die wenigstens dem Zehnfachen der Breite des Überfallstrahls entspricht [ISO1438-1] . Diese Strecke muß geradlinig und frei von Störungen (Abstürze, seitliche Zuläufe etc.) sein. Der Überfallstrahl muß sich sauber von der Wehrkrone ablösen können. Im Auslaufbereich des Wehres muß daher unbedingt darauf geachtet werden, daß kein Rückstau eintritt.
Nachteile von Meßwehren sind
- der Rückstau im Meßquerschnitt und
- die Verschmutzungsempfindlichkeit.
Infolge der durch den Einbau verzögerten Strömungsgeschwindigkeiten kann es zur Sedimentation der im Abwasser suspendierten Feststoffe kommen. Meßwehre eignen sich daher hauptsächlich für Kurzzeitmessungen, während langfristiger Messungen müssen sie oft gereinigt werden. Außerdem kann ein für eine bestimmte Profilform hergestelltes Meßwehr auch nur in genau diesem Profil entsprechenden Querschnitten eingesetzt werden. Meßwehre, die in das Gerinne im Einsteigschacht (Bild 4.4.1.5.2.1-2) oder in den Leitungsquerschnitt eingebaut werden, können in Abhängigkeit von den Abmessungen der Rinne bzw. des Rohres nur bis zu einer bestimmten Fließhöhe eingesetzt werden. Der Meßbereich kann entscheidend vergrößert werden, wenn das Meßwehr in den Schacht selbst eingebaut wird (Bild 4.4.1.5.2.1-3) .
Trotz der erheblichen Nachteile sind Meßwehre, speziell der für kleine Abflüsse prädestinierte Thomson-Überfall (ein Meßwehr mit dreieckigem Ausschnitt), ausgezeichnet zur genauen Messung sehr kleiner Abflüsse geeignet. Bei Fremdwasserstudien fallen beispielsweise alle Meßverfahren aus, bei denen Meßwertaufnehmer in das Gerinne eingebaut werden müssen, die eine im Verhältnis zur Fließtiefe unzulässige Größe erreichen. Ein Dreiecks-Meßwehr in Kombination mit einem berührungslosen Fließtiefensensor (Abschnitt 4.4.2.1) stellt hier die optimale Kombination zur Abflußmessung dar.
Der konventionelle Venturi-Kanal mit beidseitiger Einengung des Querschnitts ist durch den ungestörten Sohlverlauf und sein hydraulisch angepaßtes Profil nicht von der Ablagerung von Feststoffen betroffen. Somit ist er prinzipiell auch für Dauermessungen geeignet. Ähnlich wie Meßwehre verursachen allerdings Venturi-Einbauten einen erheblichen Rückstau im Kanal und sind daher nicht für alle Meßaufgaben gleichermaßen einsetzbar. Venturi-Einschnürungen sind außerdem kostenintensiver, schwieriger einzubauen und konstruktiv bedingt nicht zur Messung sehr kleiner Abflüsse, wie z. B. bei Fremdwasserstudien, geeignet. Venturi-Kanäle können als Formteil aus GFK oder Edelstahl (Bild 4.4.1.5.2.1-4) eingebaut werden [DIN19559-2] .
Eine Sonderform des Venturi-Kanals stellt der inverse Kanalverbau dar. Im Gegensatz zu den üblichen Venturi-Kanälen wird die Verengung nicht symmetrisch an beiden Gerinnewandungen, sondern in der Mitte des Gerinnes eingebaut. Die Form dieses Venturi-Körpers kann beliebig sein, in der Praxis werden jedoch Körper gewählt, die einfach und genau herzustellen sind, wie z. B. Kreiskegel oder Kreiszylinder [Hager95] .
Venturi-Meßstellen benötigen Einlaufstrecken, die wenigstens dem Zehnfachen der Gerinnebreite entsprechen [DIN19559-1] . Wie bei Meßwehren dürfen auch hier keine Krümmungen, Abstürze oder seitliche Zuläufe die Symmetrierung der Strömung im Anstrom der Verengungsstelle behindern. Um den Wechsel von strömendem zu schießendem Abfluß in der Verengungsstelle zu gewährleisten, müssen im Auslauf der Venturi-Einschnürung freie Abflußverhältnisse herrschen.