Begriffe
In Anlehnung an DIN 4045 [DIN4045:1985] und DIN 1986 Teil 1 [DIN1986:1995] sowie die Europäische Norm DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] werden die wichtigsten, nachfolgend verwendeten Begriffe definiert (Bild 1.2-1) . In den Fällen, in denen größere Abweichungen zwischen der Europäischen und den Deutschen Normen auftreten, werden aus Verständnisgründen beide Begriffe aufgeführt.
In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß die Begriffsdefinitionen der DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] "nicht als gesetzliche Definitionen gedacht sind".
Gegenstand des vorliegenden Buches ist die Instandhaltung von Kanalisationen.
Instandhaltung: Maßnahmen zur Bewahrung und Wiederherstellung des Sollzustandes sowie zur Feststellung und Beurteilung des Istzustandes von Kanälen. Diese beinhalten Maßnahmen der Wartung, Inspektion, Schadensbehebung.
(Der Begriff "Schadensbehebung" wird nach DIN EN 752-5 [DINEN752c] durch den Begriff "Sanierung" ersetzt.) [ATVM143-1:1989] .
Kanalisation nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Anlage zur Sammlung und Ableitung von Abwasser. Sie besteht aus dem Entwässerungsnetz (Kanalnetz) und der Grundstücksentwässerung.
Entwässerungsnetz (Kanalnetz) nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Gesamtheit der Kanäle, Abwasserdruckleitungen und zugehörigen Bauwerke in einem Entwässerungsgebiet (öffentlicher Zuständigkeitsbereich).
Grundstücksentwässerung nach DIN 1986 [DIN1986:1995] : Gesamtheit der baulichen Anlagen zur Sammlung, Ableitung, Beseitigung und Behandlung von Abwasser in Gebäuden und auf Grundstücken (privater Zuständigkeitsbereich bzw. Liegenschaften des Bundes u.a. Gebietskörperschaften).
Hierzu zählen auch z.B. Kasernen, Fabriken, Flugplätze, Krankenhäuser, die vielfach Leitungssysteme ähnlich denen eines ganzen Stadtteils benötigen.
Gebäude im Sinne der Bauordnung sind selbständig benutzbare, überdachte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können.
Die DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] sieht eine andere Gliederung vor. Sie unterscheidet:
Entwässerungssysteme (Begriff nicht definiert) außerhalb von Gebäuden, "die überwiegend mit Freispiegelleitungen und -kanälen betrieben werden. Das Entwässerungssystem umfaßt den Bereich, wo das Abwasser das Gebäude bzw. die Dachentwässerung verläßt oder in einen Straßenablauf fließt, bis hin zu dem Punkt, wo das Abwasser in eine Behandlungsanlage oder einen Vorfluter eingeleitet wird. Abwasserleitungen und -kanäle unterhalb von Gebäuden sind hierbei eingeschlossen, solange sie nicht Bestandteil der Gebäudeentwässerung sind."
Den Teilbereich des Entwässerungssystems, der sich in der Regel im öffentlichen Zuständigkeitsbereich befindet, bildet die
Kanalisation nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Netz von Rohrleitungen und Zusatzbauten, das Schmutzwasser und/oder Regenwasser von Abwasserleitungen zu Kläranlagen oder an anderen Entsorgungsstellen ableitet.
Grundstücksentwässerung nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : System von Rohren zur Ableitung von Schmutzwasser und/oder Regenwasser zu einer Senkgrube, Kanalisation oder sonstigen Entsorgungseinrichtung.
Abwasserkanal, Kanal nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Offenes oder geschlossenes Gerinne, in dem Abwasser i.d.R. mit freiem Gefälle abgeleitet wird. Man unterscheidet z.B. Regenwasserkanal, Schmutzwasserkanal, Mischwasserkanal.
Gegenstand des Buches sind Kanäle mit geschlossenem Gerinne, wobei der Begriff Kanal auch als Sammelbegriff für alle Leitungstypen eines Entwässerungssystems nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] verwendet wird.
Abwasserkanal nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Meist erdverlegte Rohrleitung oder andere Vorrichtung zur Ableitung von Schmutzwasser und/oder Regenwasser aus mehreren Quellen.
"Abwasserkanäle zur Aufnahme des aus Teilgebieten abgeleiteten Schmutz- und/oder Regenwassers" bezeichnet man nach DIN 4045 [DIN4045:1985] als Sammler (z.B. Nebensammler, Hauptsammler). Ihre Anordnung in Kanalisationen (Bild 1.2-2) hängt vor allem von der Grundrißform, Geländegestalt und Größe der Ortschaft, von der Lage des Vorfluters, der Kläranlage oder des Pumpwerkes sowie von der Behandlungsart des Abwassers ab.
