Schutzmaßnahmen gegen gefährliche Atmosphäre
"Vor Aufnahme und während der Arbeiten muß durch Lüftung sichergestellt sein, daß an den Arbeitsplätzen in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen weder gefährliche explosionsfähige Atmosphären, noch Sauerstoffmangel, noch Gase oder Dämpfe in gesundheitsschädlicher Konzentration auftreten können.
Lüftung ist natürlich oder technisch möglich.
Ausreichende natürliche Lüftung kann in Einzelfällen aufgrund der örtlichen Bedingungen (z.B. Lage der Schächte, Beschaffenheit der Schachtabdeckungen, Gefälle der Kanalstrecke) gegeben sein.
Das Öffnen von Schachtabdeckungen vor und hinter dem Schacht über eine bestimmte Zeitdauer kann in der Regel nicht als ausreichende Lüftung angesehen werden, insbesondere in der warmen Jahreszeit, wenn die Schachtatmosphäre kühler als die Umgebungsatmosphäre ist.
Zur Feststellung, ob die Lüftung ausreichend ist, können wiederholte Einzelmessungen oder kontinuierliche Messungen mit akustischer und optischer Signalangabe, gegebenenfalls an unterschiedlichen Stellen, erforderlich sein.
Eine ausreichende Lüftung liegt vor, wenn vorhandene Gase oder Dämpfe in der Umgebungsluft so verdünnt werden, daß
- der Sauerstoffgehalt mehr als 19 Vol.-% beträgt,
- die Konzentration brennbarer Gase oder Dämpfe unter 10 % der unteren Explosionsgrenze (UEG) liegt und
- die gesundheitsschädliche Konzentration giftiger Gase oder Dämpfe vermieden wird (Bild 7.3.2.4.3-2) .
Hinweise auf die Gesundheitsschädlichkeit geben die "Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationswerte" (MAK) und "Technischen Richtkonzentrationswerte" (TRK); (siehe Technische Regeln für Gefahrstoffe TRGS 402 "Ermittlung und Beurteilung von Konzentrationen gefährlicher Stoffe in der Luft in Arbeitsbereichen", TRGS 900 "MAK-Werte-Liste", Technische Regeln für gefährliche Arbeitsstoffe TRgA 403 "Bewertung von Stoffgemischen in der Luft am Arbeitsplatz").
Technische Lüftung ist Frischluftzufuhr zur Arbeitsstelle hin mit ausreichend leistungsfähigen Belüftungseinrichtungen" [GUVV95] . Sie erfolgt entweder drückend oder saugend.
Man unterscheidet dabei z.B. zwischen (Bild 7.3.2.4.3-1) (Bild 7.3.2.4.3-2) (Bild 7.3.2.4.3-3) (Bild 7.3.2.4.3-4) [FI-BSBel] :
Absaugung durch einen elektrisch betriebenen Ventilator über eine Lutte (Bild 7.3.2.4.3-1) .
Dabei "reduziert sich das Leistungsvolumen schon bereits bei 10 m Länge bis zu 50 %. Der durch Absaugung entstehende Unterdruck wird von der nachströmenden Luft, die immer von der nächstliegenden Öffnung kommt, ausgeglichen. Die Reichweite ist deshalb gering und der Querschnitt wird ungleichmäßig bestrichen. Durch die Lutte wird der Zugang erschwert und damit der Rettungsweg möglicherweise blockiert. Der Lüfter benötigt einen ex-geschützten Antriebsmotor" [FI-BSBel] .
Absaugung durch einen elektrisch betriebenen Ventilator, der auf der Schachtöffnung liegt (Bild 7.3.2.4.3-2) .
Bei dieser Art der Belüftung ist eine volle Abdeckung der Schachtöffnung notwendig, da sonst die Luft zwischen Ventilator und Schachtöffnung zum Druckausgleich auf kurzem Weg nach innen strömt. Der entstehende Unterdruck veranlaßt, daß die Luft von der nächstgelegenen Öffnung nachströmt. Je größer die Entfernung zur nächsten Öffnung oder je größer der zu belüftende Raum ist, desto geringer ist der Wirkungsgrad. Nachströmende Luft verteilt sich nicht mehr gleichmäßig über den gesamten Querschnitt. Gase, die schwerer als Luft sind, bleiben im unteren Bereich stehen. Der Einstieg und damit der Rettungsweg ist versperrt. Durch die geringe Reichweite wird ein häufiges Umsetzen des Gerätes erforderlich [FI-BSBel] .
