Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Erstellung eines Inspektionsplanes

Die Inspektion von Bauwerken allgemein erfolgt entweder geplant, d.h. regelmäßig oder in zeitlich festgelegten Abständen (Inspektionsstrategie) oder erst dann, wenn im Laufe der Nutzung auffällige Veränderungen sichtbar werden (Ausfallstrategie). Darüber hinaus werden Inspektionen durchgeführt, um Möglichkeiten der Nutzungsänderung eines Bauwerkes zu untersuchen.

Im Gegensatz zur bisherigen Praxis der vornehmlich angewendeten Ausfallstrategie sollte bei der Instandhaltung von Kanalisationen grundsätzlich die Inspektionsstrategie Anwendung finden. Sie bildet eine wichtige Voraussetzung zur Vermeidung haftungsrechtlich, abgaberechtlich, ordnungsrechtlich und strafrechtlich relevanter Störungen sowie zur wirtschaftlichen Betriebsführung bei der Abwasserleitung [ATVM143-2:1999] . Nur so ist es möglich, einen vollständigen und jeweils aktuellen Überblick über das Kanalnetz und dessen Istzustand, aber auch über den Verlauf der Abbaukurve des Abnutzungsvorrates (Bild 4.2-1) und damit eine weitgehende Reduzierung des Gefährdungspotentials für die Standsicherheit und insbesondere für Boden und Grundwasser durch schadhafte Kanäle zu erzielen.

Der Weg der Inspektionsstrategie wurde bereits relativ früh vom Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 11.07.1974 - III ZR 27/72 vorgegeben. Danach sind "die Kommunen verpflichtet, ihre Abwasseranlagen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Eine jährliche Überprüfung ist in der Regel ausreichend, aber auch notwendig. Bei Vorliegen negativer Kriterien (z.B. Größe, Alter, Lage und Benutzung des Abwasserkanals) ist eine mehrmalige Prüfung pro Jahr angezeigt. Die Überprüfung sollte durch Hochdruckreinigung und durch visuelle Kontrolle erfolgen" [NN80b] .

Die Behandlung der Zeitintervalle für die optische Inspektion im Rahmen des regulären Betriebsaufwandes für die Kanalisationen von seiten der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV) dokumentiert die Entwicklung der einschlägigen ATV-Arbeitsblätter.

Während das ATV-A 140 [ATVA140] aus dem Jahre 1990 noch ohne Konkretisierung formuliert:

"Die Überwachung soll in regelmäßigen Zeitabständen so erfolgen, daß ein ordnungsgemäßer Betrieb aller Anlagen des Kanalnetzes gewährleistet ist. Eine Dokumentation ist erforderlich ("Überwachungsprotokoll").",

schlägt das im Jahre 1993 veröffentlichte und heute noch gültige ATV-A 147 Teil 1 [ATVA147-1] erstmals zeitliche Intervalle für die optische Inspektion z.B. für Kanäle und Bauwerke der Ortsentwässerung vor.

  • Inspektion von begehbaren Kanälen [ATVA147-1] :
    • im Normalfall: 0,1-0,2/Jahr
    • im Sonderfall: 0,5/Jahr (z.B. Lage in Trinkwasserschutzgebieten, Zone 2 bzw. in Heilquellen-Schutzgebieten, Zone B)
  • Inspektion von nichtbegehbaren Kanälen [ATVA147-1] :
    • im Normalfall: 0,1/Jahr
    • im Sonderfall: 0,5/Jahr
  • Schachtinspektion mit Begehung [ATVA147-1] :
    • in Verkehrsstraßen: 0,2/Jahr
    • in Anliegerstraßen und sonstigen Bereichen: 0,1/Jahr
  • Schachtinspektion ohne Begehung [ATVA147-1] :
    • in Verkehrsstraßen: 1/Jahr
    • in Anliegerstraßen und sonstigen Bereichen: 0,5/Jahr
  • Inspektion und Wartung von Absperrorganen, Schützen, Schiebern ohne motorischen Antrieb [ATVA147-1] :
    • 2/Jahr oder häufiger nach Wartungsvorschrift des Herstellers
  • Inspektion und Wartung von Spültüren und Rückstauklappen [ATVA147-1] :
    • 2/Jahr oder häufiger nach Wartungsvorschrift des Herstellers
  • Inspektion von Anschlußkanälen vom Straßenkanal bis Grundstücksgrenze, alternativ Revisionsschacht, oder Straßenablaufleitungen mit Kanalfernsehen [ATVA147-1] :
    • nach Bedarf
  • Inspektion und Wartung von Drosseleinrichtungen an Regenüberläufen [ATVA147-1] :
    • betrieblich: 26/Jahr
    • baulich: 1/Jahr
  • Inspektion von Auslässen [ATVA147-1] :
    • betrieblich: 4/Jahr
    • baulich: 1/Jahr
  • Inspektion von Regenbecken [ATVA147-1] :
    • betrieblich: 12/Jahr
    • baulich: 1/Jahr
  • Inspektion von anderen Sonderbauwerken, z.B. Dükern und Wirbelfallschächten [ATVA147-1] :
    • betrieblich: 12/Jahr
    • baulich: 0,2/Jahr bei begehbaren und 0.1/Jahr bei nichtbegehbaren, sofern die technischen Randbedingungen dies zulassen
  • Inspektion von Bauwerken für Pumpwerke und Außenanlagen [ATVA147-1] :
    • 1/Jahr
  • Inspektion von offenen Abwassergräben einschließlich Einfriedungen [ATVA147-1] :
    • 12/Jahr
  • Inspektion und Wartung von Anlagen besonderer Entwässerungsverfahren, z.B. Druck- oder Unterdruckentwässerung [ATVA147-1] :
    • nach Bedarf.