Verlaufen die Sammler (z.B. Nebensammler, Hauptsammler) der einzelnen Teilgebiete vorwiegend senkrecht zu den Höhenlinien bzw. zum Vorfluter, so spricht man von einem Quernetz (Bild 1.2-2) . Muß das Abwasser vor Einleitung in den Vorfluter gereinigt werden, so sind die Sammler des Quernetzes vor Mündungen im Vorfluter abzufangen (Abfangnetz) (Bild 1.2-2) . Beim Längsnetz verlaufen die einzelnen Sammler unter sich und zum Vorfluter bzw. in Höhenlinien nahezu parallel (Bild 1.2-2) . Im Gegensatz dazu gibt es im Verästelungsnetz keine vorherrschende Sammelrichtung mehr (Bild 1.2-2) . Werden die Sammler der Teilgebiete strahlenförmig nach außen geführt, so spricht man vom Radialnetz (Bild 1.2-2) [Busch65] .
Im Deutschen Normenwerk gehört zum öffentlichen Zuständigkeitsbereich der Kanalisation auch der Anschlusskanal nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Kanal zwischen dem öffentlichen Abwasserkanal und der Grundstücksgrenze bzw. der ersten Reinigungsöffnung (z.B. Übergabeschacht) auf dem Grundstück (Bild 1.2-3) (Bild 1.2-4) .
Die Festlegung des Zuständigkeitsbereiches erfolgt in der Entwässerungssatzung.
Die Rohrleitung der Grundstücksentwässerung bezeichnet man als Abwasserleitung nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Leitung zwischen Entwässerungsgegenständen und der Grundstücksgrenze bzw. der letzten Reinigungsöffnung (z.B. Übergabeschacht) auf einem Grundstück.
Abwasserleitung nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Meist erdverlegtes Rohr zur Ableitung von Schmutzwasser und/oder Regenwasser von der Anfallstelle zum Abwasserkanal.
Darüber hinaus unterscheidet DIN 1986 Teil 1 [DIN1986:1995] noch weitere Leitungsarten, wie z.B. die Grundleitung : Im Erdreich oder in der Grundplatte unzugänglich verlegte Leitung, die das Abwasser in der Regel dem Anschlußkanal zuführt (Abschnitt 1.9.1) .
In Normen nicht definiert ist der Begriff Hausanschluß. Dennoch findet er in der Praxis vielfach Verwendung. Er wird für "die Leitung von der Reinigungsöffnung im Gebäude bis zum Abwasserkanal" verwendet.
Die Entwässerungssysteme werden vornehmlich als Freispiegel-, Druck- und Unterdrucksystem betrieben.
Freispiegelsystem: Entwässerungssystem, bei dem der Abfluß durch Schwerkraft erfolgt und bei dem die Leitung üblicherweise mit Teilfüllung betrieben wird [DINEN752c] .
Der Abwasserkanal fungiert in diesem Fall als Freispiegelleitung: Die Leitung hat nur eine Teilfüllung, die bis zum Rohrscheitel reichen kann; der Wasserspiegel in der Leitung steht unter äußerem Luftdruck.
Wenn das Abflußvermögen der Leitung kleiner ist als die abzuleitende Abflußmenge, bildet sich ein Rückstau. In diesem Fall ist die Leitung wie eine Druckleitung zu behandeln.
Abwasserdruckleitung: Leitung zum Transport von Abwasser unter Druck.
Unterdruckleitung: Leitung zum Transport von Abwasser unter Unterdruck.
Haltung nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Strecke eines Abwasserkanals zwischen zwei Schächten und/oder Sonderbauwerken.
Anfangshaltung nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Erste Haltung in Fließrichtung gesehen.
Endhaltung nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Letzte Haltung in Fließrichtung gesehen, z.B. vor der Kläranlage oder dem Vorfluter.
Einsteigschacht nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Schachtbauwerk zum Betreten von unterirdischen Kanälen oder anderen unterirdischen Abwasseranlagen (in DIN 19549 [DIN19549] als Schacht bezeichnet).
Schacht nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Einstieg mit abnehmbarem Deckel, angebracht auf einer Abwasserleitung oder einem Abwasserkanal, um den Einstieg von Personen zu ermöglichen.
Inspektionsöffnung nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Öffnung mit abnehmbarem Deckel, angebracht auf einer Abwasserleitung oder einem Abwasserkanal, die die Zugänglichkeit nur von der Oberfläche aus erlaubt, nicht jedoch den Einstieg von Personen gestattet.
Vorfluter: Jede Art von Gewässer, wie z.B. Meer, Fluß, See oder Grundwasserträger, in das Abwasser aus Entwässerungssystemen eingeleitet wird [DINEN752c] .