Belüftung mit einem elektrisch betriebenen Ventilator über eine Lutte (Bild 7.3.2.4.3-3) .
Auch bei diesem Verfahren reduziert sich das Leistungsvolumen um ca. 50 %. Da die Luft den Weg des geringsten Widerstandes nimmt, wird in diesem Fall nur eine Teilstrecke zurück zur Eingangsöffnung belüftet. Damit ist zumindest an der Arbeitsstelle eine ausreichende Belüftung gegeben, wobei jedoch der Schadstoffgehalt im Haltungsabschnitt zwischen Einsteigschacht und Arbeitsstelle nicht unbedingt unterhalb der o.a. Grenzwerte gehalten werden kann.
Überdruckbelüftung mit Hochleistungslüfter und Luftleithaube (Bild 7.3.2.4.3-4) .
Bei der Überdruckbelüftung wird außenliegende Luft mit einem Hochleistungslüfter über eine Luftleithaube oder Lutte dem zu belüftenden Raum zugeführt (Bild 7.3.2.4.3-5) . Dadurch entsteht ein Überdruck, der sich gleichmäßig über den ganzen Raum ausdehnt. Die dadurch verursachte Luftbewegung zur nächstgelegenen Öffnung verdünnt die Gaskonzentration. Diese Belüftungsart läßt eine Versorgung mit Material sowie den Ein- und Ausstieg während des Belüftungsvorgangs zu.
Die drückende Belüftung ist der saugenden Belüftung immer vorzuziehen, da beim Absaugen die Gefahr der verstärkten Führung gesundheitsschädlicher oder explosionsfähiger Gase und Dämpfe zur Arbeitsstelle hin besteht.
"Technische Lüftung kann als ausreichend angesehen werden, wenn z.B.
- bei Kanälen mindestens ein Luftstrom von 600 m3/h und m2 Kanalquerschnitt,
- bei sonstigen Bauwerken, wie Pumpensümpfen, Schieberbauwerken etc. ein etwa sechs- bis achtfacher Luftwechsel pro Stunde
gegeben ist" [GUVV95] .
Zum Belüften ist wegen der stark erhöhten Brandgefahr die Verwendung von reinem Sauerstoff oder mit Sauerstoff angereicherter Luft nicht zulässig.
"Ist eine ausreichende Lüftung aus betriebstechnischen Gründen nicht möglich, müssen die Arbeiten in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen mit von der Umgebungsatmosphäre unabhängig wirkenden Atemschutzgeräten unter Beachtung des Explosionsschutzes durchgeführt werden.
Solange eine explosionsfähige Atmosphäre in gefahrdrohender Menge in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dürfen
- Arbeiten mit Zündgefahren nicht ausgeführt werden,
- keine Betriebsmittel eingebracht werden, von denen Zündgefahren ausgehen können.
Zündgefahren können unter anderem entstehen bei
- Reib-, Schlag- und Schleifvorgängen (z.B. Handschleifmaschinen, Verwendung von funkenreißenden Werkzeugen),
- Feuerarbeiten (Schweißen),
- elektrostatischer Entladung" [GUVV95] .
Elektrische Betriebsmittel müssen z.B. für die Zone 1 (Bereich, in dem damit zu rechnen ist, daß gefährliche explosionsfähige Atmosphäre gelegentlich auftritt) bzw. Zone 0 (Bereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre ständig oder langzeitig vorhanden ist) zugelassen sein.
Atemschutzgeräte dürfen die maximale Oberflächentemperatur T 3 (160° C) nicht überschreiten (s.a. "Richtlinien für die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfähige Atmosphäre mit Beispielsammlung - Explosionsschutz-Richtlinie - (EXRL)" [ZH110] (ZH 1/10)).