Auch der Gesetzgeber hat inzwischen in fast allen Bundesländern von der Möglichkeit der Landeswassergesetze Gebrauch gemacht, den Pflichtenkatalog von Kanalnetzbetreibern per Landesverordnung zu regeln. Daraus ergibt sich folgender Handlungsbedarf:

  • den Bestand der Kanäle und Bauwerke der Ortsentwässerung zu erfassen,
  • den baulichen und betrieblichen Istzustand festzustellen,
  • die festgestellten Schäden zu beheben.

Einen Überblick über die Bundesländer, in denen die Inspektion und Sanierung durch die Netzbetreiber durch Selbstüberwachungs- oder Eigenkontrollverordnungen geregelt sind, vermittelt (Tabelle 4.2-1) .

 
Tabelle 4.2-1: 

Rechtsgrundlage der Kanalinstandhaltung in den Bundesländern Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland (Zusammanestellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit) [[FI-S&P (2012)]] [Winkl96]

Bundesland Verordnung vom TV−
Erst−
inspektion
TV−
Wieder−
holung
Dicht−
heits−
prüfung
Sanierung Anwen−
dungs−
bereich
Baden−
Württemberg
Eigen−
kontroll−
verordnung

 

(Eigen−
kontroll−
VO)
31.03.2001 Nicht
direkt
erwähnt
Nicht
direkt
erwähnt
Erstprüfung
innerhalb
von 10 Jahren;
dann
Wiederholung alle
10 bzw. 15
Jahre bei
erwiesener
Dichtheit
Sanierung
nach "Wasser−
wirtschaftlicher
Dringlichkeit"
Alle öffentl.
und privaten
Kanäle, aus−
genommen
Kanäle, die nur häusliches Abwasser
ableiten
Bayern Eigenüber−
wachungs
verordnung

 

(EÜV)
20.09.1995 mit
letzter Änderung
25.02.2010
Sofort bei
Kanälen
über 40
Jahre

 

• mit Risiko−
abwasser
• mit Hinweisen auf Schäden
Einzugsbe−
rereich der
Wasserge−
winnung
Alle 5
Jahre
Einmal in 20
Jahren, erstmals
nach 40 Jahren;
Durchführung
alternativ
mit Wasser oder Luft möglich
"Als undicht
erkannte−
Kanalisationen sind
umgehend
abzudichten"
Alle öffentl.
und privaten
Kanäle mit
Erlaubnis−
oder Genehmigungs-pflicht,
außer Kanäle
mit rein häus−
lichem Abwasser
Berlin keine Verordnung
Hamburg keine Verordnung
Hessen

Verordnung
über die
Eigenkontrolle
von Abwasser-
anlagen
(Abwasser-
eigenkontroll-
verordnung
EKVO)

23.07.2010 Nach Neubau
oder dauerhafter
Sanierung
Alle 10 Jahre für
Abwasserkanäle und
-leitungen für
gewerbliches
Abwasser; alle 15 Jahre für Abwasserkanäle
und -leitungen,
die dem allgemeinen
Gebrauch dienen; alle 20 Jahre für
Niederschlagswasser-
kanäle im Trennsystem, die dem allgemeinen
Gebrauch dienen

Bei Freispiegel-
kanälen und –leitungen genügt in der Regel eine optische Inspektion;
bei Druckleitungen ist eine Druckprüfung
erforderlich

Keine
Aussage

Abwasseranlagen,
aus denen Abwasser
eingeleitet wird;
Zuleitungskanäle
zu öffentlichen Kanälen,  in denen gewerbliches Abwasser
abgeleitet wird

Mecklenburg−
Vorpommern
Verordnung über die Selbstüber-
wachung von Abwasser-
anlagen und Abwasser-
einleitungen (Selbstüber-wachungs-
verordnung
SÜVO M-V)
20.12.2006 Nicht
direkt
erwähnt
Nicht
direkt
erwähnt
Schmutz- und Mischwasser-
anlagen für die ein
Dichtigkeitsnachweis vorliegt, erneut nach mindestens  15 Jahren; die übrigen Schmutz-und Mischwasser
-anlagen nach 10 Jahren untersuchen
Bei Feststellung
von Schäden ist eine Bewertung nach
Schadensklassen vorzunehmen; eine Konzeption mit Ausführungszeitplan zur Beseitigung ist
vorzulegen;
Anwendung des DWA‑M 149
Alle Abwasser-anlagen und Abwasserein-leitungen, ausgenommen Anlagen zum Anschluss von häuslichem Abwasser an öffentliche Kanalisationen und Anschluss-kanäle für Niederschlags-wasser und für nicht häusliches Abwasser
Niedersachen keine Verordnung
Nordrhein−
Westfalen
Verordnung zur Selbstüber-wachung von Kanalisationen und Ein-leitungen von Abwasser aus Kanalisationen im Misch-system und im Trennsystem – Selbstüber-wachungs-verordnung