Bezüglich des Entwässerungverfahrens, d.h. der "Art der Ableitung von Abwasser" [DIN4045:1985] unterscheidet man z.B.:
Trennverfahren nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Getrenntes Ableiten von Schmutzwasser und Regenwasser.
Mischverfahren nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Gemeinsames Ableiten von Schmutzwasser und Regenwasser in einem Kanal.
Nach diesen und anderen Verfahren betriebene Entwässerungssysteme bezeichnet man als:
Trennsystem nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Entwässerungssystem, üblicherweise bestehend aus zwei Leitungs- / Kanalsystemen für die getrennte Ableitung von Schmutz- und Regenwasser (Bild 1.2-5) .
Mischsystem nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Entwässerungssystem, bestehend aus einem einzigen Leitungs-/Kanalsystem zur gemeinsamen Ableitung von Schmutz- und Regenwasser (Bild 1.2-6) .
Modifiziertes Mischsystem nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Entwässerungssystem, üblicherweise bestehend aus zwei Leitungs-/Kanalsystemen, wobei in einem System das Schmutzwasser mit einem festgelegten Regenwasseranteil und in anderen Systemen der restliche Teil des Regenwassers abgeleitet wird.
Bei Mischsystemen ist der Regenwasserabfluß maßgebend für die Querschnittsabmessungen des Abwasserkanals. Die Abflußmenge unterliegt erheblichen Schwankungen und kann mehr als das 100-fache des Schmutzwasserabflusses betragen [ATV82] . Dies führt relativ schnell zu großen erforderlichen Abflußquerschnitten mit überwiegender Teilfüllung im Betrieb.
Beim Trennsystem hingegen liegen die Querschnitte der schmutzwasserführenden Abwasserkanäle und -leitungen selbst noch für 50.000 angeschlossene Einwohner an einen Sammler in Größenordnungen von 0,2 m2, d.h. DN 500 [Rothe83] .
Abwasser nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Durch Gebrauch verändertes, abfließendes Wasser und jedes in die Kanalisation gelangende Wasser (Abschnitt 7.1) .
Man unterscheidet z.B.:
- Schmutzwasser
- Regenwasser
- Fremdwasser
- Mischwasser
- Kühlwasser
Die Aufzählung der unterschiedlichen Abwasserarten kann vom eigentlichen Begriff "Abwasser" losgelöst betrachtet werden.
Abwasser nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : In einer Abwasserleitung oder einem Abwasserkanal abgeleitetes Schmutzwasser und/oder Regenwasser.
Schmutzwasser nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Durch Gebrauch verändertes und in ein Entwässerungssystem eingeleitetes Wasser.
Schmutzwasser nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Durch Gebrauch verunreinigtes Wasser.
Häusliches Schmutzwasser nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Schmutzwasser aus Küchen, Waschräumen, Waschbecken, Badezimmern, Toiletten und ähnlichen Einrichtungen.
Betriebliches Schmutzwasser nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Schmutzwasser, ganz oder teilweise aus Industrie- oder Gewerbebetrieben.
Regenwasser nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Abfließender Regen.
Regenwasser nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Niederschlag, der nicht im Boden versickert ist und von Bodenoberflächen oder Gebäudeaußenflächen in das Entwässerungssystem eingeleitet ist.
Fremdwasser nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : In die Kanalisation eindringendes Grundwasser (Undichtigkeiten), unerlaubt über Fehlanschlüsse eingeleitetes Wasser (z.B. Dränwasser, Regenwasser) sowie einem Schmutzwasserkanal zufließendes Oberflächenwasser (z.B. über Schachtabdeckungen).
Fremdwasser nach DIN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Unerwünschter Abfluß in einem Entwässerungssystem.
Mischwasser nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Gemeinsam abgeleitetes Schmutzwasser und Regenwasser und gegebenenfalls Fremdwasser.
Kühlwasser nach DIN 4045 [DIN4045:1985] : Im allgemeinen unverschmutztes, durch Gebrauch erwärmtes Wasser aus Kühlprozessen.
Düker nach DIN EN 752-1 [DINEN752-1:1996] : Abschnitt einer Freispiegelleitung oder eines Freispiegelkanals, welcher tiefer als die oben- und untenliegenden Abschnitte angeordnet ist, damit ein Hindernis unterfahren werden kann, und der daher unter Druck betrieben wird.
Die Begriffe Abwasserkanal, Anschlußkanal, Abwasserleitung, Grundleitung werden nachfolgend zusammenfassend Kanäle genannt, wenn nicht ausdrücklich der jeweilige Einzelbegriff verwendet werden muß.