Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)

Geschlossene Bauweise

Neben der Herstellung von Kanälen in offener Bauweise wurde schon seit jeher in Sonderfällen, wie z.B. bei großer Überdeckungshöhe, in engen oder verkehrsreichen Straßen, beim Kreuzen von Bahnen oder Wasserstraßen, die geschlossene bzw. unterirdische Bauweise angewendet.

Heute gewinnt die geschlossene Bauweise aufgrund zunehmender politisch-ökologischer Zwänge eine immer größere Bedeutung, da mit der offenen Bauweise häufig

  • Lärm-, Schwingungs- und Emissionsbelastungen aus Baustellenbetrieb und Verkehrsumleitungen,
  • Beeinträchtigungen benachbarter baulicher Anlagen und Bepflanzungen z.B. durch Wasserhaltungsmaßnahmen,
  • Steigerungen des Energieverbrauches sowie Umsatz- und Arbeitszeitverluste durch Verkehrsumleitungen,
  • Sicherheitsrisiken für Anlieger,
  • Steigerungen des Verbrauches von Ressourcen sowie
  • Steigerungen der Inanspruchnahme von Deponieräumen

verbunden sind.

In den letzten Jahren wurde versucht, z.B. mit Hilfe mechanisierter Grabenverbaumethoden oder sogenannter Punktbaustellen die o. a. Nachteile zu minimieren und damit dem steigenden Umweltbewußtsein der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Trotz der erreichten Fortschritte konnte jedoch keine allen Ansprüchen genügende Lösung gefunden werden.

Einen Ausweg bietet die geschlossene bzw. unterirdische Bauweise. Sie hat sich beim Bau begehbarer Leitungen bereits seit vielen Jahren mit einem hohen technischen Niveau durchgesetzt.

Die älteste geschlossene Bauweise stellt der bergmännische Stollenvortrieb mit Getriebezimmerung dar. Die Abtragung der äußeren Lasten erfolgt entweder über einen sogenannten hölzernen Türstock (Bild 1.6.2-1) oder über stählerne Ausbaubögen (Bild 1.6.2-2) mit einem Verzug aus Holzdielen oder Stahlblechen. Der Verzug wird je nach Baugrundbeschaffenheit entweder vorauseilend eingeschlagen bzw. vorgepreßt oder, entsprechend dem Vortriebsfortschritt, in Intervallen nachgetrieben.

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Bild 1.6.2-1: 

Stollenvortrieb mit Türstockzimmerung um 1910 [Frühl10]

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Bild 1.6.2-2: 

Stollenvortrieb mit Getriebezimmerung in Frankfurt a. M. um 1910 [Frühl10]

 
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Bild 1.6.2-3: 

Herstellung eines Ortbetonkanals im Stollenvortrieb [Braub25]

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Video 1.6.2-1: 

Aufbau eines im Stollenvortrieb hergestellten Ortbetonkanals [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]

Animation 1.6.2-1:  Anordnung der Vortriebspressen beim konventionellen Schildvortrieb in Anlehnung an [ATV95:1995] [Quelle: STEIN Ingenieure GmbH]
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Bild 1.6.2-4: 

Schemadarstellung der Stahlbetontübbinge [Tunnel77]

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Bild 1.6.2-5: 
Mikrotunnelbauverfahren mit hydraulischer Förderung beim einphasigen Vortrieb [Quelle: visaplan GmbH]
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Bild 1.6.2-6: 

Rohrvortrieb - Blick in die Startbaugrube mit Hauptpreßstation- und Stahlbetonvortriebsrohren [FI-FBS]

Im Schutze dieser Sicherung wurde der Kanal durch Ausmauerung oder in Ortbetonbauweise (Bild 1.6.2-3) (Video 1.6.2-1) hergestellt, wobei die gesamte Sicherung im Baugrund verblieb. Als kleinste Querschnitte wurden solche von 60 cm Breite und 90 cm Höhe ausgeführt [Büsin12] . Diese Bauweise wird heute noch in einzelnen Kommunen bei der Neuverlegung und Erneuerung von Kanälen eingesetzt (Abschnitt 5.4) .

Bei den im Boden verbliebenen Ausbauelementen, insbesondere bei solchen aus Holz, besteht durch deren Verrottung die Gefahr einer Hohlraumbildung, verbunden mit Veränderungen der Bettungsbedingungen, Rißbildungen usw. für die Rohrleitung.