 

(SüwVKAN)
16.01.1995 mit letzter Änderung 05.04.2005 Jährlich 10 % der Kanäle, d. h. das gesamte Kanalnetz sollte innerhalb von 10 Jahren untersucht werden; dabei werden Unter-suchungen seit 1989 angerechnet) Alle 15
Jahre und
jährlich
5% des
Netzes
Nicht
vorgesehen
Unverzüglich bei
beeinträchtigter
Standsicherheit, unverzüglich bis
innerhalb von 10
Jahren bei Exfiltration
je nach Abwasser
und "wasser−
wirtschaftl. Verhält−
nissen"
Alle öffentl.
Kanäle und
privaten
Netzen bei
befestigten
Flächen >3 ha
Rheinland−
Pfalz
Landesver-ordnung über die Eigenüber-wachung von Abwasser-anlagen

 

(EÜVOA)
27.08.1999 mit letzter Änderung 17.03.2006 Nicht direkt erwähnt „Abwasserkanäle und -leitungen sind mindestens alle zehn Jahre durch optische Untersuchungen auf ihren ordnungs-gemäßen Zustand zu überprüfen“; bei neuen oder neuwertigen Abwasserkanälen und -leitungen sind die ersten beiden Wiederholungs-prüfungen nach der Inbetriebnahme nach jeweils 15 Jahren durchzuführen Nicht
vorgesehen
Keine
Aussage zur Sanierung an sich, aber „durchgeführte Sanierungs-maßnahmen sind dem Unternehmer der Abwasser-behandlungsanlage mitzuteilen und von diesem im Betriebs-tagebuch“ zu erfassen
Abwasser-behandlungs-anlagen und die Zustands-prüfung von Abwasser-kanälen und -leitungen, aus denen Abwasser erlaubnispflichtig in Gewässer oder in öffentliche Abwasseranlagen eingeleitet wird; ausgenommen sind Abwasseranlagen für häusliches Abwasser mit einem Abwasseranfall bis zu 8 m3 täglich und Anlagen für Niederschlags-wasser
Saarland

Verordnung über die Eigenkontrolle von Abwasserbe-handlungs-anlagen (Eigenkontroll-verordnung - EKVO)

18.02.1994 mit letzter Änderung 24.01.2006 Keine Aussage Keine Aussage Keine Aussage Keine Aussage Abwasserbe-handlungsanlagen, aus denen Abwasser erlaubnis-pflichtig in Gewässer eingeleitet wird; ausgenommen sind Abwasserbe-handlungsanlagen für häusliches Abwasser mit einem täglichen Abwasser-anfall < 8 m3
Sachsen

Verordnung des Sächsischen Staats-ministeriums für Umwelt und Landesent-wicklung über Art und Häufigkeit der Eigenkontrolle von Abwasser-anlagen und Abwasserein-leitungen (Eigenkontroll-verordnung – EigenkontrollVO)

07.10.1994 mit Rechtsbereinigung 28.12.2009 Es gelten die Anlässe, Fristen und anzuwen-denden Methoden der DIN 1986-30 (Ausgabe 01.1995) Es gelten die Anlässe, Fristen und anzuwen-denden Methoden der DIN 1986-30 (Ausgabe 01.1995)

„Bei der Eigenkontrolle der Abwasser-kanäle und -leitungen ist insbesondere die Dichtigkeit regelmäßig zu überprüfen.“

„Für die Überprüfung der Dichtigkeit von Kanälen und Leitungen ist in der Regel die optische Kontrolle durch Kanalfernauge oder durch Begehung großer Kanäle ausreichend.“
Keine
Aussage
Alle öffentlichen und privaten Abwasser-anlagen im Sinne des § 67 SächsWG einschließlich ihrer Abwasser-einleitungen und für das durch die Abwasserein-leitungen beeinflusste Gewässer; ausgenommen sind Abwasser-behandlungsanlagen für häusliches Abwasser, mit einem täglichen Abwasser-anfall < 8 m3
Sachsen-Anhalt

Eigenüber-wachungs-verordnung (EigÜVO)

25.10.2010 Keine Aussage Keine Aussage Kanäle, für die ein Dichtigkeits-nachweis vorliegt, sind erneut nach spätestens 15 Jahren zu untersuchen; danach, wie alle anderen Kanäle auch, spätestens alle zehn Jahren zu untersuchen Keine Aussage Alle öffentlichen und privaten Abwasser-anlagen, unabhängig davon, ob das Abwasser in ein Gewässer oder eine öffentliche Abwasseranlage eingeleitet wird
Schleswig-Holstein

Selbstüber-wachung von Abwasser-anlagen und Abwasserein-leitungen (Selbstüber-wachungs-verordnung – SüVO)

19.12.2011 Inspektion der Schmutz- und Mischwasser-kanalisation bis 22.02.2012; für zugehörige Grundstücks-anschluss-kanäle in WSG II, III, III A sowie für gewerbliches Abwasser bis 31.12.2015; für übrige Grundstücks-anschlusskanäle und WSG III B bis 10 Jahre nach Inkrafttreten der VO (02/2022); für die Hauptkanäle der Regen-wasserkanali-sation bis 2032; für Anschluss-kanäle bis 2042

