Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Qualitative Zustandserfassung

Stand der Technik bei der Inneninspektion ist die optische Zustandserfassung. Sie wird im ATV-M 143 Teil 2 [ATVM143-2:1999] geregelt. Dabei können in Abhängigkeit der eingesetzten Verfahren im wesentlichen erfaßt und qualitativ beurteilt werden (Abschnitt 2.1) :

  • Abzweige, Stutzen,
  • Abflußhindernisse,
  • Lageabweichungen,
  • mechanischer Verschleiß,
  • Innenkorrosion,
  • Verformung,
  • Risse, Rohrbruch, Einsturz,
  • Rohrverbindungen und Fugen,
  • Grundwasserinfiltration.

Im Gegensatz zu den a priori Undichtigkeiten, d.h. den deutlich sichtbaren Lecks, wie Risse, Scherbenbildung, Rohrbruch und Einsturz, können Undichtigkeiten ohne sichtbare Beschädigungen von z.B. Rohrverbindungen oder Rohrwandungen nur bei entsprechender Infiltration, d.h. bei eindringendem Wasser festgestellt werden (Abschnitt 2.2.1) . Weitere optisch feststellbare Indizien für Undichtigkeiten sind die verstärkte Wasserführung zu Zeiten mit normalerweise geringem Abwasseranfall, z.B. in Nachtzeiten, ein größerer Sedimentanfall im Kanal oder Setzungen der Geländeoberfläche im Bereich der Leitungstrasse. In allen anderen Fällen müssen zur Beurteilung der Dichtheit entsprechende Prüfungen durchgeführt werden (Abschnitt 4.5.1) .

Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, bei ständig oder teilweise im Grundwasser liegenden Kanälen die optische Inneninspektion jeweils beim höchstmöglichen Grundwasserstand durchzuführen. Diese Forderung einzuhalten, ist nicht einfach, da der Grundwasserstand in der Regel nicht bekannt ist, in Abhängigkeit von den geologisch-hydrogeologischen und hydrologischen Randbedingungen Schwankungen unterliegt oder durch die Dränagewirkung vorhandener Lecks bis auf Höhe Rohrsohle abgesenkt sein kann. Genaue Informationen darüber, ob die jeweilige Haltung zur Inspektionszeit unter Grundwassereinfluß steht, können nur meßtechnisch erhalten werden. Hier bietet sich neben den im (Abschnitt 4.3.1.3) erläuterten Aufschlußbohrungen zur Beobachtung des Grundwassers die nachträgliche Montage eines Grundwasserstandsanzeigegerätes [WRC83] , z.B. in Form eines durchsichtigen Kunststoffrohres im Einsteigschacht an (Bild 4.3.2.1-1). Aus dieser punktuellen Erfassung des Grundwasserhorizontes im Bereich des Einsteigschachtes lassen sich jedoch nicht in jedem Fall Rückschlüsse auf die Grundwasserstände im Bereich der gesamten Haltung ziehen, da partielle Grundwasserabsenkungen durch Undichtigkeiten nicht auszuschließen sind.

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Bild 4.3.2.1-1: 

Durchsichtiges Kunststoffrohr im Einsteigschacht als Grundwasserstandsanzeiger in Anlehnung an [WRC83] [Quelle: visaplan GmbH]

Bei der optischen Inneninspektion kann zwischen der

unterschieden werden.

Die direkte optische Inneninspektion erfolgt durch

  • Inaugenscheinnahme beim Begehen oder Befahren der Kanäle.

Bei der indirekten optischen Inspektion kommen zum Einsatz:

  • Kanalspiegelung
  • Kanalfernsehen

Die Inspektionsobjekte müssen so gereingigt sein (Abschnitt 3.2.1) , daß der Istzustand einwandfrei festgestellt und beurteilt werden kann. Während der Inspektion mit einer Fernsehanlage ist die jederzeitige Verfügbarkeit eines Reinigungsfahrzeuges sicherzustellen, um bei Bedarf nachreinigen zu können. Für die Dauer der Inspektion soll das Inspektionsobjekt je nach Aufgabenstellung möglichst abwasserfrei sein. Dies kann z.B. durch Umleiten, zeitweiligen Rückstau oder Überpumpen erreicht werden [ATVM143-2:1999] [DINEN752-5:1997] [Acher86] [SIA] (Abschnitt 5.5) .

Die Inspektion einer in Betrieb befindlichen Haltung setzt voraus, daß der Wasserstand so niedrig ist, daß sich die eingesetzten Geräte z.B. im nichtbegehbaren Bereich oberhalb des Wasserspiegels befinden oder im begehbaren Bereich die direkte Begehung gefahrlos durchgeführt werden kann. Eine Inspektion des Sohlenbereiches ist in diesem Fall nicht möglich.

Bei der Durchführung sämtlicher Inspektionsmaßnahmen sind die Unfallverhütungsvorschriften, insbesondere UVV Ortsentwässerung [GUV74a] und die "Sicherheitsregeln für Arbeiten in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen-Betrieb (GUV 17.6)" [GUV176a] zu beachten. Weitere Hinweise sind [ATV82] [WPCF85] [Schur80] [Tietz81] zu entnehmen.

Zur Vermeidung einer explosionsfähigen Atmosphäre im Kanalrohr sind entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen [ATVM143-2:1999] .

Die Regelung, Sicherung und Absperrung des Verkehrs erfordert gegebenenfalls Abstimmungen geeigneter Maßnahmen mit der Straßenverkehrsbehörde [ATVM143-2:1999] .

Das für die Inspektion verantwortlich eingesetzte Personal soll bau-, betriebs- und materialtechnisches Fachwissen über Kanäle und eine mindestens einjährige Inspektionspraxis besitzen [ATVM143-1:1989] [ATVM143-2:1999] . Ähnliche Anforderungen enthalten auch die Güte- und Prüfbestimmungen vom Güteschutz Kanalbau. Dort werden zusätzlich Schulungen durch überbetriebliche Fortbildungsmaßnahmen gefordert [Gütes95a] .

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)