Etwa seit der Jahrhundertwende gibt es für den begehbaren Nennweitenbereich als Alternative zum bergmännischen Stollenvortrieb den

  • Schildvortrieb und den
  • Rohrvortrieb.

Zum Schild gibt Brunels Patentanmeldung vor 180 Jahren die Definition: "Ein stählerner Mantel wird in das nicht standfeste Gebirge mit Pressen oder Spindeln geschoben. Im Schutze dieses Mantels wird in dessen vorderem Bereich der Boden abgebaut. Die hintere Verlängerung des Mantels, auch Schildschwanz genannt, überlappt die schon errichtete Tunnelauskleidung, so daß unter seiner Bedeckung die Tunnelauskleidung entsprechend dem Vorschub in kurzen Abständen weitergebaut werden kann (Animation 1.6.2-1) ."

Bezüglich der Auskleidung bei Schildvortrieben unterscheidet man Tübbingauskleidungen mit Elementen aus Gußeisen, Gußstahl, Stahl, Beton, Stahlbeton (Bild 1.6.2-4) und Stahlfaserbeton in Verbindung mit einer Ringraumverfüllung aus Zementmörtel.

Im vorliegenden Anwendungsfall bildet die Tübbingauskleidung nur die vorübergehende Sicherung des aufgefahrenen Hohlraumes. Zur Aufnahme der aus Innendruck resultierenden Kräfte im Kanalbetrieb wird jeweils eine endgültige Auskleidung aus Fertigteilen, Ortbeton oder Klinkermauerwerk eingebracht.

Der Rohrvortrieb begehbarer Querschnitte hat sich seit der Jahrhundertwende in der Bundesrepublik Deutschland zur wichtigsten geschlossenen Bauweise im kommunalen Bereich entwickelt. Von einer Startbaugrube aus werden Produktrohre mit Hilfe einer hydraulischen Preßeinrichtung bis in eine Zielbaugrube vorgetrieben (Bild 1.6.2-5) . Gleichzeitig erfolgt der Abbau des Bodens an der Ortsbrust und das Abfördern des Bohrkleins durch den vorgetriebenen Rohrstrang.

Im Gegensatz zum bergmännischen Stollenvortrieb und Schildvortrieb mit Tübbingauskleidung übernimmt beim Rohrvortrieb das Rohr die Doppelfunktion der Abstützung des Ausbruchraumes gegen das Gebirge einerseits und des fertigen Bauwerkes andererseits.

Bei dieser Bauweise wird der Baugrund außerhalb des Rohrquerschnittes kaum beeinträchtigt, so daß sich sehr gute Bettungsbedingungen für die Produktrohre ergeben.

Zur unterirdischen Verlegung nichtbegehbarer Kanäle kamen anfänglich folgende zwei Varianten zur Anwendung:

  1. Herstellung eines begehbaren Hohlraumes nach den o.a. Verfahren; Einbau der kleineren Produktrohrleitung in den gesicherten Hohlraum und abschließendes Verfüllen des Ringraumes (Abschnitt 5.4) .
  2. Herstellung eines nichtbegehbaren, durch Stahlschutzrohre gesicherten Hohlraumes mit Hilfe nichtsteuerbarer Vortriebsverfahren. Einbau der Produktrohrleitung und Verfüllen des Ringraumes [Stein80a] [Stein82c] .

Seit etwa 1982 gibt es in der Bundesrepublik Deutschland auch den unbemannten, ferngesteuerten Rohrvortrieb zur Herstellung von Kanälen mit nichtbegehbaren Querschnitten (Bild 1.6.2-6) unter Verwendung der im (Abschnitt 1.7.1) dargestellten Vortriebsrohre.

Die o.a. Verfahren sind ausführlich in der Literatur behandelt worden, so daß hier auf weitere Ausführungen verzichtet werden soll [ATV82] [ATV95b] [Stein80a] [Stein82c] [Maidl84b] [ATV95:1995] [Stein88b] [Stein84e] [Hambu85b] [Stein83a] [Stein84c] [Stein86b] [GSTT4] [Stein96a] [Stein84d] [Stein84g] [Stein85e] .

Instandhaltung von Kanalisationen / Hrsg.: Prof. Dr.-Ing. Stein & Partner GmbH / Redaktion: D. Stein, R. Stein (2001)