Schmutz- und Mischwasserkanäle:

- Wasserschutz-gebiet Schutzzone II 5 Jahre

- Wasserschutz-gebiet Schutzzone III und IIIA 10 Jahre

- Sonstige Gebiete und Wasserschutz-gebiet Schutzzone IIIB 15 Jahre

 

Zugehörige Grundstücks-anschlusskanäle gewerbliches Abwasser:

- Wasserschutz-gebiet Schutzzone II 5 Jahre

- Wasserschutz-gebiet Schutzzone III und IIIA 15 Jahre

- Sonstige Gebiete und Wasserschutz-gebiet Schutzzone IIIB 15 Jahre bzw. 30 Jahre (häusliches Abwasser)

 

Regenwasser-kanalisation:

- Hauptkanäle 20 Jahre

- Anschluss-kanäle 30 Jahre

Inbetrieb-nahmeprüfung (Abnahmeprüfung) hat nach DIN EN 1610 zu erfolgen;

ansonsten keine weiteren Aussagen
Keine Aussage

Öffentliche Kanalisationen (bestehend aus Hauptkanal, Grundstücks-anschluss-kanälen und Anschluss-leitungen der Straßenent-wässerung) einschl. der Bauwerke (wie z. B. Pumpwerke, Düker, Abschlagbau-werke/ Überläufe,

Regenrückhalte- und Regenklär-becken); die Verordnung gilt nicht für private Grundstücks-entwässerungs-anlagen
Thüringen

Thüringer Verordnung über die Eigenkontrolle von Abwasser-anlagen (Thüringer Abwassereigen-kontroll-verordnung - ThürAbwEKVO)

23.08.2004 Öffentliche Kanalisations-anlagen (Freispiegel-kanäle) bis 31.12.2015 Öffentliche Kanalisations-anlagen (Freispiegel-kanäle) alle 15 Jahre

Öffentliche Kanalisations-anlage (Druckleitungen) Erstprüfung bis 31.12.2015; Wiederholungs-prüfungen alle 15 Jahre;

bei privaten Kanalisations-anlagen ist eine Dichtheits-prüfung nach DIN EN 1610 mit Wasser- oder Luftdruck alle 5 Jahre durchzuführen
Keine direkte Aussage; lediglich Schäden sind in Lage, Art und Umfang zu beschreiben und zu dokumentieren Öffentliche und private Kanalisations-anlagen

Die Anforderungen, welche die Selbstüberwachungsverordnungen an die Netzbetreiber in den verschiedenen Bundesländern stellen, variieren zum Teil sehr stark und sind nicht immer praxisorientiert. So wird z.B. in NRW in der "Selbstüberwachungsverordnung Kanal" (SüwVKan) keine Dichtheitsprüfung verlangt, obwohl diese das einzige Mittel darstellt, optisch nicht erfaßbare Undichtigkeiten (Exfiltrationen) überhaupt feststellen zu können (Abschnitt 4.5.1) .

Über den baulichen Zustand der Anschlußleitungen und Grundstücksentwässerungen ist relativ wenig bekannt, obwohl man heute jedoch davon ausgeht, daß gerade die Grundstücksentwässerungen ein überdurchschnittliches Schadens- und Gefährdungspotential aufweisen und die wesentlichste Schwachstelle der Kanalisation darstellen [Stein87c] (Abschnitt 7.1) . Gründe hierfür sind neben konstruktionsbedingten Erschwernissen bei der Inspektion (Abschnitt 1.9.1) insbesondere auch das Fehlen einheitlicher gesetzlicher Regelungen.

Grundstücksentwässerungsleitungen unterliegen in allen Bundesländern dem Bauordnungsrecht. Landesrechtliche Anforderungen bezüglich der Prüfung privater Leitungen bestehen lediglich in einigen wenigen Bundesländern, wie z.B. Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen [Schaa94] (Abschnitt 4.5.1) .

Nach DIN 1986-30 [DIN1986-30:2003] sind die Grundstücksentwässerungen "durch regelmäßige Zustandserfassung auf einwandfreie Funktionen und Mängelfreiheit zu prüfen und durch entsprechende Instandhaltungsmaßnahmen in betriebsbereitem und betriebssicherem Zustand zu halten".

Die erforderlichen Maßnahmen zur Inspektion, Wartung und Instandsetzung der Anlagen der Gebäude- und Grundstücksentwässerung sind in (Tabelle 4.2-2) aufgeführt.

Grundleitungen, in denen häusliches, gewerbliches und industrielles Abwasser im Sinne von DIN 1986-3 [DIN1986-3:1982] abgeleitet wird, sind in Abhängigkeit vom Verschmutzungsgrad des abzuleitenden Abwassers zu prüfen. Grundleitungen, die ausschließlich der Ableitung von Regenwasser dienen, sind von einer wiederkehrenden Prüfung ausgenommen.

Die Empfehlungen für die Zeitabstände sowie die auszuführenden Arbeiten stellen Mindestwerte dar [DIN1986-3:1982] .

Die Zustandserfassung kann durch eine optische Inspektion oder eine Dichtheitsprüfung mit Wasser oder Luft als Prüfmedium (Abschnitt 4.5.1) erfolgen.

Sämtliche bei der optischen Inspektion und Dichtheitsprüfung festgestellten Schäden sind zu dokumentieren und zu bewerten [DIN1986-30:2003] .

 
Tabelle 4.2-2: 
Inspektions-, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten mit Dichtheitsprüfung für Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke nach DIN 1986 Teil 30 [DIN1986-30:2003]
Anlässe und Fristen für erstmalige und wiederkehrende Prüfungen vorhandener Grundleitungen und Anlagen nach Abschnitt 5 (nachfolgend Grundleitungen genannt) unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit der Abwasserinhaltsstoffe durch:
- Kanalfernsehuntersuchung (KA) und/oder
- Dichtheitsprüfung (DR) mit Wasser oder Luft
ergeben sich aus der Tabelle.
Es werden folgende Abwasserherkunftsbereiche unterschieden:
1) Häusliches Abwasser: häusliches Abwasser (nach DIN EN 12056-1), Regenwasser von befestigten Flächen und Abwasser aus dem Anwendungsbereich von DIN 4040-1 bzw. E DIN EN 1825-1.
2) Gewerbliches Abwasser: Gewerbliches/industrielles Abwasser (nach DIN EN 12056-1)
a) vor einer Abwasserbehandlungsanlage,
b) nach einer Abwasserbehandlungsanlage bzw. Abwasser, das keiner Behandlung bedarf.
Nr. Zeiträume der Prüfung in/spätestens nach Jahren für Nr. 1 bis Nr. 3 und Prüfart
1 Erstprüfung vorhandener Grundleitungen, für die keine nachweisbare Prüfung stattgefunden hat
Anlass/Prüfobjekt Häusliches Abwasser Gewerbliches Abwasser
a) vor einer Abwasserbehandlungs-
anlage
b) nach einer Abwasserbehandlungs-
anlage
  KA DR Frist KA DR Frist KA DR Frist
1.1 Bei wesentlichen baulichen Veränderungen und Erweiterungen, wie Sanierung/ Totalumbau eines Gebäudes (> 50%) -- X im Zuge der Baumaßnahmen -- X im Zuge der Baumaßnahmen -- X im Zuge der Baumaßnahmen
1.2 Anlagen, über die durch An- und Umbauten nur Teilstrecken der Entwässerungsanlage betroffen sind (≤ 50%) X -- -- X -- X
1.3 Anlagen zur Ableitung von häuslichem Abwasser einschließlich Anlagen mit geringen Erweiterungen, z.B. Dachgeschoßausbauten X -- bis zum
31. Dez. 2015
-- -- -- -- -- --
1.4 Anlagen zur Ableitung von gewerblichem Abwasser -- -- -- -- X umgehenda -- X bis zum Jahre 2004
1.5 Abläufe und Zuleitungen in Verbindung mit VAwS-Anlagenb nach 5.2 -- -- -- -- X umgehende -- X bis zum Jahre 2004e
2 Wiederkehrende Prüfung von Grundleitungen, für die ein anerkannter Dichtheitsnachweis vorliegt, in den nachstehenden Jahresintervallen
Anlass/Prüfobjekt Häusliches Abwasser Gewerbliches Abwasser
a) vor einer Abwasserbehandlungs-
anlage
b) nach einer Abwasserbehandlungs-
anlage
  KA DR Frist KA DR Frist KA DR Frist
2.1 Maßnahmen wie Nr. 1.1, wenn Prüfung DR älter als 5 Jahre ist -- X im Zuge der Baumaßnahmen -- X im Zuge der Baumaßnahmen -- X im Zuge der Baumaßnahmen
2.2 Anlage zur Ableitung von häuslichem Abwasser oder Mischwasser X -- 20 -- -- -- -- -- --
2.3 Anlage zur Ableitung von gewerblichem Abwasser -- -- -- -- X 5 -- Xc 15
2.4 Abläufe und Zuleitungen in Verbindung mit VAwS-Anlagen -- -- -- -- X 5 -- Xc 15
3 Wiederkehrende Prüfung für Grundleitungen in Wassergewinnungsgebieten in den nachstehenden Jahresintervallen. Sofern eine Erstprüfung bestehender Anlagen nach nicht erfolgte, muss diese mindestens in der Zeitspanne der nachstehenden Fristen erfolgen.
3.1 Schutzzone II
Anlagen zur Ableitung von häuslichem und gewerblichem Abwasser
KA DR Mindestzeitraum wiederkehrender Prüfungen
Jahre
X -- 1
X und X 5
3.2 Schutzzone III Anlagen zur Ableitung von häuslichem Abwasser X -- 5 (10d)
Anlagen zur Ableitung von gewerblichem Abwasser und Abwasseranlagen als Auffangsystem in Verbindung mit VAwS-Anglagen X -- 5
-- X Prüfung entsprechend dem Zustand und der Belastung der Anlage nach Bedarf in Abstimmung mit der zuständigen Überwachungsbehörde, jedoch vor einer Abwasserbehandlungsanlage mindestens alle 5 Jahre.
Weitere Anforderungen zur Inspektion und Instandsetzung zu den in der Tabelle genannten Maßnahmen.
Abwasserrohre, die gleichzeitig der Aufnahme von Abwasser aus Auffangsystemen im Sinne von §19g WHG (z.B. Rückhaltesysteme für Feuerlöschwasser oder in besonderen Fällen Leitungen für die Tankfeldentwässerung, d.h. Anlagen über den Anwendungsbereich der DVWK-Regeln 134/1997 hinaus) dienen, müssen innerhalb einer Zeitspanne von 5 Jahren nach der letzten Prüfung wiederkehrend einer Dichtheitsprüfung (DR) unterzogen werden, soweit in der jeweiligen Genehmigung nach Landesrecht nichts anderes bestimmt ist.
KA      Kanalfernsehuntersuchung
a    Nach Ausgabe DIN 1986-30:1995-01 sollten die Prüfungen 1999 abgeschlossen werden. Wo dies noch nicht erfolgte, sind die Prüfungen jetzt durchzuführen.
b    Als erstmalig geprüft gelten diese Abwasserleitungen nach den Technischen Regeln wassergefährdende Stoffe TRwS 134/1997 des DVWK "Abwasseranlagen als Auffangvorrichtungen", wenn sie in einer Zeitspanne bis 10 Jahren (d.h. 1987) vor Veröffentlichung dieser Technischen Regel auf Dichtheit geprüft wurden und die Prüfergebnisse aufgezeichnet sind.
c    Sofern nach der Erstprüfung keine baulichen oder verkehrstechnischen Änderungen mit Auswirkung auf die Entwässerungsanlage (statisch/dynamisch) erfolgt sind und die abwassertechnische Belastung nicht verändert wurde, kann im Einvernehmen mit der Überwachungsbehörde eine Prüfung mit der Kanalfernsehanlage (KA) durchgeführt werden.
d    Sofern nach der ersten wiederkehrenden Prüfung keine baulichen oder verkehrstechnischen Änderungen mit Auswirkung auf die Entwässerungsanlage (statisch/dynamisch) erfolgt sind und die abwassertechnische Belastung nicht verändert wurde, können im Einvernehmen mit der Überwachungsbehörde die Intervalle für die wiederkehrende Prüfung verlängert oder auch verkürzt werden.
e    Diese Leitungen werden ggf. mit stark kontaminiertem Abwasser aus VAwS-Anlagen bzw. mit unverdünnten wassergefährdenden Stoffen beaufschlagt, so dass hier die gleichen Fristen anzuwenden sind wie bei Anlagen mit gewerblichem Abwasser. Grundsätzlich wären auch diese Leitungen vor einer Abwasserbehandlungsanlage bereits bis 1999 zu prüfen gewesen. Insofern erfolgt mit der Aufnahme in die Tabelle eine Gleichstellung.

Die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen in Form der Selbstüberwachungsverordnungen und die Festlegung fester Inspektionsintervalle in Normen und Regelwerken waren wichtige Schritte für die Durchsetzung der Rechtspflicht zur Inspektion der Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden. Da diese Regelung jedoch erst in den letzten Jahren erfolgte, ist der Istzustand aller Kanalisationen in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht vollständig festgestellt und bewertet worden. Dieses Versäumnis kann in der Regel aus wirtschaftlichen und Kapazitätsgründen nicht sofort, sondern nur schrittweise nachgeholt werden. Dabei besteht grundsätzlich die Gefahr, daß aufgrund der unterschiedlichen kanalbezogenen Faktoren (z.B. hohe Schadstoffbelastung des Abwassers sowie Anzahl und Ausmaß der Undichtigkeiten in den einzelnen Kanalhaltungen) besonders sensible Netzbereiche (z.B. mit oberflächennahem Grundwasservorkommen, in Wasserschutzgebieten oder in denen besonders gefährliche Stoffe abgeleitet werden) nicht entsprechend DIN EN 752-5 [DINEN752-5:1997] vorrangig berücksichtigt und damit hohe Umweltgefährdungspotentiale nicht erfaßt und angemessen behandelt werden. Aus diesem Grund kommt einer Prioritätenfindung für Inspektionsmaßnahmen insbesondere bei sehr großen Entwässerungsnetzen eine besondere Bedeutung zu.

image
Bild 4.2-1: 

Schema des Bewertungsansatzes zur Bestimmung von Dringlichkeiten für die Inspektion von Kanalisationen [Mülle90]

Ein Bewertungsansatz zur Bestimmung der Dringlichkeit von Inspektionen unter dem Aspekt des Umweltschutzes wird in [Mülle90] unterbreitet (Bild 4.2-1) .

Dabei ist einerseits eine Einschätzung des Schadstoffpotentials des im Kanal abfließenden Abwassers und dessen Möglichkeit, durch Exfiltration in den Untergrund zu gelangen, vorzunehmen. Andererseits muß die Empfindlichkeit der Umwelt - der natürlichen Schutzgüter und deren Nutzungen - gegenüber Beeinträchtigungen von Schadstoffeinträgen eingeschätzt werden.

Die Prioritätenabstufung erfolgt von A nach E. Die Haltungen mit der Dringlichkeitsstufe A sind vorrangig zu inspizieren. Als zusätzliche Kanalabschnitte mit geringster Inspektionsdringlichkeit (Dringlichkeitsstufe F) werden die zu Beginn des Bewertungsansatzes ermittelten Kanalnetzbereiche mit Lage im Grundwasser einbezogen, die folglich an letzter Stelle der Untersuchungsreihenfolge stehen.

Dieser Bewertungsansatz vernachlässigt z.B. die Infiltration von Grundwasser in unterhalb des Grundwasserspiegels liegende Kanäle, die Probleme der Standsicherheit, der hydraulischen Leistungsfähigkeit und sonstige Kriterien, wie z.B. Straßenbaumaßnahmen. Bei einer endgültigen Planung der Inspektionsmaßnahmen müssen sie u.U. als weitere Einstufungskriterien mit herangezogen werden.

Als problematisch zeigt sich erfahrungsgemäß bei der Datenaufnahme zur Bestimmung der Inspektionsdringlichkeit teilweise die Erhebung der Grundwasserstände (Abschnitt 4.3.2.1) . Insbesondere bei unzureichender Datenlage und zusätzlich stark wechselnden hydrogeologischen Untergrundverhältnissen empfiehlt sich die Hinzuziehung eines Experten.

image
Bild 4.2-2: 

Schema zur Beurteilung der Gefährdung des Grundwassers im oberen Hauptaquifer in Abhängigkeit von Bodendurchlässigkeit und -mächtigkeit [Haert82]

Die Beurteilung der Gefährdung des Grundwassers nach [Haert82] basiert auf einer Abschätzung der Filterwirkung und damit der Selbstreinigung der Grundwasserdeckschicht gegenüber den eindringenden Schadstoffen (Bild 4.2-2). Damit wird nicht berücksichtigt, daß es sich bei den austretenden Abwasserinhaltsstoffen in erster Linie um schwer abbaubare und persistente Stoffe handelt.

Einen etwas anderen Weg empfiehlt Hochstrate in [Hochs97] in Form einer selektiven Erstinspektion. Im Gegensatz zur gängigen Praxis der flächendeckenden Erstinspektion, bei der üblicherweise, z.B. aus Kostengründen oder dem Gesetzgeber folgend (Tabelle 4.2-1) , ganze Stadtquartiere nacheinander inspiziert werden und eine Abschätzung des Istzustandes des Gesamtnetzes je nach Größe erst in einigen Jahren möglich ist, werden hier nur repräsentative Netzbereiche als statistische Stichproben inspiziert. Das Ergebnis wird dann auf das Gesamtnetz hochgerechnet.

Das Verfahren der selektiven Erstinspektion ist durch die Einführung der DIN EN 752-5 [DINEN752-5:1997] jetzt auch in Deutschland als Stand der Technik anerkannt. Dort wird hierzu unter Punkt 7.5.1 ausgeführt: "Die baulichen Untersuchungen können entweder eine vollständige Untersuchung des Entwässerungssystems oder eine selektive Vorgehensweise umfassen" [DINEN752-5:1997] .

Die Stichprobentheorie der selektiven Erstinspektion geht davon aus, daß der aktuelle Netzzustand durch die Altersstruktur des Netzes sowie durch unterschiedliche Alterungsgeschwindigkeiten der Haltungen entstanden ist.

Als mögliche Ursachen unterschiedlicher Alterungsgeschwindigkeiten werden Bestandsmerkmale folgender Art berücksichtigt:

  • Bodenverhältnisse
  • Rohrwerkstoff
  • Nennweite
  • Verlegungsqualität (erkennbar an Bauperioden, Ortsteilen)
  • Entwässerungssystem (M/R/S)
  • Abwasserqualität (häuslich/gewerblich/industriell)
  • unzureichende Überdeckung
  • sonstige regionale Besonderheiten (z.B. frühere Wartungsdefizite in eingemeindeten Ortsteilen).

Für die selektive Erstinspektion wird nun ein Stichprobenplan aufgestellt, in dem Haltungen mit allen genannten Merkmalen sowie mit den vorhandenen Merkmalskombinationen angemessen vertreten sind. Die Stichprobe umfaßt etwa 10 % der Netzlänge, mindestens aber 25 km. Nach Inspektion der Stichprobe wird zunächst durch Regressionsanalyse festgestellt, welche der möglichen Einflußgrößen einen statistischen Erklärungsbeitrag zur bisherigen Zustandsentwicklung der Haltungen liefert. Mit Hilfe dieser als signifikant bestätigten Einflußgrößen wird dann für jede Haltung die geschätzte Gesamtnutzungsdauer bestimmt, aus der sich unter Berücksichtigung des Baujahres die Restnutzungsdauer ergibt. Im Ergebnis wird für jede Haltung des Netzes ein geschätzter aktueller Zustand sowie eine Zustandsprognose errechnet.

In den Folgejahren der selektiven Erstinspektion finden geplante verschobene Erstinspektionen der bisher nicht inspizierten Haltungen statt. Vorrangig werden hier diejenigen Haltungen inspiziert, deren (geschätzter) Zustand schlecht ist oder in wenigen Jahren ein kritisches Stadium erreichen wird. Die Inspektionen werden also systematisch dorthin gelenkt, wo der Handlungsbedarf hoch ist. Je nach Inspektionsergebnis werden die Haltungen entweder saniert oder sie erhalten eine korrigierte Zustandsbewertung und einen Termin für die nächste Wiederholungsinspektion.

Sachgerechte selektive Wiederholungsinspektionen werden auf solche Haltungen konzentriert, deren bisherige Zustandsentwicklung auf einen kritischen Zustand hindeutet. Hier werden die Inspektionsintervalle deutlich verkürzt, etwa auf 5 Jahre, während sie bei Haltungen mit günstiger Zustandsprognose verlängert werden. Bei weitgehend inspizierten Kanalnetzen erübrigt sich eine selektive Erstinspektion. Hier wird für jede Haltung aus der individuellen Zustandsprognose ein individueller Termin für die nächste Wiederholungsinspektion berechnet. Die Termine sind so gewählt, daß kritische Haltungszustände frühzeitig erkannt werden. Die Inspektionsergebnisse führen entweder zur Sanierung oder zur Korrektur des Haltungszustands, verbunden mit der Festlegung eines neuen Inspektionstermins. Da jeder Inspektionstermin auf einer Zustandsprognose basiert und das Inspektionsergebnis zur Korrektur dieser Prognose herangezogen wird, spricht man von einer "prognostischen Inspektionsstrategie". Zweck der Prognosen ist die Organisation einer vorausschauenden Instandhaltung [Hochs97] .

Die Ansätze der prognostischen Inspektionsstrategie erscheinen sinnvoll und hilfreich zur Lösung der anstehenden Inspektionsaufgaben. Zur Vermeidung von Fehleinschätzungen ist es jedoch notwendig, im Rahmen eines umfassenden Untersuchungsprogrammes und unter Nutzung vorhandener, überregionaler Inspektionsergebnisse die Abbaukurven des Abnutzungsvorrates sowie die Schadensentwicklung für alle Schadensarten in Abhängigkeit aller möglichen inneren und äußeren Randbedingungen zu ermitteln.

Für den Fall, daß für ein bestehendes Entwässerungssystem Sanierungsmaßnahmen geplant und entworfen werden sollen, empfiehlt die DIN EN 752-5 [DINEN752-5:1997] (Bild 4.2-1) die Inspektionsplanung, d.h. die Wahl der Vorgehensweise bei der Feststellung und Beurteilung des Istzustandes auch unter Berücksichtigung der aktuellen Funktionstüchtigkeit durchzuführen. Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit bestehender Entwässerungssysteme sollten durch Berichte über Schadensfälle wie Kanaleinstürze, Überflutungen und Gewässerverschmutzungen bekannt sein. Aufzeichnungen früherer Ereignisse und andere vorhandene relevante Daten und Informationen wie:

  • "Lage, Werkstoff und Abmessungen von Abwasserleitungen und -kanälen einschließlich Auslaufkanälen (Kanalkataster/Bestandsdaten);
  • erforderliche Erlaubnisse und gesetzliche Anforderungen;
  • bisherige betriebliche, bauliche und sicherheitstechnische Maßnahmen zur Problemlösung;
  • Art und Menge des betrieblichen Schmutzwassers;
  • bisherige Inspektionen (Untersuchungen);
  • frühere hydraulische Berechnungen;
  • frühere Beurteilungen von Auswirkungen auf die Umwelt;
  • Bauzustand der vorhandenen Abwasserleitungen und -kanäle;
  • Beschaffenheit und Nutzung des Vorfluters;
  • Grundwasserstände und -strömungsgeschwindigkeiten;
  • Bodenverhältnisse, einschließlich der Möglichkeit zur Versickerung;
  • Grundwasserschutzgebiete;
  • Angaben über frühere Prüfungen" [DINEN752-5:1997]

sollten zusammengestellt werden. Die Bestandsdaten des Kanalkatasters (Abschnitt 4.6.2) sind durch folgende Angaben zu aktualisieren:

  • "Lage, Abmessungen, Form und Werkstoff aller Abwasserleitungen und -kanäle;
  • Lage, Tiefe und Höhenkoten von Schächten sowie Höhenkoten der Anschlüsse in Schächten;
  • Lage von Anschlüssen an Abwasserleitungen und -kanäle;
  • Anordnung und Gestaltung von Sonderbauwerken wie Regenentlastungsbauwerke und Pumpanlagen einschließlich Details über besondere Einrichtungen (z.B. Pumpen und Rechen)" [DINEN752-5:1997] .

Nach der Beurteilung der aktuellen Funktionsfähigkeit des Entwässerungssystems basierend auf den o.a. Informationen wird es möglich sein, aufgrund der Ausmaße der Probleme zu entscheiden, ob die Ausweitung der Untersuchungen auf das gesamte Einzugsgebiet gerechtfertigt ist. Wo eine Untersuchung erforderlich ist, muß entschieden werden, wie detailliert die Feststellung und Beurteilung des Istzustandes für die einzelnen Aspekte (hydraulische, umweltrelevante und bauliche Untersuchungen) zu erfolgen hat. Sind in mehreren Einzugsgebieten oder Teileinzugsgebieten Untersuchungen und Sanierungsmaßnahmen erforderlich, können aufgrund der gesammelten Informationen die Prioritäten für die Lösung der erkannten Probleme in den einzelnen Einzugsgebieten festgelegt werden. Dies kann bei der Erstellung eines umfassenden Untersuchungsprogramms Verwendung finden, damit in den Einzugsgebieten mit den dringendsten Problemen zuerst saniert wird [DINEN752-5:1997] .

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)